Vorratsdatenspeicherung Bei Anruf Überwachung

Kritiker glauben, dass mit der Speicherung von Telefon-, Onlineverbindungsdaten und den neuen Regeln der Telefonüberwachung die Grundrechte in Gefahr sind. Justizministerin Zypries verteidigt ihr Werk - und meint, es hätte noch viel schlimmer kommen können.

Als Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) am Mittwoch ihren Gesetzentwurf zur Telefonüberwachung und vorsorglichen Speicherung von Verbindungsdaten gegen die Kritik von vielen Seiten verteidigt, kann sie sich einen deutlichen Seitenhieb auf ihren Kabinettskollegen, Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), nicht verkneifen. "Ich würde gerne", setzt die Ministerin an, "in Anbetracht der Diskussionslage über die Ostertage zunächst mal feststellen wollen, dass wir mit diesem Gesetzentwurf keinerlei neue Ermittlungsmaßnahmen einführen."

Zuerst muss der Bedarf geprüft werden

Und damit auch jeder versteht, was sie meint, nennt sie Online-Durchsuchungen von Computern, Rasterfahndung, Speicherung von Fingerabdrücke "oder was sonst auch immer in der Welt rumgeistert an Themen". Dies alles habe mit ihrem Entwurf nichts zu tun. Und zu den Aktivitäten Schäubles merkt Zypries an: "Mir fällt es im Moment auch etwas schwer, die klaren Konturen zu sehen." Bei neuen Sicherheitsmaßnahmen stelle sich für sie die Frage, ob es dafür einen Bedarf gebe. Man könne nicht einfach Rechtsgrundlagen schaffen, weil technisch alles Mögliche gehe.

Seit Antritt der großen Koalition war es eigentlich immer Schäuble, der mit seinen Vorschlägen zur inneren Sicherheit heftige Abwehrreaktionen auslöste - bis in die Reihen des Koalitionspartners hinein. Zypries, die seit Jahresanfang bei vielen Terminen während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft Seit' an Seit' und nach außen harmonisch mit Schäuble auftritt, hielt vielfach intern oder auch offen dagegen.

Indirekt springt sie Schäuble bei

Den bei manchen Beobachtern entstandenen Eindruck, beide arbeiteten nicht konstruktiv zusammen, will Zypries nicht teilen. Am Mittwoch sieht sie sich gezwungen, zu den neuesten Äußerungen Schäubles öffentlich Stellung zu beziehen. Dass der Innenminister im Anti-Terrorkampf das hohe Gut der Unschuldsvermutung abschaffen wolle, könne sie sich nicht vorstellen, sagt Zypries und verweist auf einen wesentlichen Unterschied. Die Unschuldsvermutung gelte bei der Strafverfolgung, nicht aber bei der Gefahrenabwehr.

Auch wenn Schäuble damit, wie schon oft, Widerspruch auslöst, zieht auch Zypries mit ihrem Gesetzentwurf die Kritik auf sich. Mit der Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten, mit den neuen Regeln der Telefonüberwachung sieht eine Phalanx von Kritikern bis in die Reihen der SPD hinein Grundrechte in Gefahr, die Pressefreiheit ausgehöhlt, die Bürger unter einen Generalverdacht gestellt. Viele Kritiker ziehen eine Linie von den vom damaligen Innenminister Otto Schily (SPD) nach dem 11. September 2001 initiierten Sicherheitsgesetzen ("Otto-Katalogen") bis hin zu der Anti-Terror-Datei. Für sie werden die Bürgerrechte immer stärker zu Gunsten einer vermeintlichen Sicherheit beschnitten.

Verfassungsgericht forderte neue Regeln

Zypries sieht sich allerdings zu Unrecht dieser Kritik ausgesetzt. Ihr Gesetzentwurf reagiert in der Tat nicht offensiv auf eine neue Sicherheitslage, sondern ist die Folge von Vorgaben von außen. Das Bundesverfassungsgericht hat schon beim so genannten Lauschangriff neue Regeln für den Kernbereich der privaten Lebensführung definiert, in dem staatliche Späher nichts verloren hätten. Dies soll nun auch für die Telekommunikationsüberwachung gelten.

Bei der strittigen Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten machte die Europäische Union (EU) die Vorgaben. Wer meine, Deutschland hätte die Richtlinie blockieren können, verkenne die Rechtslage, sagt Zypries und hält sich zu Gute, in der schon 2002 begonnenen Debatte Schlimmeres abgewendet zu haben. Ursprünglich sollten die Verbindungsdaten sogar 36 Monate gespeichert werden, zudem alle Anrufversuche. Von Handy-Nutzern sollten sogar Bewegungsprofile erstellt werden dürfen. Dies alles habe abgewendet werden können. Ihre Kritiker kann sie gleichwohl nicht überzeugen.

Norbert Klaschka/DPA DPA

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