Umweltminister Norbert Röttgen So richtig grün ist er noch nicht

  • von Hans Peter Schütz
Norbert Röttgen, der neue geschmeidige Umweltminister, hat seinen ersten großen Auftritt auf der Klimakonferenz in Kopenhagen. Wer ist der Mann, der den Spitznamen "Merkels Liebling" trägt? Ein Porträt.

Bei Fragen nach seiner Gefühlswelt leidet der Mann mit dem Bubengesicht und dem grauen Haar erkennbar. Er zögere, über Gefühle zu sprechen, sagt Norbert Röttgen, als stern.de wissen will, ob er glücklich sei, in dieser Woche auf dem Klimagipfel in Kopenhagen als Umweltminister die Bundesrepublik vertreten zu dürfen. Er sucht nach Worten. Und antwortet schließlich: "Wenn der Erfolg da ist, könnte er mich glücklich machen." Für den werde er alles geben.

Man kann auch sagen: Der Mann muss einfach glücklich sein. Denn vor gut drei Jahren fällte er eine Entscheidung, die den weiteren Lebensweg samt Aufstieg in die politische Beletage entscheidend prägte. Röttgen hätte Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) werden können. Cheflobbyist der Wirtschaft, deutlich besser bezahlt als im Amt eines Bundesministers. Er hat Nein gesagt, weil ihm die Bosse nicht erlauben wollten, sein Bundestagsmandat bis 2009 auszuüben. Ein Ja hätte bedeutet, dass er heute Kritik an Angela Merkel üben müsste. Weil die Kanzlerin weder den Erwartungen der Wirtschaft gerecht wird - noch dem, was Röttgen selbst unter politischer Führung versteht.

Der Ruf nach politischer Führung

Denn dieser Röttgen hat vor kurzem ein Buch geschrieben. Mit provokantem Titel: "Deutschlands beste Jahre kommen noch". Als er es vorstellte, sagte er mit Blick auf die politische Gestaltung der Zukunft: "Die defensive Beherrschung des Augenblicks genügt nicht." Als nachgefragt wurde, ob dies auf die Kanzlerin ziele, traten Schweißtropfen auf die Stirn des Buchautors. Geantwortet hat er nicht. Im Röttgen-Text selbst findet sich Klarheit. "Das Streben nach Macht ist legitim, aber politische Führung erwächst erst dann, wenn deutlich wird, was eine Partei, eine Regierung mit der Macht machen möchte." Ein nützliches Lesebuch für die Aussitz-Kanzlerin. Denn dort kann sie auch lesen, dass das "eigentliche Verhängnis von Politik" sei, wenn "die Richtung, in die gesegelt werden muss, nicht mehr zu erkennen ist."

Gut möglich, dass Angela Merkel nach Lektüre dieser Buch-Attacke beschlossen hat, Röttgen demonstrieren zu lassen, was es bedeutet, in der vordersten Linie politische Führung zu zeigen. Merkel-Nähe wurde ihm ja schon lange bescheinigt. "Muttis Liebling" nannten viele den Mann mit dem markanten Grübchen im Kinn. Andere schmähten ihn als "Merkels Messdiener". Einmütig begeistert jedoch waren alle in der CDU/CSU-Fraktion, als der Bundestag vor einem Jahr über die Finanzkrise debattierte. Der schwachen Regierungserklärung Merkels folgte ein brillanter Auftritt Röttgens. Fraktionschef Volker Kauder strahlte an diesem Tag, dass wenigstens sein Parlamentarischer Geschäftsführer wirtschaftspolitische Kompetenz bewiesen hatte. Die Kanzlerin drückte Röttgen dankbar die Hand.

Kanzleramt und BDI

Seither galt er der CDU als "unser neuer Friedrich Merz". Eine unsinnige Bewertung. Merz rief in jenen Tagen "mehr Kapitalismus wagen". Röttgen sagte dagegen wortschwer: "Der Markt ist keine moralfreie Zone, in der die Akteure ohne ethische Verpflichtung handeln." Wachstum definierte er nicht nur als ökonomische Schlüsselgröße, sondern auch als "Bekenntnis zu einem Wachstum der Chancen für alle, nicht zuletzt die Schwächeren." Da sprach kein neuer Merz. Röttgen selbst sagt: "Ich bin, wie ich bin."

