Es ist gar nicht so lange her, acht Wochen genau genommen, als CDU und CSU so etwas wie einen Lauf hatten. In den Umfragen entstieg die Union der Konkurrenz, manch einer dürfte sogar von der 40-Prozent-Marke geträumt haben. Es müsste schon viel passieren, so Anfang Januar der Eindruck, dass der Union noch der Sieg des Kanzleramtes genommen werden könnte.
Aber es ist viel passiert – oder eben auch nicht.
Das Impfdesaster ist noch lange nicht behoben, beim Start der Testkampagne ruckelt es gewaltig, nun kommen die sogenannte Maskenaffäre – Unionsabgeordnete sollen sich ihr Handeln in der Coronakrise versilbern lassen haben – und auffällige Kontakte zur Autokratie in Aserbaidschan dazu (mehr dazu lesen Sie hier). Kurzum: Der Union machen viele unliebsame Themen zu schaffen, ausgerechnet jetzt, mit einem Superwahljahr vor der Brust.
Plötzlich scheint der Erfolg bei der Bundestagswahl im September in Gefahr, die Landtagswahlen am Sonntag könnten ein bitterer Vorgeschmack darauf werden – in Baden-Württemberg deutet sich ein herber Tiefschlag an, auch in Rheinland-Pfalz rückt die Staatskanzlei in die Ferne.
"Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähle ihm von deinen Plänen", sagte der christliche Philosoph Blaise Pascal (1623 – 1662). Besonders die Pläne von Armin Laschet dürften angesichts der vielen Baustellen, die es abzuräumen gilt, zweifellos durcheinander gekommen sein.
Der Neue als Krisenmanager
Er hatte sich und der Union einen Plan zurechtgelegt, der vor allem durch Ruhe in Richtung Kanzleramt führen sollte – nur möglichst geräuschlos und unaufgeregt lassen sich die aktuellen Krisenthemen nicht kassieren.
Acht Wochen ist Armin Laschet als neuer CDU-Chef im Amt, doch schon muss er sich im Fernsehen fragen lassen, ob die Union ein grundsätzliches Problem mit Machtmissbrauch habe. In der Maskenaffäre ist er selbst vorbelastet, durch seinen Sohn. Und die führenden Corona-Krisenmanager, vor allem gestellt von der Union, geben aktuell kein gutes Bild ab – allen voran Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der wie kein anderer die umstrittene Corona-Politik der Regierung verkörpert.
Nun liegen zumindest die Aufstellung und Performance des Kabinetts nicht in seiner Verantwortung, doch macht es diese Melange aus Pech und Pannen nicht einfacher für Laschet, die Stimmung zugunsten der Union zu drehen – sollten auch noch Pleiten bei den Landtagswahlen hinzukommen, könnte der Vorsitzende schnell in einen Abwärtstrend geraten, der schon seine Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer zusehends in den Abgrund riss.

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Auch Kramp-Karrenbauer startete mit der Hypothek ins Amt, nur knapp das Rennen um den CDU-Vorsitz gewonnen zu haben und die verschiedenen Strömungen in der Partei befrieden zu müssen. Auch Laschet trennten zu seinem Herausforderer – auch damals war es Friedrich Merz – nur wenige Prozentpunkte. Dazu müssen er und Markus Söder, Parteivorsitzender der CSU, noch immer klären, wer für die Union als Kanzlerkandidat ins Rennen geht. Gemessen an den Kräfteverhältnissen von CDU und CSU ist Laschet der natürliche Anwärter, eigentlich – doch liegen seine Beliebtheitswerte in der Bevölkerung deutlich hinter denen des bayerischen Ministerpräsidenten.
Dennoch: Laschet sitzt in seiner Partei fest im Sattel. Sein Mantra des Teamplays wird geschätzt, auch Merz-Anhänger konnte er dadurch hinter sich versammeln. Zumal die CDU einen langen und mühsamen Weg hinter sich gebracht hat, bis sie schließlich einen neuen Vorsitzenden hatte. Stürzt die CDU bei den Landtagswahlen am Sonntag nicht ins Bodenlose, und das ist nicht absehbar, dürfte sich an Laschets Stellung auch nichts ändern.
Kommt die Union mit einem blauen Auge davon?
Bleiben noch die Maskenaffäre und die Aserbaidschan-Verquickung. Wie viele führende Unionspolitiker ist Laschet um größtmögliche Distanzierung und knallharte Konsequenzen bemüht. Der Aufklärungskurs soll Vertrauen zurückgewinnen und verhindern, dass die Themen der Union den ganzen Bundestagswahlkampf hindurch an den Hacken kleben. "Das ist für uns unerträglich. Das wird auch für die Zukunft ein Nachspiel haben", sagte Laschet am Freitagabend einmal mehr zur Maskenaffäre. Es könne nicht geduldet werden, "dass Abgeordnete zu ihrem eigenen Vorteil Notlagen ausnutzen". Zuvor mussten die Abgeordneten der Union in einer Erklärung versichern, dass sie keine finanziellen Vorteile aus der Pandemiebekämpfung erlangt haben.
Wird die Union mit einem blauen Auge davonkommen? Das wird sich noch zeigen. Die politische Konkurrenz ist jedenfalls nicht gewillt, das Thema klanglos unter den Tisch fallen zu lassen.
Zuletzt unterstellte Norbert Walter-Borjans, immerhin Co-Vorsitzender des Koalitionspartners SPD, der Union einen Hang zur Vetternwirtschaft. "In Teilen von CDU und CSU ist das Prinzip, dass eine Hand die andere wäscht, immer wieder zum Vorschein gekommen", wird er von der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zitiert. "Das Waschmittel dabei ist Geld – und dem stehen in diesen Parteien einige besonders nah". Entsprechend eindeutig reagierten die Generalsekretäre von CDU und CSU auf die schweren Vorwürfe. Es ändert nichts: Die Union befindet sich im Kreuzfeuer, auch von der Opposition und unabhängigen Organisationen wie Transparency Deutschland – und nicht zuletzt Laschet muss, qua Amtes als CDU-Vorsitzender, aus der Defensive kommen und die Angriffe möglichst unbeschadet parieren.
Das sorgt offenbar für Nervosität bei den Christdemokraten: In der CDU habe man vorsorglich eine Brandmauer um Laschet errichtet, hört die Deutsche Presse-Agentur aus deren Reihen. Von wegen: Eine Mitschuld könne man Laschet kaum anlasten, wenn die CDU in Baden-Württemberg aus der Regierung fliege – schließlich sei er erst ein paar Wochen im Amt. Und bei beiden Wahlen gehe es zudem sehr um Landesthemen, außerdem seien Kretschmann und Dreyer extrem populär.
Die Anmerkungen sind sicherlich berechtigt. Zumal auch die CSU ihren Anteil an den beiden Affären hat. Doch am Ende bleibt die Erkenntnis: Es läuft nicht so Recht für Laschet, für Söder und die Union als Ganzes. Ruhe wird für die Schwesterparteien zunächst nicht eintreten. Ein unbeschwerter Start ins Superwahljahr sieht anders aus.
Quellen: wahlrecht.de, "Bild", "Der Westen", Statista, "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung", mit Material der Nachrichtenagentur DPA