Umfragetief FDP kommt zu Krisensitzung zusammen

Die Spitzen der FDP treffen sich einem Pressebericht zufolge wegen des aktuellen Umfragetiefs für die Partei am Wochenende zu einer Krisensitzung. FDP-Präsidium und der Fraktionsvorstand der Liberalen sollen dazu am Sonntagabend in Berlin zusammenkommen, wie Focus Online am Freitag berichtete.

Die FDP stürzt ab und bringt die Koalition in die Bredouille. An diesem Sonntag berät die engste FDP-Spitze die Lage. Die Krisenzeichen sind deutlich. Drei Monate vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist die schwarz-gelbe Mehrheit an Rhein und Ruhr laut Umfragen ebenso dahin wie im Bund. Außenminister und Parteichef Guido Westerwelle und die FDP-Minister Rainer Brüderle und Philipp Rösler müssen in Umfragen kräftig Federn lassen. Ausgerechnet der junge Gesundheitsminister steht im Zentrum schwarz- gelber Zentrifugalkräfte.

Im ARD-"Deutschlandtrend" sackte die FDP im Vergleich zum Bundestagswahlergebnis um 6,6 Punkte auf 8 Prozent ab. In NRW wären es jetzt 6 Prozent. Westerwelle wiegelt im Deutschlandfunk ab: "Wir alle wissen, dass Umfragen Momentaufnahmen sind." Die Ergebnisse seien entscheidend - "die richtige Politik". Aber was heißt das - zum Beispiel im Streitfall Gesundheit?

Ausdrücklichen Rückhalt für das FDP- und Rösler-Projekt Gesundheitsprämie muss man in der Koalition mit der Lupe suchen - obwohl Angela Merkel einst zu den größten Fans zählte. Jetzt vermeidet die CDU-Kanzlerin ein klares Bekenntnis zur Prämie oder zum von Rösler propagierten Aufbruch in ein neues Gesundheitssystem. Trotz ausdrücklicher Aufforderung von Tagesthemen-Moderator Tom Buhrow nimmt Merkel weder das Wort Prämie noch das vom Systemwechsel in den Mund. Stattdessen sagt sie: "Wir werden eine evolutionäre Entwicklung haben in unserem Gesundheitssystem." Die Lohnzusatzkosten dürften nicht wieder über 40 Prozent steigen. "Deshalb wird das Schritt für Schritt, sinnvoll und vernünftig gemacht." Zuvor hatte CSU-Chef Horst Seehofer Röslers Vorschlag zur Güte abgelehnt, man könne die Prämie doch schrittweise einführen.

Dafür stellt sich Merkel grundsätzlich hinter den für die Freidemokraten besonders wichtigen Kurs der Steuerentlastungen. Auch lässt sie sich nicht auf eine Diskussion über die umstrittene Spende aus dem Hotelgewerbe an die FDP ein. Nach dem Scheitern von NRW-Vize- Ministerpräsident Andreas Pinkwart (FDP) mit seiner Forderung nach einem Rückzieher für die Hotelvergünstigungen soll das Thema nicht mehr hochkochen. Wie viele Buhrufe der Opposition hatten die Freidemokraten doch auf sich gezogen - die Privilegierten wollten sie weiter privilegieren, hieß es im Dauerstakkato.

Wem würde die Gesundheitsprämie nutzen? Nach Expertenansicht könnte sie durchaus einen Durchbruch für die Gesundheitsfinanzen bringen. Pauschalbeiträge mit Sozialausgleich aus Steuermitteln können ein künftiges Plus bei den Lohnnebenkosten verhindern. Und - zumindest im Prinzip - die Kosten besser in der Gesellschaft verteilen. An den von der FDP jetzt erstmals als Beispiel genannten Niederlanden sieht man aber auch die Kehrseiten. Rund 1100 Euro im Jahr kostet dort die Prämie, ein einkommensabhängiger Beitrag kommt dazu, dazu Zusatzversicherungen bei vielen - denn abgesichert ist nur die Grundversorgung. Es gibt viele, die bei ihren Beiträge säumig sind oder Staatshilfe brauchen.

Doch jetzt gibt es erstmal andere Prioritäten - die Kosten zu dämpfen. Merkel scheint erleichtert: "Das macht der Gesundheitsminister jetzt auch." Nach 100 Tagen und der allgemeinen Zerknirschung wegen der teils hohen Zusatzbeiträge ist im Ressort Rösler plötzlich auch Krisenmanagement angesagt. Kommenden Mittwoch geht es los - per Ministergespräch mit den Kassen. Ausdrückliches Ziel Röslers: "Beraten, ob und wie es möglich ist, auf gesetzlichem Wege zu weiteren Einsparungen zu kommen."

Nach flapsigen Aussagen Röslers über sein mögliches Ausscheiden aus der Regierung hat sich Westerwelle persönlich zum Krisenmanager seines jungen Ressortchefs gemacht. Attacken seien unfair: "Er muss auch eine Chance haben." Außerdem habe er keinen Rücktritt angedroht, sondern sein Engagement ausgedrückt. Der umstürmte Minister selbst gibt sich im Gespräch nach wie vor locker, überzeugt von den eigenen Ideen und seiner Überzeugungskraft. Beim liberalen Sondertreffen am Sonntag dürfte die Gesundheit im Allgemeinen einen ebenso breiten Raum einnehmen wie die Gesundheit der FDP im Besonderen.

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DPA/AFP