Der Ausgang der Bundestagswahl ist auch nach den letzten Umfragen völlig offen. Die Institute Forsa und Allensbach sagten am Freitag ein knappes Ergebnis voraus, sahen aber leichte Vorteile für Schwarz-Gelb. Der Wahlkampf-Endspurt wurde weiter vom Streit um die Haushalts- und Steuerpolitik bestimmt. Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel kündigte einen Untersuchungsausschuss zu den angeblichen Streichlisten aus dem Finanzministerium an. Ein Sprecher von Minister Hans Eichel bestritt erneut, dass die Führungsebene des Ministeriums solche "Giftlisten" in Auftrag gegeben habe.
Vorläufiges Endergebnis wird erst in der Nacht zum Montag veröffentlicht
Am Sonntag sind 61,9 Millionen Deutsche über 18 Jahre zur vorgezogenen Wahl des 16. Deutschen Bundestags aufgerufen. Das vorläufige Endergebnis wird nach Angaben des Bundeswahlleiters voraussichtlich erst in der Nacht zum Montag veröffentlicht. Es gilt allerdings nur für 298 der 299 Wahlkreise. Im Dresdner Wahlkreis 160 wird wegen des Todes einer NPD-Direktkandidatin erst am 2. Oktober gewählt. RTL-Aktuell veröffentlichte am Freitag eine Forsa-Umfrage, nach der Union und FDP zusammen auf 48 bis 51 Prozent kommen, SPD, Grüne und Linkspartei dagegen nur auf 45 bis 49 Prozent.
Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" sieht das schwarz-gelbe Lager mit 49,5 Prozent vor dem rot-rot-grünen mit 48 Prozent. Bundeskanzler Gerhard Schröder warnte die Wähler vor einer Beeinflussung durch Medien und Umfrageergebnisse. "Das vornehmste Recht ist es, nicht das wählen zu müssen, was andere wollen", sagte der Kanzler auf einer Wahlkampfveranstaltung in Oberhausen. "Erteilen Sie all denen eine Abfuhr, die sagen: Es ist gelaufen, bevor Sie ihre Stimme abgegeben haben."
Ströbele für Koalition mit Linkspartei
Optimistisch zeigte sich der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering. "Es steht Spitz auf Knopf, aber wenn wir alle kämpfen, wird am Montag in den Zeitungen stehen: Die SPD ist vorne." Die Grünen warnten nochmals eindringlich vor einer großen Koalition. Eine Stimme für die SPD könne in einem solchen Bündnis untergehen, mahnte Grünen-Chefin Claudia Roth. Spitzenkandidat Joschka Fischer und Parteichef Reinhard Bütikofer schlossen erneut eine andere Koalition als mit der SPD aus. Im Gegensatz dazu zeigte sich Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele offen für eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei.
Der ehemalige Unionsfraktionschef Friedrich Merz ist nach einer Umfrage der Wunsch-Finanzminister der Bundesbürger. In einer Erhebung von TNS Infratest für den "Spiegel" sprachen sich 47 Prozent der Befragten für den CDU-Politiker aus, der als Erfinder der Steuererklärung in Bierdeckel-Größe gilt.
Als Finanzminister einer möglichen schwarz-gelben Regierung sieht der stellvertretende CDU-Vorsitzende Christoph Böhr dagegen den Steuerrechtler Paul Kirchhof, der im Kompetenzteam der Union auch offiziell für diesen Posten vorgesehen ist. Allerdings wollten ihn nur elf Prozent als Nachfolger von Finanzminister Hans Eichel sehen, der selbst mit 22 Prozent noch doppelt so viel Zustimmung fand.
AP