Unruhe in der Union Das hat sich Armin Laschet sicher anders vorgestellt

Eine ältere weiße Frau mit blondem Seitenscheitel, rotem Halstuch und schwarzem Blazer lächelt in die Kamera
© Thomas Kienzle / AFP
Sehen Sie im Video: CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann fordert in Baden-Württemberg Ministerpräsident Kretschmann heraus.




Susanne Eisenmann, die Spitzenkandidatin der CDU bei den anstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg, hat es nicht leicht. Denn die CDU hat in ihrem einstigen Stammland mittlerweile einen schweren Stand. Für sie dürfte es schwer werden, den ersten und einzigen grünen Ministerpräsidenten der Republik, Winfried Kretschmann, aus dem Amt zu drängen. In den jüngsten Umfragen liegt die CDU mit deutlichem Abstand hinter den Grünen. Bei den Sympathie- und Kompetenzwerten liegt Kretschmann ebenfalls deutlich vor Eisenmann. Dabei seien die Erfolge der grün-schwarzen Landesregierung natürlich auch das Verdienst der CDU, sagt Eisenmann. "Zunächst einmal haben wir gemeinsam diese Corona-Krise ganz gut gemeistert. Aber dass es natürlich Unterschiede gibt zwischen Grünen und der CDU, das ist klar. Das liegt natürlich, fängt an bei der Frage, wie gehen wir den Strukturwandel technologisch, ökologisch in der Automobilindustrie an? Wie zügig ist man in der Digitalisierung? Wir haben in dieser Legislaturperiode unter dem CDU-geführten Innenministerium 1,1 Milliarden investiert in Glasfaser, in der letzten Glasfaser-Netzausbau, in der letzten Legislaturperiode waren es bei Grün-Rot gerade mal 73 Millionen." Seit dem Masken-Skandal, in den mehrere CDU-Politiker verwickelt sind, ist Eisenmanns Stand nicht einfacher geworden. "Also, zunächst einmal schadet es grundsätzlich. Das ist überhaupt keine Frage, das ist ein massiver Vertrauensverlust in parlamentarische Demokratie. Dieses Verhalten geht gar nicht. Es ist indiskutabel. Deshalb ist es gut, dass sie die Partei verlassen haben, dass das Mandat zurückgegeben wurde. Ich erwarte auch, dass das Geld, das man hier verdient hat, gespendet wird, gemeinnützigen Organisationen." Im Kabinett von Kretschmann ist Eisenmann Kultusministerin. Im Wahlkampf versucht die 56-Jährige, eigene Akzente zu setzen. Bei der Forschungs- und Wirtschaftsförderung aber auch beim Kampf gegen die Corona-Pandemie fordert sie mehr Tempo. Sollten sich die Umfragen allerdings bewahrheiten, dann müsste Eisenmann das schlechteste CDU-Ergebnis in Baden-Württemberg aller Zeiten verantworten.
Deutschland steht vor einem Superwahljahr und die Union vor einer Vertrauenskrise. Der Zeitpunkt ist denkbar unpassend. Für CDU-Chef Armin Laschet wird die unheilvolle Melange zur Feuertaufe. 

Es ist gar nicht so lange her, acht Wochen genau genommen, als CDU und CSU so etwas wie einen Lauf hatten. In den Umfragen entstieg die Union der Konkurrenz, manch einer dürfte sogar von der 40-Prozent-Marke geträumt haben. Es müsste schon viel passieren, so Anfang Januar der Eindruck, dass der Union noch der Sieg des Kanzleramtes genommen werden könnte. 

Aber es ist viel passiert – oder eben auch nicht.

Das Impfdesaster ist noch lange nicht behoben, beim Start der Testkampagne ruckelt es gewaltig, nun kommen die sogenannte Maskenaffäre – Unionsabgeordnete sollen sich ihr Handeln in der Coronakrise versilbern lassen haben – und auffällige Kontakte zur Autokratie in Aserbaidschan dazu (mehr dazu lesen Sie hier). Kurzum: Der Union machen viele unliebsame Themen zu schaffen, ausgerechnet jetzt, mit einem Superwahljahr vor der Brust.

Plötzlich scheint der Erfolg bei der Bundestagswahl im September in Gefahr, die Landtagswahlen am Sonntag könnten ein bitterer Vorgeschmack darauf werden – in Baden-Württemberg deutet sich ein herber Tiefschlag an, auch in Rheinland-Pfalz rückt die Staatskanzlei in die Ferne. 

"Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähle ihm von deinen Plänen", sagte der christliche Philosoph Blaise Pascal (1623 – 1662). Besonders die Pläne von Armin Laschet dürften angesichts der vielen Baustellen, die es abzuräumen gilt, zweifellos durcheinander gekommen sein.

Der Neue als Krisenmanager

Er hatte sich und der Union einen Plan zurechtgelegt, der vor allem durch Ruhe in Richtung Kanzleramt führen sollte – nur möglichst geräuschlos und unaufgeregt lassen sich die aktuellen Krisenthemen nicht kassieren.