Zu seinem Selbstverständnis passte die Funktion des Parlamentarischen Geschäftsführers während der vier vergangenen Jahre nur bedingt. Mag sein, dass sein Kontakt zum BDI eine Bauchentscheidung war, zumal er in diesem Job mehr Zeit für die fünfköpfige Familie hätte haben können. Gereizt haben dürfte ihn zudem die Rolle des einflussreichen Brückenbauers zwischen Politik und Wirtschaft: "Wir brauchen eine Annäherung der Lebenswelten der Politik und der Wirtschaft." Sein Einsatz als Parlamentarischer Geschäftsführer erinnerte jedenfalls viele in der Fraktion an einen Michael Schumacher, als er noch auf der väterlichen Gokart-Bahn geübt hat. Die BDI-Offerte erhöhte zudem seinen politischen Stellenwert deutlich. Die Personalspekulationen nach der Bundestagswahl liefen deshalb darauf hinaus, dass er neuer Kanzleramtsminister werden könnte, was er wohl schon 2005 gerne geworden wäre. Aber dazu war er nun nicht mehr bereit - zu viel regierungsbürokratisches Management. Schon Wochen bevor die endgültige Entscheidung Merkels fiel, hatte er intern gestanden, dass ihn die enge Verzahnung von Wirtschaft und Umwelt faszinierte: "Umwelt würde ich gerne machen".

Pizza-Connection und Merkel-Mafia

Das grüne Thema hat er von Anfang an gepflegt. Als er 1994 mit gerade mal 29 Jahren in den Bundestag für den Wahlkreis Rhein-Sieg bei Bonn eingerückt war, gehörte er zu der von Helmut Kohl misstrauisch beäugten "Pizza Connection." Junge CDU-Politiker und junge Grüne trafen sich damals im Bonner Italiener "Sassella". Heute spotten die grünen Freunde von damals, endlich werde aus dem CDU-Mann Röttgen fast ein richtiger Grüner. Mit dabei auf der "schwarzen" Seite Politiker, die inzwischen als "Merkel-Mafia" ganz oben im Kanzleramt das Sagen haben: Kanzleramtschef Ronald Pofalla, CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, der neue Parlamentarische Geschäftsführer Peter Altmaier. Alles von Hause aus relativ liberale rheinische Christdemokraten, die sich einst in einem "Leichlinger Kreis" genannten Netzwerk schätzen gelernt hatten. Und man darf sicher sein, dass Merkel bei der Berufung Röttgens durchaus auch ein strategisches Fernziel anvisierte: jenen Tag, an dem sich auf Bundesebene die Frage eines schwarz-grünen Bündnisses stellt.

Die heikle Frage der Atomenergie

Kopenhagen wird natürlich eine wichtige Antwort auf die Frage liefern, ob auch Röttgens besten Jahre noch kommen. Die deutschen Klimaziele hat er bereits im Vorfeld bedingungslos auf den 40-Prozent-Abbau des Klimakillers CO2 fixiert. Beim Klimaschutz habe Deutschland "weltweit eine führende Rolle zu spielen."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Neue Töne, bislang in der CDU ungehört. Zumal der Vordenker Röttgen auch auf Distanz zur Atomlobby geht. Kernenergie nennt er eine Übergangstechnologie zu den Erneuerbaren Energien. Ob Röttgen den bereits im Jahr 2000 beschlossenen Atomausstieg rückgängig macht, wie von der Kernkraftindustrie gewünscht, ist bislang offen. Dass er mit Gerald Hennenhöfer einen altbekannten Atom-Hardliner, der sattes Geld in der Stromwirtschaft verdient hat, zum Leiter der Reaktorsicherheitsabteilung berufen hat, ist eine Entscheidung, die Skepsis weckt. Hinzu kommt: Beim Solarstrom will Röttgen künftig heftig sparen. Die sei viel zu stark mit Subventionen überfüttert. Dass nach wie vor CO2-Schleudern wie Geländewagen mit den Steuervorteilen für Dienstwagen gesegnet werden, stört ihn bisher nicht.

So richtig grün scheint der Schwarze doch noch nicht geworden zu sein.