Steuerreform Kuscheln oder beißen?

Im Streit um das Vorziehen der Steuerreform hat CDU-Chefin Merkel versönlichere Töne angestimmt. CDU-Finanzexperte Merz hingegen könnte sich sogar eine Verfassungsklage gegen die Regierung vorstellen.

CDU-Chefin Angela Merkel hat angesichts wachsender Kritik aus der Wirtschaft und aus den eigenen Reihen Kompromissbereitschaft im Streit über das Vorziehen der Steuerreform angedeutet.

Die Union werde im Bundesrat keine Blockade betreiben, sondern als "Stimme der Vernunft" handeln, sagte Merkel der "Bild"-Zeitung. "Jetzt warten wir erst mal die Bund-Länder-Gespräche ab." Das Bundesfinanzministerium hatte für Mittwoch erste Sondierungsgespräche mit den Ländern über die Finanzierung vorgezogener Steuerentlastungen angekündigt.

EU-Währungskommissar will Auskunft

Merkel bekräftigte, CDU/CSU könnten Steuersenkungen nur mittragen, wenn diese solide gegenfinanziert seien und nicht durch eine höhere Neuverschuldung ermöglicht würden. EU-Währungskommissar Pedro Solbes forderte die Bundesregierung auf, genaue Auskunft über die Gegenfinanzierung der geplanten Entlastungen zu geben. In Frage komme nur eine Kürzung der Staatsausgaben etwa durch den Abbau von Subventionen. Deutschland müsse den europäischen Stabilitätspakt respektieren.

Bankenverband fordert CDU auf, nicht zu blockieren

Nach zahlreichen deutschen Wirtschaftsverbänden forderte nun auch der Bundesverband der deutschen Banken (BdB) die Union auf, ein Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform von 2005 auf 2004 im unionsdominierten Bundesrat nicht zu blockieren. Eine spürbare Steuersenkung sei im dritten Jahr der konjunkturellen Stagnation das richtige Signal, um der wirtschaftlichen Entwicklung Schwung zu verleihen, sagte BdB-Hauptgeschäftsführer Manfred Weber der Chemnitzer "Freien Presse". Mit einem solchen Schritt verbessere die Bundesregierung die Aussichten, dass im nächsten Jahr die Regierungsprognose für ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent tatsächlich erreicht werde. Weber warnte aber wie Merkel vor einer höheren Neuverschuldung zum Ausgleich für die Steuerausfälle. "Die Lücke muss mit Einsparungen und einem konsequenten Abbau von Subventionen gestopft werden."

"Nicht von einer Tasche in die andere wirtschaften"

Die CDU-Vorsitzende Merkel wandte sich erneuert gegen eine höhere Neuverschuldung im Zuge der Steuererleichterungen. "Die Schulden, die dafür gemacht werden, müssten wir in den nächsten Jahren über Steuererhöhungen wieder abbezahlen. Eine höhere Neuverschuldung führt außerdem nur dazu, dass Länder, Städte und Gemeinden immer mehr in die Pleite geraten." Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) müsse nun auf die Länder zugehen und genau erklären, wie er die von ihm angekündigten Steuersenkungen umsetzen wolle. Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) bekräftigte in der "Rheinischen Post", am Ende der Steuerdebatte müsse eine Steuersenkung stehen, die für alle Arbeitnehmerhaushalte eine Netto-Entlastung bringe.

EU-Kommission "besorgt über Entwicklung in Deutschland"

EU-Währungskommissar Solbes sagte der "Berliner Zeitung", er wolle während seines Berlin-Besuchs auch Auskunft darüber erhalten, wie Deutschland den europäisch vereinbarten Stabilitätspakt einhalten wolle. "Ein wesentlicher Punkt ist dabei die Gegenfinanzierung der geplanten Steuersenkungen." Die Kommission der Europäischen Union (EU) mache sich Sorgen über die Finanz- und Wirtschaftsentwicklung in Deutschland. Die von Rot-Grün vereinbarten Steuererleichterungen seien zwar ein wichtiger Baustein, "aber nicht die wirkliche Priorität der EU-Kommission". Entscheidend sei vielmehr die Umsetzung der angekündigten Reformen am Arbeitsmarkt in den Sozialsystemen.

Merz wirft Schröder "Hütchenspielerei" vor

CDU-Finanzexperte Friedrich Merz wirft Bundeskanzler Schröder "politische Hütchenspielerei" vor. Der "Rheinischen Post" sagte der Fraktions-Fize der Union: "Der Kanzler verteilt Steuergeschenke, wohl wissend, dass fast 60 Prozent von anderen bezahlt werden müssen. Das nenne ich politische Hütchenspielerei." Das Kabinett habe in Neuhardenberg einen Beschluss "zu Lasten Dritter" gefasst.

Zugleich machte Merz deutlich, dass er die Steuerfreiheit auf Feiertags- und Nachtzuschläge für verzichtbar hält. "Es ist nicht einzusehen, dass die Mehrheit der Steuerzuahler die Vergünstigungen einer Minderheit subventioniert", sagte Merz. "Dies auszugleichen, ist Sache der Tarifvertragsparteien, nicht Aufgabe des Steuergesetzgebers." Insgesamt aber sei in der Debatte um Steuersenkungen und Subventionsabbau zu beachten, dass am Ende eine Steuersenkung stehe, "die für alle Arbeitnehmerhaushalte eine Netto-Entlastung bringt". Er halte es für "vorstellbar", dass die Union nach Karlsruhe zieht, wenn der Bundeshaushalt gegen die Verfassung verstoße.

Die Bundesregierung will das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform mit einen Volumen von 15,5 Milliarden Euro durch den Abbau von Subventionen, Privatisierung von Staatsbesitz und höheren Schulden finanzieren.

DPA

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