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Seehofer feiert Facebook-Party Mit "Vollhorst 2.0" in der Nobeldisco

Nur ein paar hundert Gäste kamen in die Münchner Nobeldisco P1, um mit Silver-Surfer Horst Seehofer zu feiern. Der gab sich auf seiner Facebook-Party als Feierbiest zum Anfassen.
Von Malte Arnsperger, München

Gerhard will zur Facebook-Party. Gerhard ist 62, hat graue Haare, trägt ein blaues Hemd, ockerfarbene Leinenhose und Turnschuhe. Soeben hat Gerhard im Englischen Garten ein paar Bier getrunken und ist nun ganz spontan ein paar hundert Meter weiter zur Diskothek "P1" gewankt. Gerhard hat nämlich am Morgen in der Zeitung gelesen, dass dort der Horst Seehofer eine Facebook-Party schmeißt. Doch weil Gerhard nicht bei Facebook ist und deshalb auch nicht auf der Gästeliste steht, kommt er nicht rein. Nun fragt Gerhard jeden, der zum Eingang strebt: "Hast du vielleicht so eine Facebook-Karte für mich." Das man zu dieser Party nur mit einer virtuellen Eintrittskarte eingelassen wird, ist Gerhard noch nicht ganz klar.

Gerhard hat deshalb auch keine Chance mitzuerleben, wie der ebenfalls 62-jährige bayerische Ministerpräsident einen Schritt ins digitale Zeitalter vollziehen und das Motto des Abends einlösen will: "Horst Seehofer trifft seine Facebook-Fans".

"Gästeliste voll. Scheiß drauf, ich komm trotzdem!"

Das die angeblich erste Facebook-Party eines deutschen Spitzenpolitikers ein Wagnis werden würde, war schon seit Tagen klar. Für die Idee musste Seehofer im Vorfeld viel Häme einstecken. "Vollhorst 2.0" betreibe mit der Party "beim Wahlvolk anbiedern 2.0" gehören da noch zu den harmloseren Kommentaren im Netz. 2561 Zusagen hatte Seehofer, bis die Gästeliste dann vorsorglich geschlossen wurde, "da die räumlichen Kapazitäten des P1 erschöpft sind". Dies führte dazu, dass einige Facebook-Nutzer ziemlich unverhohlen mit Randalen drohten. "Die Gästeliste ist voll. Scheiß drauf, ich komm trotzdem!" hieß es da und "Die Gästeliste ist voll? Wofür brauch ich das bei 'nem Flashmob?" Dies wiederum veranlasste andere User, die Begleiterscheinungen der Party zu kritisieren: "Eeyyyyy Horst, wer bezahlt den scheiss Polizeieinsatz heut Abend??? Wir Steuerzahler mal wieder!!!! Danke Mr. HORST :-("

Bis sich der viel geschmähte Gastgeber jedoch an diesem mit Spannung erwarteten Abend auf seiner eigenen Party blicken lässt, bleibt den Gästen erst mal viel Zeit, sich durch die Leibesvisitation (ziemlich akribisch) und die Gästelistenkontrolle (nach Facebook-Namen) zu kämpfen und dann das Gastgeschenk (ein Freigetränk) einzulösen. Zu den Menschen, die zu diesem Zweck ihre virtuelle Anonymität aufgegebenen haben und sich nun mit den anderen "Seehofer-Fans" im realen Leben treffen, gehört Benjamin Ölke, 29 Jahre alt, Dreitagebart, Khaki-Shorts, Kopftuch, Mitglied in der Piratenpartei. "Ich bin hierhergekommen, um zu sehen, was die CSU so unter Netzpolitik versteht." Wenige Meter weiter steht Celine Dambacher, 23 Jahre alt, blondes langes Haar, lila Dirndl, Mitglied in der Jungen Union. "Ich finde Horst Seehofer einen sympathischen Menschen und finde es toll, dass er versucht CSU, Party und das Internet zu vereinen."

Nicht die übliche P1-Klientel

Für diese Vereinigung hat sich Horst Seehofer die wohl bekannteste Diskothek Münchens ausgesucht. Das P1, wo sonst Promis wie Oliver Kahn oder Uschi Glas mit Möchtegern-Sternchen an der Bar stehen und das bekannt ist für die "härteste Tür Deutschlands". Dafür ist an normalen Tagen auch Dario Boka zuständig. Job: P1-Türsteher. Aussehen: P1-Türsteher. Mit einem leichten Grinsen betrachtet er die Gäste, denen da der Einlass in seinen Club gestattet wird. "Niemals" würden all diese Leute normalerweise bei ihm durchgelassen, versichert er. "Mehr als siebzig Prozent hätte keine Chance, die meisten passen einfach nicht zu unserem Klientel."

