Vermittlungsausschuss Das Gefeilsche geht weiter

Die Zeit für eine endgültige Entscheidung ist noch nicht reif. Erst am kommenden Montag soll im Vermittlungsausschuss die Schlussrunde über das Gesetzespaket zur Agenda 2010 eingeläutet werden.

"Sie gucken mich so an wie meine Enkelkinder, wenn ich von Weihnachten rede." Bremens Bürgermeister Henning Scherf wollte zu Beginn der heißen Phase der Reformverhandlungen im Vermittlungsausschuss am Mittwoch nicht über vorgelegte Kompromissvorschläge reden. "Ich verkünde nur Ergebnisse, keine Spekulationen", sagte der Sozialdemokrat nach den ersten drei Stunden Beratungen trocken. Ein rascher Durchbruch sei nicht in Sicht.

Weil die Opposition die Einschätzung des Ausschussvorsitzenden teilte, legte das Gremium weitere Sitzungstermine fest. Am (morgigen) Donnerstag und am nächsten Montag wollen sich die 32 Vertreter von Bundesrat und Bundestag treffen, um einen umfassenden Kompromiss zu erzielen. Eine Einigung über das Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf 2004 und die Gesetze zur Neuordnung von Arbeitsmarkt und Gemeindefinanzen muss spätestens am kommenden Dienstag unter Dach und Fach sein, wenn die Maßnahmen pünktlich zum Jahreswechsel in Kraft treten sollen.

Vermittler unter enormem Zeitdruck

Die Vermittler stehen also unter enormen Zeitdruck und vor einer Herkules-Aufgabe: Sie müssen Kompromissmöglichkeiten für ein gutes dutzend Gesetzesvorhaben ausloten. Vor Beginn der Ausschusssitzung versuchten sich Vertreter von Union und Koalition in verhaltenem Optimismus. CDU/CSU-Verhandlungsführer Volker Kauder sah die Einigungschancen "fifty fifty". Zu einem Kompromiss werde man allerdings nur kommen, "wenn sich die Bundesregierung auch bewegt", gab der Gegenseite mit auf den Weg.

Ähnlich äußerte sich sein SPD-Gegenpart Wilhelm Schmidt. Er verlangte von der Opposition, ein paar Schritte auf die Koalition zuzugehen. "Es gibt viel Bewegung auf allen Seiten", sagte er salomonisch. "Wir werden vergnügliche Zeiten haben", meinte SPD-Finanzexperte Ortwin Runde schmunzelnd und verschwand im Beratungssaal.

Einigkeit und Knackpunkte

Schon die Einigung auf eine Tagesordnung wurde im Vermittlungsausschuss war langwierig, wie zu hören war. Einigkeit erzielten alle Beteiligten letztendlich, dass zuerst über die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe beraten werden solle. Hier lagen Union und Koalition in ihren Positionen noch weit auseinander. Arbeitsgruppen hatten zuvor vergeblich versucht, in mehrwöchigen Treffen eine Annäherung zu erzielen. Knackpunkt blieb, ob der Bund oder Kommunen und Länder für die Finanzierung der Langzeitarbeitslosen verantwortlich sein sollen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Ein Vorschlag der Regierung brachte Bewegung in die starren Fronten. Danach können die ostdeutschen Bundesländer auf eine Milliarde Euro zusätzlich als Zuschuss beim Wohngeld hoffen. Sie hatten bei der Umsetzung der Hartz-Reformen auf mehr Geld vom Bund gepocht, da sie von Langzeitarbeitslosigkeit stärker betroffen und damit finanziell mehr belastet sind als die westdeutschen Länder.

Geheimrezepte für den Sitzungsmarathon

Für die Kraft raubenden Nachtsitzungen im Vermittlungsausschuss hat sich jeder der Verhandlungspartner unterschiedlich gewappnet. Scherf schwört auf heißes Wasser. "Das ist mein Geheimrezept", verriet der 2,04 Meter große Sozialdemokrat. Disziplinarische Regeln stellte der erfahrene Verhandler nicht auf. Großzügigkeit will der Bremer Bürgermeister beim Telefonieren und bei störendem Handy-Klingeln walten lassen.

Kauder hoffte, die Nacht in den eigenen vier Wänden verbringen zu können. "Wir wollen hier doch kein Camp aufschlagen", rief er seinen Verhandlungspartnern zu. SPD-Verhandlungsführer Schmidt ist nach eigenen Worten Arbeit bis nach Mitternacht gewohnt und hat damit kein Problem. FDP-Arbeitsmarktexperte Dirk Niebel meinte dagegen, nicht nur Erfahrungen in Marathonsitzungen, sondern auch im Langstreckenlauf zu haben. "Zehn Kilometer in 55 Minuten", sei sein persönlicher Rekord.

DPA
Susann Kreutzmann