Jopi Heesters ist jetzt 108 Jahre alt und erfreut sich bester Gesundheit. Helmut Schmidt ist erst 92. Damit sind eigentlich sämtliche Diskussionen über den zukünftigen SPD-Kanzler obsolet. Hätte sich Schmidt nicht bereit erklärt, nach einem dann einunddreißigjährigen Sabbatical wieder das Amt zu bekleiden, das er am besten beherrscht, hätte die SPD tatsächlich einen Kandidaten gebraucht. Also einen, der erst mal nur kandidiert und hofft, am Ende die Wahl zu gewinnen. Bei Schmidt, der mittlerweile als säkular-metaphysisches Gegengewicht zum Papst agiert, ist der Wahlsieg indes gewiss. Der Comebackkanzler in spe ist in allen Volks- und Sozialgruppierungen anerkannt. Während die B- bis D-Kandidaten Steinmeier, Steinbrück und Gabriel ja sogar im eigenen Lager mit jeweils unterschiedlichen Widerstandscorps zu kämpfen haben.
Popstar Schmidt
Dementsprechend war auch die Stimmung auf dem SPD-Parteitag, als Schmidt die Bühne betrat. Rein von der Euphorie her hätten es auch die Rolling Stones, Elvis und Frank Sinatra als neuformierte Boy Group sein können. Was Dieter Bohlen für RTL, ist Helmut Schmidt für die SPD. Allein die Präsenz ist schon eine Wucht. Nur dass Schmidt im Gegensatz zu Bohlen auch noch Inhalt hat. So schockt er gleich mal alle mit der Ansage, dass der Euro nur angeblich schwach sei. Im Vergleich zum Dollar stünde der Euro bombig da. Wenn es ernst wird, ist das Relative wichtiger als das Absolute. Ein Magen-Darm-Virus ist sozusagen eine tolle Sache, solange der Nachbar eine Lungenentzündung hat.
Nahles kontra Schröder
Sichtlich verschnupft könnte der Nachfolger und Vorgänger Helmut Schmidts sein. Gerhard Schröder nämlich ließ seine Partei via Presse wissen, dass sie vernünftig sein und auf Steuererhöhungen verzichten sollte. Da hat er aber die Rechnung ohne Generalsekretärin Nahles gemacht. Denn für Nahles wie auch für den linken Flügel in der SPD gilt: Wer was leistet und dafür ordentlich bezahlt wird, gehört dafür bestraft. Und speziell der Mittelstand, der den Wohlstand in Deutschland sichert, muss büßen. Denn sonst könnten ja Investitionen zu noch mehr Leistung führen. Und das verträgt sich von Haus aus nicht mit dem Weltbild von Andrea Nahles. Deshalb, so Nahles, sei es schlicht egal, ob und was ein Schröder von sich gebe. Lediglich gegen Schmidt sagt Nahles nichts. Was wiederum auf die Immunität von Schmidt zurückzuführen ist.
Kurzsichtige Sozialdemokratie
Diametral zu Nahles verhält sich der Parteichef Gabriel. Er betont die Nähe zu den Gewerkschaften. Und dort sitzen ja nun wirklich keine Arbeitsverweigerer a la Nahles, sondern Leute, die froh sind, wenn ihre Mitglieder und überhaupt die Arbeiterschar genug zu tun und genug zu futtern kriegt. Wo Nahles Arbeit unterminiert, betont Gabriel den Wert der Arbeit. Obwohl er selber nun wahrlich nicht den Eindruck macht, die Arbeit erfunden zu haben. Er wirkt eigentlich eher wie die Industriedirektoren des Wirtschaftswunders, wo der Wohlstand auch über einen leicht überdimensionierten Corpus definiert wurde. Für Gabriel ist die Aufgabenstellung bis zur Wahl eindeutig: Einerseits muss er Helmut Schmidt bei Laune halten und die SPD-übliche Skepsis gegenüber der Macht unterdrücken. Andererseits muss er seine Generalsekretärin neutralisieren, um nicht die gute Ausgangsbasis zu versemmeln. Denn nur darauf zu bauen, dass sich Angela Merkel auch die nächsten zwei Jahre so suboptimal verhält, wäre fahrlässig. Auch wenn sich im Laufe der Weltgeschichte Sozialdemokratie und Weitsicht grundsätzlich ausgeschlossen haben.
Der Faktor Zeit
Ein bisschen unter die Räder geraten derzeit die Sonny Boys der SPD, Steinmeier und Steinbrück. Sie stehen eigentlich abseits und kriegen alles eher aus der Beobachterecke mit. Fast schon wie die Herren Waldorf und Stettler aus der Muppet Show. Neben einer Nahles sind die Steinmeierschen und Steinbrückschen Thesen fast schon ultrakonservativ. Da kann selbst ein Gabriel punkten mit seinen Steuererhöhungsphantasien. Insgeheim mag ein Gabriel vielleicht schon mit der Implosion des Euro rechnen. Das würde die Chancen auf einen Wahlsieg verdoppeln und verdreifachen. Dann wäre es direkt egal, ob die SPD einen Menschen oder einen Kleiderständer als Kanzlerkandidaten nominiert. Der Euro-Kollaps aber sollte mit Rücksicht auf die SPD noch ein gutes Jahr warten. Das Timing mit Fukushima beispielsweise ist ein ideales Vorbild. Wäre Fukushima nicht drei Wochen, sondern sechs Monate vor den Wahlen in Baden-Württemberg passiert, gäbe es dort eventuell statt Grün-Rot eine Regierung. Der Faktor Zeit spielt also eine große Rolle. Und wenn einer Zeit hat, ist es Helmut Schmidt. Das ist sein großer Vorteil gegenüber Angela Merkel. Die will nämlich seit zwei Jahren immer nur Zeit gewinnen. Und verliert nur Geld.
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