Es gehört mit zum Schlimmsten, was man über das TV-Duell am Sonntagabend sagen kann, dass Stefan Raab gefehlt habe. Der frühere Hansdampf in allen TV-Gassen gehörte zur Moderatorenriege beim Duell vor der Wahl 2013 und hatte damals im wesentlichen durch die Verwendung der Floskel "King of Kotelett" beeindruckt. Wie wenig doch inzwischen reicht, um das Wahlvolk hierzulande mitzureißen.
Noch schlimmer ist, dass eines aber wahr ist: Raab hat es damals geschafft, die weitgehend verkrustete Gesprächsrunde wenigstens ein wenig aufzubrechen, Politik und Alltag etwas anzunähern. Wie wertvoll das war, zeigte sich so richtig eigentlich erst jetzt, vier Jahre später. Vier Moderatoren und zwei Kanzlerkandidaten fuhren das - wohlgemerkt einzige! - direkte Duell dieses Wahlkampfs an die Wand - und zwar zwangsläufig. Zu viele Themen, zu viele Fragen, zu viele Probleme in viel zu wenig Zeit, von der auch noch viel zu viel an die Fragesteller fiel. Das alles erstarrt in eingeübten Ritualen, die bis in die Reaktionen der politischen Lager nach dem Duell reichen: jeder sieht seinen Kandidaten sowieso als Sieger.
Es liegt offen zu Tage, dass es so nicht bleiben kann. Mehr als 16 Millionen Deutsche sahen die Sendung am Sonntag - für viele sind diese TV-Duelle eine entscheidende Wahlhilfe. Einige Änderungsvorschläge, damit dies in Zukunft wieder so sein kann:
1. Das TV-Duell braucht direkte Konfrontation
Schluss mit dem starren Frage-Antwort-Korsett, in dem das TV-Duell gefangen ist. Stattdessen sollten sich die Kandidaten direkt gegenüberstehen und die wichtigen Themen direkt miteinander diskutieren - kurz: ein zeitlich begrenztes Streitgespräch zu jedem wichtigen Themenkomplex führen. Anschließend sollten die Moderatoren mit gezielten Nachfragen einsteigen, Widersprüche ansprechen, bei Ungenauigkeiten nachhaken, vermisste Aspekte ansprechen, Anregungen und Fragen der Wähler in die Diskussion tragen. Und bei allem gilt: Eine Art präsidiales Miteinander hilft den Wählern nicht.
2. Das Duell braucht Wählerkontakt
Künftige Duelle müssen vor Publikum stattfinden (was die TV-Verantwortlichen diesmal schon wollten, was aber von der Kanzlerin abgelehnt wurde). Aufbrausender oder ausbleibender Applaus ist ein erster Gradmesser, Fragen aus dem Publikum können über die Moderatoren direkt aufgegriffen werden. Auch die Beteiligung via Social Media muss direkt und obligatorisch sein, damit brennende Fragen der Wähler nicht wie diesmal einfach außen vor bleiben. All dies geschieht in so mancher Wahlsendung ja längst, es gibt keinen Grund, ausgerechnet im wichtigsten Duell zum linearen Wahlkampf zurückzukehren.
3. Nicht nur lineares TV
Apropos lineares Fernsehen: Die Zahl derer, die alten Fernsehgewohnheiten abschwören, nimmt stetig zu. Für das Duell der Spitzenkandidaten bedeutet das: Rein ins Internet, rein in die sozialen Medien - und zwar live. Verbreitung über die digitalen Kanäle bedeutet aber auch, dass man direkte Rückkopplung bekommt, auf die die Kandidaten reagieren müssen - und dafür müssen sie die nötige Zeit bekommen. Wähler, die das Duell via Mediathek und nicht live anschauen, sollten ebenfalls noch die Gelegenheit haben, Fragen zu stellen - zumindest an die Social-Media-Abteilungen der Parteien.
4. Die Kandidaten müssen sich stellen
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch die Weigerung der Kanzlerin im Vorfeld, bei bestimmten Änderungen des Formats nicht für das Duell zur Verfügung zu stehen, macht diesen Punkt nötig. Es sind die Macher des Duells, die das Heft in der Hand haben. Form und Format liegen in ihrer Verantwortung - schließlich dient das Duell in erster Linie der Information der Wähler und bestenfalls in zweiter Linie der Selbstdarstellung der Kandidaten. Wer sich einem Duell verweigert, der muss die Folgen in Kauf nehmen. Wie hätte es wohl gewirkt, wenn Martin Schulz sich am Sonntag allein den Fragen der vier Moderatoren gestellt hätte?

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5. Andere Köpfe, andere Fragen
Die Fragerunde des TV-Duells ist auch deshalb so erstarrt, weil die Fragesteller oft selbst zu vertraut sind mit dem Berliner Polit-Betrieb. Es gilt, unverbrauchte aber kompetente Journalisten dazuzunehmen, die Fragen abseits der wöchentlichen Talkshow-Routine stellen. Beispielsweise jemand wie Thilo Jung, der sich mit dem Blog "Jung und naiv - Politik für Desinteressierte" einen Namen machte und inzwischen Mitglied der Bundespressekonferenz ist. Wird gezielt gefragt, engagiert diskutiert und werden eigene Standpunkte klar vertreten, ist das auch spannend und nicht selten sogar unterhaltend. Da muss man aus dem TV-Duell keinen Klamauk machen - das nützt niemandem.
6. #fragendiefehlen unbedingt vermeiden
Die Moderatoren dürfen sich von einem der Kandidaten nicht die Gesprächsführung abnehmen lassen. Sie führen durch das Duell und achten - im Zusammenspiel mit dem Publikum - darauf, dass für die Wähler wichtige Themen nicht unter den Tisch fallen. Das bedeutet aber auch: Raus auch aus dem Zeitkorsett. Wichtig ist, dass die Themen, die die Menschen umtreiben, auch zur Sprache kommen. Ein Duell ist da einfach zu wenig, wie sich jetzt eindeutig gezeigt hat.
Die größte Hoffnung, dass das TV-Duell der Kanzlerkandidaten in vier Jahren anders verlaufen wird, verbindet sich allerdings damit, dass Angela Merkel dann wohl nicht wieder antreten wird. Zwei Anwärter, beide ohne Amtsbonus und ungefähr auf Augenhöhe werden sich leichter tun, sich einem echten, direkten Duell zu stellen. Das sollte bitte nicht mit den alten Ritualen erstickt werden.