Acht Wochen ist Armin Laschet als neuer CDU-Chef im Amt, doch schon muss er sich im Fernsehen fragen lassen, ob die Union ein grundsätzliches Problem mit Machtmissbrauch habe. In der Maskenaffäre ist er selbst vorbelastet, durch seinen Sohn. Und die führenden Corona-Krisenmanager, vor allem gestellt von der Union, geben aktuell kein gutes Bild ab – allen voran Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der wie kein anderer die umstrittene Corona-Politik der Regierung verkörpert

Nun liegen zumindest die Aufstellung und Performance des Kabinetts nicht in seiner Verantwortung, doch macht es diese Melange aus Pech und Pannen nicht einfacher für Laschet, die Stimmung zugunsten der Union zu drehen – sollten auch noch Pleiten bei den Landtagswahlen hinzukommen, könnte der Vorsitzende schnell in einen Abwärtstrend geraten, der schon seine Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer zusehends in den Abgrund riss.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Auch Kramp-Karrenbauer startete mit der Hypothek ins Amt, nur knapp das Rennen um den CDU-Vorsitz gewonnen zu haben und die verschiedenen Strömungen in der Partei befrieden zu müssen. Auch Laschet trennten zu seinem Herausforderer – auch damals war es Friedrich Merz – nur wenige Prozentpunkte. Dazu müssen er und Markus Söder, Parteivorsitzender der CSU, noch immer klären, wer für die Union als Kanzlerkandidat ins Rennen geht. Gemessen an den Kräfteverhältnissen von CDU und CSU ist Laschet der natürliche Anwärter, eigentlich – doch liegen seine Beliebtheitswerte in der Bevölkerung deutlich hinter denen des bayerischen Ministerpräsidenten. 

Dennoch: Laschet sitzt in seiner Partei fest im Sattel. Sein Mantra des Teamplays wird geschätzt, auch Merz-Anhänger konnte er dadurch hinter sich versammeln. Zumal die CDU einen langen und mühsamen Weg hinter sich gebracht hat, bis sie schließlich einen neuen Vorsitzenden hatte. Stürzt die CDU bei den Landtagswahlen am Sonntag nicht ins Bodenlose, und das ist nicht absehbar, dürfte sich an Laschets Stellung auch nichts ändern.  

Kommt die Union mit einem blauen Auge davon?

Bleiben noch die Maskenaffäre und die Aserbaidschan-Verquickung. Wie viele führende Unionspolitiker ist Laschet um größtmögliche Distanzierung und knallharte Konsequenzen bemüht. Der Aufklärungskurs soll Vertrauen zurückgewinnen und verhindern, dass die Themen der Union den ganzen Bundestagswahlkampf hindurch an den Hacken kleben. "Das ist für uns unerträglich. Das wird auch für die Zukunft ein Nachspiel haben", sagte Laschet am Freitagabend einmal mehr zur Maskenaffäre. Es könne nicht geduldet werden, "dass Abgeordnete zu ihrem eigenen Vorteil Notlagen ausnutzen". Zuvor mussten die Abgeordneten der Union in einer Erklärung versichern, dass sie keine finanziellen Vorteile aus der Pandemiebekämpfung erlangt haben.

Wird die Union mit einem blauen Auge davonkommen? Das wird sich noch zeigen. Die politische Konkurrenz ist jedenfalls nicht gewillt, das Thema klanglos unter den Tisch fallen zu lassen.

Zuletzt unterstellte Norbert Walter-Borjans, immerhin Co-Vorsitzender des Koalitionspartners SPD, der Union einen Hang zur Vetternwirtschaft. "In Teilen von CDU und CSU ist das Prinzip, dass eine Hand die andere wäscht, immer wieder zum Vorschein gekommen", wird er von der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zitiert. "Das Waschmittel dabei ist Geld – und dem stehen in diesen Parteien einige besonders nah". Entsprechend eindeutig reagierten die Generalsekretäre von CDU und CSU auf die schweren Vorwürfe. Es ändert nichts: Die Union befindet sich im Kreuzfeuer, auch von der Opposition und unabhängigen Organisationen wie Transparency Deutschland – und nicht zuletzt Laschet muss, qua Amtes als CDU-Vorsitzender, aus der Defensive kommen und die Angriffe möglichst unbeschadet parieren. 

Das sorgt offenbar für Nervosität bei den Christdemokraten: In der CDU habe man vorsorglich eine Brandmauer um Laschet errichtet, hört die Deutsche Presse-Agentur aus deren Reihen. Von wegen: Eine Mitschuld könne man Laschet kaum anlasten, wenn die CDU in Baden-Württemberg aus der Regierung fliege – schließlich sei er erst ein paar Wochen im Amt. Und bei beiden Wahlen gehe es zudem sehr um Landesthemen, außerdem seien Kretschmann und Dreyer extrem populär.

Die Anmerkungen sind sicherlich berechtigt. Zumal auch die CSU ihren Anteil an den beiden Affären hat. Doch am Ende bleibt die Erkenntnis: Es läuft nicht so Recht für Laschet, für Söder und die Union als Ganzes. Ruhe wird für die Schwesterparteien zunächst nicht eintreten. Ein unbeschwerter Start ins Superwahljahr sieht anders aus.

Quellen:  wahlrecht.de, "Bild", "Der Westen", Statista, "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung", mit Material der Nachrichtenagentur DPA