In Thüringen wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt. Den Umfragen zufolge dürfte der Freistaat auf eine schwierige Regierungsbildung zusteuern. Bereits vor fünf Jahren war das 2,1-Millionen-Einwohner-Land ein Ausnahmefall, als sich erstmals eine Regierung mit einem linken Ministerpräsidenten in Deutschland bildete. Diesmal schwebt über dem Urnengang die Frage, wie anschließend in Erfurt überhaupt regiert werden kann. Fallstricke und Eigenarten der Wahl im Überblick:
KONTRAHENTEN:
Hauptkontrahenten im Thüringer Wahlkampf sind der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring. Der 63 Jahre alte Ramelow wirbt im Wahlkampf offensiv für eine Fortsetzung des Bündnisses aus Linke, SPD und Grüne. Auch SPD und Grüne wollen in dieser Konstellation gern weiterregieren. Mohring dagegen wird nicht müde, vor einer erneuten Regierungsbeteiligung der Linken zu warnen. Der 47-Jährige greift Rot-Rot-Grün vor allem bei den Themen Bildung, Energiepolitik und Innere Sicherheit an.
AUSGANGSLAGE:
Die Zeiten, als die CDU noch mit absoluter Mehrheit in Thüringen regierte, sind vorbei. In Umfragen lag zuletzt die Linke mit 28 Prozent vorn, die CDU kam auf 24 bis 26 Prozent, während die AfD mit ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke je nach Umfrage 21 bis 24 Prozent erreichte. Den Sozialdemokraten droht das Abrutschen auf ein einstelliges Ergebnis - in jüngsten Erhebungen lagen sie bei neun Prozent. Auch die Grünen wären den Umfragen nach von ihrem Wunschziel im zweistelligen Bereich noch weit entfernt. Zuletzt lagen sie bei sieben bis acht Prozent, die FDP kam auf fünf Prozent. Im Thüringer Landtag sind zunächst 88 Sitze zu vergeben. Durch Ausgleichs- und Überhangmandate kann die Zahl der Abgeordneten aber ansteigen.

PERSPEKTIVEN:
Für eine Neuauflage von Rot-Rot-Grün könnte es knapp werden - vor allem, weil Ramelows Bündnispartner SPD schwächelt. Entscheidend wird auch sein, ob die FDP, die aktuell nicht im Landtag vertreten ist, die Fünf-Prozent-Hürde schafft und wieder ins Parlament einzieht. Dann bräuchte Rot-Rot-Grün noch mehr Mandate für eine Mehrheit. Reicht es für Rot-Rot-Grün nicht, könnte eine Regierungsbildung schwierig werden. Rechnerisch würde es Umfragen zufolge zum Beispiel für Bündnisse der CDU mit der AfD oder mit den Linken reichen. Doch die Christdemokraten haben jeweils ausgeschlossen, mit diesen beiden Parteien gemeinsame Sache zu machen. Auch ein Bündnis von CDU, SPD, Grünen und FDP in einer sogenannten Simbabwe-Koalition, wie sie Mohring in der Vergangenheit ins Spiel brachte, hätte nach jüngsten Erhebungen möglicherweise keine Mehrheit.
MINDESTENS DREI PARTEIEN:
Wegen der speziellen Konstellation ist bereits jetzt absehbar, dass sich SPD und Grüne Hoffnungen auf eine Regierungsbeteiligung machen können. Denn sowohl Mohring als auch Ramelow wären auf sie angewiesen - auch in einer möglichen Minderheitsregierung. Um eine Regierung in Thüringen in politisch nicht ausgeschlossenen Konstellationen zu bilden, werden wohl mindestens drei Parteien nötig sein, vielleicht sogar vier.
ÜBERGANGSCHEF:
Laut Thüringer Verfassung bleibt Ramelow nach der Wahl geschäftsführend im Amt bis ein neuer Ministerpräsident gewählt wird. Eine Frist, bis wann das spätestens zu geschehen hat, gibt es anders als in einigen anderen Bundesländern in Thüringen nicht.
MINDERHEITSREGIERUNG:
Findet keine politisch denkbare Koalition eine Mehrheit, könnte es in Thüringen auf eine Minderheitsregierung hinauslaufen. In diesem Fall müsste sich aber zum Beispiel eine von Ramelow geführte Minderheitsregierung von der CDU, der AfD oder der FDP tolerieren lassen. Umgekehrt könnte es auch Mohring mit einer Minderheitsregierung versuchen. Für die Wahl des Ministerpräsidenten ist im dritten Wahlgang nur noch eine relative Mehrheit nötig - und keine absolute Mehrheit wie in den ersten beiden Wahlgängen.