Andrea Ypsilanti ist zurück. Nur wenige Stunden, nachdem sie die Pläne für eine rot-grüne Minderheitsregierung in Hessen offiziell "auf Eis" gelegt hat, kann sie sie wieder auftauen. Abweichlerin Dagmar Metzger will dem Plan Ypsilantis, sich mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, "möglicherweise" nicht länger im Wege stehen.
Das hat die Darmstädterin nach einer Sitzung der SPD-Fraktion in Franfurt erklärt. Bis Dienstag will sie sich entscheiden, ob sie bei ihrem "Nein" bleibt, ob sie bei der Abstimmung im Landtag doch für Andrea Ypsilanti stimmt oder ob sie ihr am 27. Januar im Wahlkreis "Darmstadt-Stadt II" errungenes Direktmandat erst gar nicht annimmt. Metzgers Ersatzkandidat wäre dann der 31-jährige Aron Krist, der als langjähriger stellvertretender Vorsitzender der hessischen Jusos dem Lager von Andrea Ypsilanti zugerechnet wird.
Fraktion befasste sich mit der Abweichlerin
Den Sinneswandel bei Dagmar Metzger muss die Fraktionssitzung am späten Nachmittag gebracht haben. Nach der vorhergehenden fünfstündigen Zusammenkunft des Parteirats hatte Andrea Ypsilanti Dagmar Metzger zum Rückzug aufgefordert, gleichzeitig aber eingeräumt, dass diese bisher nicht auf die heftige Kritik aus der Partei reagiert habe. Dagmar Metzger selbst enthielt sich während der Sitzungspause jeden Kommentars. Dann schlossen sich die Türen und die Fraktion befasste sich mit der Abweichlerin.
Die machte schon vor der entscheidenden Runde an diesem Samstagnachmittag einen ziemlich mitgenommenen Eindruck: das Gesicht erstarrt, die markante Hochsteckfrisur leicht schief und die gestern noch wachen Augen trüb und unterlaufen. Rund 50 Wortmeldungen - zum Teil persönliche Anfeindungen - hatte sie zuvor ertragen und schließlich die Hand für einen Beschluss heben müssen, in dem es über sie selbst wörtlich heißt: "Das Verhalten und die Umstände der Erklärung von Frau Metzger führen zu einer schweren Belastung der SPD in Hessen." Am Ende wurde der Druck zu groß und Dagmar Metzger blieb nur noch die Entscheidung, auf welche Weise sie den Kotau vollführen darf - oder aber sie überlegt es sich bis Dienstag wieder anders und bleibt bei ihrem "Nein".
Auf jeden Fall enden für die 49-jährige Justiziarin der Sparkasse Darmstadt zwei Tage im Rampenlicht der Bundes- und Landespolitik. Während "Bild" Dagmar Metzger zur "ehrlichsten Politikerin Deutschlands" ernannte, hielten viele Sozialdemokraten ihre Gewissensbisse für gespielt und sahen in ihr eher die Königinnen-Mörderin, die im Auftrag des konservativen SPD-Flügels Andrea Ypsilanti in die politische Bedeutungslosigkeit schicken sollte. Die kann nun mit oder ohne Dagmar Metzger auf eine zweite Chance hoffen. Ob sie am 5. April tatsächlich in geheimer Wahl zur ersten hessischen Ministerpräsidentin gekürt wird, bleibt indes bis zur Verkündung des Wahlergebnisses spannend. Denn allen Treueschwüren von heute zum Trotz, ist es nach wie vor möglich, dass es weitere Abweichler in der SPD-Fraktion gibt.