Vor gut zwei Wochen schoben sich Tausende durch die Hamburger Innenstadt. Bunte Fahnen flatterten, es lief Musik. Die Parole "Menschenrechte statt rechter Menschen" hatte rund 20.000 Hamburger auf die Straße getrieben, um einer angekündigten Demo von Neo-Nazis etwas entgegen zu setzen. Hier zeigte sich: Wer sich für Toleranz und Vielfalt in der Gesellschaft einsetzt, ist nicht allein. Man ist einer von verdammt vielen.
Nicht überall in Deutschland sind die Rollen so klar verteilt. In Güstrow ist Karen Larisch zwar nicht allein mit ihren Ideen, aber der Kampf gegen die rechte Szene erscheint manchmal fast aussichtslos. Denn der braune Sumpf breitet sich nicht nur hetzend auf Facebook aus - in Güstrow besteht Gefahr für Leib und Leben.
stern-Reporter als Zeuge
Diese Erfahrung mussten auch stern-Reporter machen, als sie im April dieses Jahres Zeuge wurden, wie aggressiv die rechte Szene agiert. Zuerst sammelten sich einige Männer vor dem Lokal, in dem sich Larisch mit den Reportern traf. Dann verschwanden die Männer und kurz danach klingelte Larischs Handy. Ihre 15-jährige Tochter rief an: "Die Nazis stehen bei uns vor dem Haus." Larisch rannte los. Die stern-Reporter riefen bei der Polizei an.
Inzwischen hatten Unbekannte die Tür zu dem Mehrfamilienhaus aufgebrochen, in dem Familie Larisch lebt. Die Tochter war noch im Haus. Im Treppenhaus brüllten Männer. Jemand rüttelte an der Wohnungstür. Endlich hörte die Tochter eine Polizeisirene. Die Angreifer flohen. Kurz darauf stürmten Polizisten herein. Auf den Briefkästen klebten Nazi-Aufkleber. Die Beamten riefen die Spurensicherung.
Rechte Hetze und Gewalt
Seit April geht Karen Larisch durch die Hölle. Im Mai wurde in die Villa Kunterbündnis eingebrochen. Das Büro war verwüstet, Unterlagen fehlten, Tische, Stühle, das Sofa - alles wurde kaputt geschlagen. Vor knapp einem Monat gab es einen Anschlag mit Buttersäure auf ihr Haus. "Es stank bestialisch. Wie eine Mischung aus Fäkalien, Müll und Erbrochenem. Der Gestank kroch durch das ganze Haus. Auch auch die ganze Straße hinauf", sagt Larisch. Wie oft die Scheiben eingeschmissen, der Briefkasten zerstört oder die Haustür mit Nazis-Aufklebern übersät wurden, zählt Larisch schon gar nicht mehr.
Staatsschutz ermittelt
Im Netz nehmen die Pöbeleien inzwischen strafrechtlich relevante Ausmaße ein: "Wird sie zum Dank mal vergewaltigt?", schreibt dort jemand. Und ein anderer wünscht ihr nicht nur das, sondern auch noch, dass ihr ein Moslem den Kopf abschneide - als Gegenleistung für sein parasitäres Hiersein. Solche Nachrichten, Posts und Tweets sind fester Bestandteil von Larischs Alltag. Inzwischen ermittelt der Staatsschutz in Rostock.
"Gänsehaut-Moment"
"Ich war kurz davor aufzugeben", sagt sie. Die Rechten hatten sich zu einer Demo verabredet, die an der Villa Kunterbündnis vorbeiführte. Dort sei jemand mit dem Schirm auf sie losgegangen. Am Ende habe er nur das aufgehängte Plakat erwischt, doch wie nahe sie der körperlichen Gewalt schon gekommen war, wurde ihr erst hier wirklich bewusst. "Warum ich weitermache? Nach der Geschichte im stern brach hier die Hölle los. Demos, Anfeindung, Hetze. Doch als wieder ein Aufmarsch an meinem Haus vorbeigehen sollte, stellten sich 300 Menschen vor meine Haustür und blockierten die Straße", sagt Larisch. Sie wisse, dass die Menschen hinter ihr stünden. Auch wenn man nicht immer einer Meinung sei. "Wenn ich an diese Situation denke, bekomme ich immer noch Gänsehaut." Sie will weitermachen, für die Kinder, die nach der Schule in die Villa kommen können. Für die ganz Kleinen, die von einem Fahrdienst aus der Kita abgeholt werden. Für die Langzeitarbeitslosen, die Flüchtlinge, für alle. "Wenn ich hier aufgebe, wer bleibt denn dann noch?", sagt Larisch.