Waffen für den Irak? Steinmeier weiß keine Antwort

Was kann Deutschland für den Irak tun? Seit Tagen wird über Waffenlieferungen an die Kurden für den Kampf gegen die vorrückenden Islamisten der IS diskutiert. Steinmeiers Reise bring keine Klarheit.

Deutschland will das politisch und rechtliche Machbare tun, um dem Irak zu helfen. Das hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier in den vergangenen Tagen etliche Male wiederholt.

Als er am Samstagmittag mit 20 jesidischen Flüchtlingen auf Matten und Teppichen in einem kargen Schulraum am Rande der Kurden-Metropole Erbil sitzt, scheinen politische Zwänge und rechtliche Vorgaben für ein paar Minuten weit entfernt.

Die Männer und Frauen haben die Gräueltaten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) selbst erlebt, der Begriff "Völkermord" fällt mehrfach. In der Schule in Erbil haben 50 Familien Zuflucht gefunden. Im gesamten kurdischen Autonomiegebiet sind insgesamt fast 600.000 Flüchtlinge aus den irakischen Kampfgebieten und Syrien.

Die Flüchtlinge wollen von Steinmeier vor allem eines wissen: Wann können wir in unsere Heimat zurück? Genau diese Frage kann im Moment aber niemand beantworten. "Es geht auch darum, Wiederaufbau zu leisten, damit Sie in Ihre Heimatdörfer zurückkehren können", sagt Steinmeier vorsichtig. Er weiß aber auch, dass vor dem Wiederaufbau der Kampf gegen die islamistische Miliz gewonnen werden muss.

Kurden wollen Waffen

Der deutsche Außenminister ist in den Irak gekommen, um in Erbil und Bagdad auszuloten, welche Rolle Deutschland in diesem Kampf spielen kann. 24,4 Millionen Euro hat die Bundesregierung für schnelle Nothilfe und den Aufbau von Infrastruktur zugesagt. Nur wenige Stunden vor Steinmeiers Ankunft kam der erste Hilfsflug der Bundeswehr mit Lebensmitteln und Sanitätsmaterial in Erbil an.

Die Kurden erwarten aber weit mehr von Deutschland und der EU: Maschinengewehre, panzerbrechende Waffen, Militärfahrzeuge und Munition. Mit dem Präsidenten der kurdischen Autonomieregion, Massud Barsani, spricht Steinmeier unter vier Augen darüber.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz nehmen beide das Wort Waffen dagegen nicht in den Mund. Steinmeier redet lieber über die bisherigen Hilfsleistungen. Auch Barsani, der an seinem 68. Geburtstag für den Besuch aus Deutschland demonstrativ die Uniform der Peschmerga-Kämpfer trägt, hält sich vornehm zurück. Seine eindeutige Botschaft an die deutsche Öffentlichkeit verbreitet er am Wochenende lieber über Interviews des "Focus" und der "Bild am Sonntag".

"Wir haben wirklich keinen Mangel an tapferen Kämpfern, wir haben einen Mangel an modernen und effektiven Waffen", wird er dort zitiert. "Wenn wir moderne und wirksame Waffen bekommen, dann ist wichtig, dass wir daran auch trainiert werden."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Deutsche gegen Waffenlieferungen

Moderne und wirksame Waffen inklusive Ausbildern - das hört sich schon ganz anders als das, was Steinmeier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bisher zu den Bedürfnissen der Kurden gesagt haben. Beide vermittelten den Eindruck, als würde die Peschmerga am liebsten mit ihren Waffen aus Sowjetzeiten weiterkämpfen, die Deutschland nicht zu bieten hat. Die Verantwortung wurde damit an die Osteuropäer abgeschoben, die Kalaschnikow-Maschinenpistolen und Munition in ihren Beständen haben.

Die Kurden verlangen aber nach Artillerie und panzerbrechenden Waffen, um der modernen - von der irakischen Armee erbeuteten - Ausrüstung der IS-Extremisten etwas entgegensetzen zu können.

Das macht es für die Bundesregierung nicht leichter. Die deutschen Vorbehalte gegen Waffenlieferungen sind vielfältig. Da sind zum einen die Rüstungsexportrichtlinien, die aber genügend Interpretationsspielraum lassen. Dann ist da noch die öffentliche Meinung, der man sich kurz vor mehreren Landtagswahlen entgegenstellen müsste. Umfragen zufolge sind zwischen 63 und 74 Prozent der Deutschen gegen Waffenlieferungen.

Ungewisse Zukunft der Waffen

Aber die schwierigsten Probleme liegen im Irak selbst. Zum Beispiel Barsanis Unabhängigkeitsbestrebungen, die Berlin nicht durch die Hintertür mit Waffenlieferungen unterstützen will. Deutschland hätte auch keine Kontrolle darüber, in wessen Hände die Waffen langfristig geraten. Und dann ist da noch das tiefgreifende Misstrauen zwischen der irakischen Zentralregierung in Bagdad und der kurdischen Autonomieregierung. Bagdad will die Kontrolle über Waffenlieferungen. Die Kurden halten das für unpraktikabel. Formell müsste die Bundesregierung an Bagdad liefern.

Mehr Klarheit in der Frage der Waffenlieferungen hat die Steinmeier-Reise nicht gebracht. Die Fakten liegen aber nun auf dem Tisch. Jetzt müssen Steinmeier, von der Leyen und Bundeskanzlerin Angela Merkel sehen, wie sie in der Koalition möglichst bald eine einheitliche Linie hinbekommen. Bisher gehen die Meinungen in Union und SPD noch weit auseinander.

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ivi/DPA