stern-Umfrage "Mit Beck hat die SPD keine Chance"

Die Umfrageergebnisse, die der stern in seiner neuen Ausgabe präsentiert, enthalten zwei Hiobsbotschaften für die SPD. Erstens: Die Partei käme bei einer Bundestagswahl nur noch auf 24 Prozent. Zweitens: Kurt Beck hat ein miserables Image. stern.de sprach mit Forsa-Chef Güllner über das SPD-Umfrage-Desaster.

Ist die SPD mit ihrem Linksschwenk auf dem richtigen Weg? Die jüngsten Zahlen des Meinungsforschungsinstitutes Forsa, erhoben im Auftrag des stern und des TV-Senders RTL, geben darauf eine klare Antwort: nein! Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, würden Parteichef Kurt Beck und Genossen einen dramatischen Einbruch erleiden: Die SPD verlöre vier Prozentpunkte und käme auf nur noch 24 Prozent. Die Union hingegen würde dazu gewinnen und läge bei 38 Prozent. Die FDP könnte mit 10 Prozent rechnen, die Grünen ebenfalls - die Linke dürfte den Rekordwert von 14 Prozent verbuchen.

Für Forsa-Chef Manfred Güllner ist das Absacken der SPD nicht überraschend, sondern eine direkte Folge der Beckschen Kurskorrekturen. "Die Menschen haben aufgrund des Hamburger Parteitags wahrgenommen: Beck steuert die SPD nach links. Dieser Eindruck hat sich durch die jüngsten Kooperationsangebote an die Linkspartei noch verstärkt", sagt Güllner zu stern.de. "So gewinnt die SPD keine Wähler. Die Wähler der Linkspartei kommen nicht zurück, und die Wähler der Mitte gehen verloren." Laut Güllner wenden sich die abspenstigen SPD-Wähler nicht unbedingt einer neuen Partei zu - sie würden eher zu Nichtwählern und Unentschlossenen werden.

Desaströse Werte für Beck

Doch es kommt für die Sozialdemokraten noch viel dicker: Die persönlichen Werte für Parteichef Kurt Beck sind desaströs. Würde der Bundeskanzler direkt vom Volk gewählt, würde Angela Merkel 56 Prozent der Stimmen bekommen. Beck hingegen müsste sich mit mageren 14 Prozent begnügen - vier Prozentpunkte weniger als vor einer Woche. Besonders bitter für den Pfälzer Ministerpräsidenten: Selbst unter SPD-Anhängern sinkt seine Popularität. Wollten ihn vor einer Woche noch knapp ein Drittel der SPD-Anhänger im Kanzleramt sehen, ist es jetzt nur noch ein Viertel. Manfred Güllners trockener Kommentar: "Becks Hauptproblem sind die eigenen Leute. Wenn nur noch ein Viertel hinter ihm steht - wie will er da noch rauskommen?"

Doch auch Becks Akzeptanz unter den normalen Wählern lässt für die SPD viele, besser gesagt: sehr viele Wünsche offen. So halten 37 Prozent der Bundesbürger Beck für machtbewusst, 12 Prozent für stark und 11 Prozent für sympathisch. Becks vielzitierter Satz, er wolle "näher bei den Menschen sein" entpuppt sich den Forsa-Daten gemäß als frommer Wunsch: Nur 8 Prozent der Befragten meinen, er stehe auf der Seite der kleinen Leute. Nur 6 Prozent denken, er habe das Zeug zum Kanzler, ebenso wenige halten ihn für glaubwürdig. Forsa-Chef Güllner sieht diese Daten als vorläufigen Tiefpunkt einer langen Entwicklung. "Beck kam als Parteivorsitzender in die Bundespolitik und hatte zunächst keine Konturen. Damals begegneten ihm die Menschen noch mit viel Sympathie, sie hielten ihn für einen Kumpeltyp", sagt der Meinungsforscher zu stern.de. "Doch je mehr von ihm sichtbar wurde, desto negativer wurde das Bild. Inzwischen ist sein Image eine Mischung aus der Tollpatschigkeit des frühen Kohl und der Uneinsichtigkeit des späten Scharping. Das ist es, was sich festgesetzt hat. Das Glaubwürdigkeitsproblem ist nur ein kleines Mosaiksteinchen."

Steinmeier wäre eine Alternative

Ist es für Beck überhaupt möglich, dieses Image abzustreifen, um SPD-Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl 2009 zu werden? Güllner: "Mit Beck hat die SPD keine Chance." Eine mögliche Alternative zu Beck wäre Güllners Ansicht nach der jetzige Außenminister Frank Walter Steinmeier. "Steinmeier ist kein Garant dafür, dass die SPD rasant zunimmt", so Güllner. "Aber aus den Daten, die derzeit vorliegen, lässt sich eindeutig der Schluss ziehen, dass Steinmeier der stärkere Kanzlerkandidat wäre. Ober er gegen Merkel eine Chance hätte, das ist eine andere Frage. Aber er hätte bessere als Beck."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Einzig der SPD-Parteivorsitz scheint Kurt Beck vorerst sicher. 49 Prozent der Deutschen sprechen sich dafür aus, dass er Vorsitzender bleibt, unter den SPD-Anhängern sind es 57 Prozent. Noch höher ist die Zustimmung bei den Wählern der potentiellen Koalitionspartner: 62 Prozent der Grünen-Anhänger und 69 Prozent der Linkspartei-Anhänger befürworten Becks Verbleib im Parteivorsitz.

Gegen Deals mit Linkspartei

Eine der zentralen Ursachen für das schlechte Abschneiden von Beck und seiner SPD ist offenkundig die jüngst beschlossene Öffnung zur Linkspartei. Demnach können nun auch die westlichen Landesverbände selber entscheiden, ob sie mit der Linkspartei zusammenarbeiten wollen oder nicht. Den Forsa-Daten zufolge halten 60 Prozent der Deutschen diese Freigabe für falsch, selbst unter den SPD-Anhängern sind es 58 Prozent. Für eine Mehrheit der Bundesbürger ist die Linke keine normale Partei, mit der sich zusammenarbeiten ließe.

Der erste Testfall für eine Kooperation wird Hessen sein. SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti hat angekündigt, sich möglicherweise mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, um Roland Koch (CDU) aus dem Amt zu manövrieren. Forsa-Chef Güllner hält Ypsilantis Ehrgeiz für unangemessen. "Wenn Frau Ypsilanti aus dem Wahlergebnis ableitet, sie habe den Anspruch, Ministerpräsidentin zu werden, dann ist das eine merkwürdige Einschätzung des Wählerwillens: Sie wurde von 23 von 100 Wahlberechtigten gewählt. Anders herum: 77 von 100 Wahlberechtigen haben sie nicht gewählt", sagt Güllner. "Da wäre auf Ypsilantis Seite schon ein bisschen mehr Demut und weniger Machtversessenheit angebracht." Seiner Ansicht nach sollten sich in Hessen CDU und SPD zu einer großen Koalition zusammenschließen - notfalls ohne ihre bisherigen Spitzen Ypsilanti und Koch.