Ob er damit den älteren Herrn mit Bierbauch, Sandalen und buntem Hawaii-Hemd meint oder die junge Langhaarige mit Nasenpiercing und Turnschuhen? Sie alle haben jedenfalls viel Platz in dem weitläufigen Gelände, können ungestört die frischgebackene Pizza für zehn Euro (Einheitspreis) oder das Bier für 3,50 (Sonderpreis, sonst 6,50 Euro)genießen. Denn nur sehr langsam und spärlich tröpfeln Seehofers Facebook-Freunde ein, von dem befürchten Flashmob oder einer Überfüllung keine Spur. Lange Zeit sollten die angeblich über 150 Presseleute die größte Gruppe unter den Gästen sein. Vier junge Mädels im Dirndl lästern: "Das muss dem Seehofer doch klar sein, dass bei Facebook-Partys nur ein Bruchteil der Leute auftaucht, die sich angemeldet haben", sagt die eine. Und ihre Freundin meint lachend: "Auf bayerisch würde man sagen: Das war ein Furz im Hirn."

Partygastgeber Seehofer umringt von Kameras

Derjenige, der diesen "Furz im Hirn" hatte, taucht gegen 21.15 Uhr auf. Gut gelaunt, mit weißen Hemd, ohne Krawatte. Geschützt von mehreren Sicherheitsleuten und umringt von dutzenden Reportern, Kameras, Fotografen bahnt sich der bayerische Landesvater den Weg in die Diskothek, vorbei an der riesigen Video-Leinwand mit seinem Konterfei und den vielen CSU-Plakaten und CSU-Flyern auf den Tischen. Alle paar Meter hält Seehofer an und beantwortet die Pressefragen. Er sagt dann Sätze wie: "Ich bin zufrieden, dass so viele Gäste gekommen sind. Und jetzt will ich rein und mit den jungen Leuten reden." Doch Seehofer kommt erst mal nicht dazu, in realen Kontakt mit seinen virtuellen Freunden zu treten. Nicht nur, weil ihm die Pressemeute ständig den Weg versperrt. Auch andere Politiker nutzen die Gunst der Stunde und das ihnen von Seehofer gebotene Rampenlicht. Stefan Körner, Chef der bayerischen Piratenpartei, drückt Seehofer einen Mitgleisausweis mit der Nummer 1337 in die Hand, eine Nummer, die im Piratenjargon ein Synonym für die Elite ist. "Ich nehme den Ausweis an, ich bleibe aber bei der CSU", sagt Seehofer grinsend.

"Flockig, spritzige" Seehofer-Fans

Ein paar Händeschüttler und "Servus, wie geht's euch"-Grüße in die Menge später betritt Seehofer dann gegen 22.15 Uhr die noch nicht mal halbgefüllte Tanzfläche, während über die Boxen das Lied "Barbara Streisand" von Duck Sauce mit "Horst Seehofer" statt "Barbara Streisand" im Refrain wummert. Seehofer begrüßt seine neuen Fans und beteuert, er würde sie "flockig, spritzig und nett" finden. Das Internet nennt er weihevoll einen "Segen für die Menschheit". Er selber fände es toll, mit Freunden zu telefonieren und diese währenddessen am Computer-Bildschirm sehen zu können. Wer denn eigentlich seine Facebook-Einträge schreibe, will die Moderatorin noch von ihm wissen. Er habe die Ideen und ein Mitarbeiter "setzt das dann technisch um". Wirklich "flockig" und auf Höhe der Zeit wirkt diese umständliche Seehofersche Beschreibung für das, was die Netzgemeinde "posten" nennt, nicht. Und als dann die Moderatorin den eigentlichen Beginn der Party ankündigt - "mal sehen, wie Horst Seehofer tanzen kann" - ist der schon wieder auf dem Weg in den Freiluftbereich, "um mit den jungen Leuten sprechen zu können". Die alten Kommunikationsformen scheinen "Horst 2.0" also immer noch lieber zu sein.

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