Steuerstreit Merkel will 2004 offenbar doch große Steuerreform

Im Steuerstreit der Union sieht CDU-Chefin Angela Merkel nun offenbar doch Chancen für eine radikale Steuerreform noch in diesem Jahr. Erst am Wochenende hatte sie solche Pläne für unwahrscheinlich gehalten.

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sieht jetzt wohl doch noch Chancen für eine große Steuerreform in diesem Jahr. In der "Bild"-Zeitung (Dienstagausgabe) stellte sie klar: "Wir wollen einen großen Entwurf und keine Flickschusterei im bisherigen System." Es liege jetzt an Kanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Hans Eichel, "ob es in diesem Jahr noch zu einer großen Reform kommt. Jetzt ist die Regierung am Zug."

Wirtschaftsflügel sieht nur geringe Chancen

Mehrere Unions-Ministerpräsidenten bezeichneten die Chancen für eine große Steuerreform als nach wie vor hoch. Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff sagte der Zeitung "Die Welt" (Dienstag), die Chance für eine Reform "unseres maroden Steuersystems" sei "nie größer als jetzt". Ähnlich argumentierten Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus und Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust. Der Wirtschaftsflügel der Union sieht dagegen nur geringe Chancen für schnelle Steuerentlastungen. Der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, Peter Rauen, sagte dagegen dem "Handelsblatt» (Dienstag): "Der Reparaturbetrieb innerhalb der Systeme bringt uns nicht mehr weiter." Da die notwendigen Reformen mit der SPD nicht zu machen seien, könnten sie kaum vor 2007 verwirklicht werden, wenn die Union 2006 die Bundestagswahl gewinne.

"Union rudert nicht zurück"

Wulff sagte der "Welt": "Alles steht und fällt damit, dass die Bundesregierung einen eigenen Gesetzentwurf vorlegt." Althaus hält der Zeitung zufolge ebenfalls an einer großen Steuerreform noch in der laufenden Legislatur fest. "Wir haben auf dem Leipziger Parteitag mit überwältigender Mehrheit für eine Steuersenkung und -vereinfachung auf Basis des Merz-Konzeptes gestimmt." Hamburgs Bürgermeister Beust betonte: "Die Union rudert nicht zurück."

Stoiber will noch heuer Reformstart

Bayerns Staatskanzleichef Erwin Huber hofft weiter auf eine große Steuerreform noch in diesem Jahr. "Wir sind in der Lage, 2004 über eine Steuerreform mit Senkung und Vereinfachung zu entscheiden, mit Wirkung dann vom 1. Januar 2005", sagte er der in Erfurt erscheinenden "Thüringer Allgemeinen" (Dienstag). Zuvor hatte bereits Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber erklärt: "Ich sehe alle Chancen, den Reformstart in diesem Jahr zu schaffen."

Basis will weitere Entlastungen

Der CDU-Wirtschaftsexperte Matthias Wissmann warnte seine Partei davor, das Konzept eines radikalen Umbaus des Steuersystems aufzugeben. Wer das versuche, müsse mit "größtem Widerstand der Basis" rechnen, sagte er den "Stuttgarter Nachrichten" (Dienstag). Merkel hatte am Wochenende erklärt, es werde in diesem Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach keine große Steuerreform geben.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Merz hält Reform 2005 für möglich

Der CDU-Finanzexperte Friedrich Merz hält eine umfassende Steuerreform zum Jahreswechsel weiter für realistisch. Er bleibe bei seiner Einschätzung, dass eine große Reform zum 1. Januar 2005 in Kraft treten könne, sagte Merz am Dienstag im ZDF. Von Tag zu Tag verringerten sich jedoch die Chancen, weil in der Bundesregierung derzeit offensichtlich niemand an einem entsprechenden Konzept arbeite. Er freue sich aber über die Äußerungen der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, "dass es möglich ist, das in diesem Jahr - 2004 - umzusetzen". Weiters bezeichnete Merz die Differenzen mit der CSU über ein gemeinsames Konzept für eine radikale Steuerreform als "Kleinigkeiten", die am 7. März ausgeräumt würden. An diesem Tag soll es eine gemeinsame Präsidiumssitzung von CDU und CSU geben. Merz bekräftigte, dass ein Systemwechsel bei der Einkommensteuer notwendig sei, der eine Abschaffung aller Ausnahmeregeln und eine Senkung der Steuersätze beinhalte.

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle kündigte in der "Bild"-Zeitung an: "Wir werden im Februar unseren Gesetzentwurf für die große Steuerreform auf die Tagesordnung des Bundestages setzen."

DPA