Rückzug als FDP-Chef Westerwelle weicht der jungen Garde

Der FDP-Machtkampf ist entschieden: Am Abend verkündete er seinen Rückzug vom Parteivorsitz, um Platz für die junge Generation zu machen. Wer sein Nachfolger werden soll, ließ er offen.

FDP-Chef Guido Westerwelle zieht die Konsequenzen aus der innerparteilichen Kritik und verzichtet auf den Parteivorsitz. Er werde auf dem Bundesparteitag Mitte Mai in Rostock nicht wieder kandidieren, teilte Westerwelle mit. Nach einer Reihe von Gesprächen - auch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem FDP-Ehrenvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher - ging er am Sonntagabend in Berlin vor die Presse. Ursprünglich hatte er die Entscheidung bis zu einem FDP-Spitzentreffen am 11. April hinauszögern wollen. Fragen ließ er nach seinem nur zweiminütigem Auftritt nicht zu.

Er werde seine Kraft auf das Amt des Außenministers konzentrieren, sagte Westerwelle. "Ich kann Ihnen versichern, dass das natürlich ein besonderer Tag ist, ein besonderer Tag auch für mich selbst." Aber er sei sich sicher, dass es die richtige Entscheidung sei, auch mit für einen Generationswechsel in der FDP zu sorgen.

Die Entscheidung sei ihm einerseits schwer, andererseits aber auch leicht gefallen, sagte Westerwelle. "Der Abschied fällt mir leicht, weil eine ganze Anzahl von jungen Persönlichkeiten bereit steht, auch in die Führung der Partei aufzurücken und die Führung der FDP zu übernehmen." Damit machte Westerwelle deutlich, dass er von einer Übergangslösung mit Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (59) an der Parteispitze nichts hält. Die Entscheidung zwischen Lindner und Rösler wird vermutlich schon an diesem Montag auf einer Sitzung in Berlin fallen.

Westerwelle stand seit 2001 an der Spitze der Freien Demokraten. Er stand nach den verlorenen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz massiv unter Druck. Dieser hatte sich, während Westerwelles China-Japan-Reise in den vergangenen Tagen noch einmal massiv erhöht. Zuletzt waren auch führende Landes- und Bundespolitiker auf Distanz zu ihm gegangen.

Es läuft auf Rösler hinaus

Auf einen Vorschlag für die Nachfolge legte sich der bisherige FDP-Chef nicht fest. Für Montag ist eine verlängerte Sitzung des FDP-Präsidiums anberaumt, auf der diese Frage wohl geklärt werden wird. Als aussichtsreichster Kandidat für die Parteispitze zeichnet sich Gesundheitsminister Philipp Rösler ab, der auch Chef der FDP in Niedersachsen ist. "Es wird wohl auf Rösler hinauslaufen", sagte ein Mitglied der Fraktionsspitze. Chancenreich gilt auch Generalsekretär Christian Lindner. Der 32-Jährige hat jedoch signalisiert, dass er in dieser Funktion bleiben und die inhaltliche Neuausrichtung vorantreiben möchte.

Nach Angaben der Zeitung "Die Welt" erwägt Rösler, zu kandidieren. Hinter seiner Bewerbung stünden Mehrheiten in den starken Landesverbänden Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Auch Lindner unterstütze Rösler, berichtete das Blatt.

Rösler sagte der "Bild am Sonntag", die FDP müsse "verlorene Glaubwürdigkeit" zurückgewinnen. "Vor allem Inhalte müssen jetzt in den Vordergrund rücken. Wir müssen uns wieder mehr um die Lebenswirklichkeit der Menschen kümmern", forderte Rösler. Nach der Ankündigung von Westerwelle sich zurückzuziehen, sagte Rösler: "Die FDP hat Guido Westerwelle viel zu verdanken. Deshalb ist es gut, dass er auch künftig als Außenminister die Politik in Deutschland prägen wird."

Neue Parteiführung schon Dienstag

Die neue Parteiführung soll möglichst bis Dienstag stehen. Darauf verständigten sich das Parteipräsidium und die FDP-Landesvorsitzenden bei einer Schaltkonferenz am Sonntag. An diesem Montag tagt das Präsidium der Partei. Am Dienstag soll dann das Führungsgremium mit den Landesvorsitzenden zusammenkommen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Der ursprüngliche Fahrplan sah vor, dass diese erweiterte Sitzung der Landes- und Bundesführungen am 11. April stattfinden sollte. Wegen der akuten Führungskrise wurde dieser Zeitplan jetzt umgeworfen. "Noch so eine Woche kann sich die FDP nicht leisten", sagte ein Landesvorsitzender.

Die führenden Vertreter der Partei wollen für die Zeit nach Westerwelle ein Personaltableau erarbeiten, mit dem sie dann in den Wahlparteitag Mitte Mai in Rostock gehen werden.

Kampf ums Amt des Vizekanzlers

In der FDP wird auch jedoch eine weitere Demontage Westerwelles nicht ausgeschlossen. So hieß es, Westerwelle solle Außenminister bleiben. Allerdings werde er Schwierigkeiten haben, zugleich das Amt des Vizekanzlers zu behalten, da der neue Vorsitzende eine zusätzliche Machtbasis in der Regierung brauche.

In diesem Zusammenhang wird darüber diskutiert, ob der neue Vorsitzende - vermutlich Philipp Rösler - das Wirtschaftsressort von Rainer Brüderle übernehmen könnte, um in einem klassischen FDP-Ministerium an Ansehen zu gewinnen. Röslers Nachfolger im Gesundheitsministerium wäre voraussichtlich sein Staatssekretär Daniel Bahr, der zugleich Vorsitzender des größten FDP-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen ist.

DPA · Reuters
swd/joe/DPA/AFP/Reuters