Als einer der ersten Politiker hatte sich Bayerns Ministerpräsident am Dienstag in die heimischen Fluten gestürzt und per Fernsehen Bundeshilfen erbeten. Schnelle und unbürokratische Unterstützung sagte ihm Gerhard Schröder prompt zu.
"Der Kanzler ist angstfrei"
Am Mittwoch machte sich Innenminister Otto Schily (SPD) gemeinsam mit seinem Duzfreund Günter Beckstein (CSU), Angelas Merkels "Schattenminister", auf, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen. Der Kanzler selbst hatte es diesmal nicht so eilig, in die Krisenregion einzufliegen. Der Eindruck sollte unbedingt vermieden werden, der Auftritt könne eine billige Wahlkampfmasche sein. Fragen, ob Schröder etwa aus Furcht vor solchen Deutungen noch zögere, beschied sein Sprecher Béla Anda mit den Worten: "Der Kanzler ist angstfrei."
Bayerische Parteifreunde hatten Schröder geraten, mit einem Auftritt vor Ort besser zu warten. Das Hochwasser sei schließlich noch keine "nationale Katastrophe" wie 2002, als die Kanzler-Bilder vor den Fluten im Osten mit dazu beigetragen hatten, die Bundestagswahl im letzten Moment gegen Stoiber zu gewinnen.
Von dem schon seit Wochen als Wahlkampf-Auftritt feststehenden Ausflug am Donnerstag nach Augsburg wollte sich Schröder aber nach einigem Hin und Her nicht abbringen lassen. An einem neuen Programm wurde angesichts der aktuellen Krisenlage noch gebastelt.
Flutschlagzeilen kommen Rot-Grün nicht ungelegen
Auch an anderen Fronten erreichten die steigenden Pegelstände vom Alpenrand die politische Tiefebene in Berlin. Ohne rechten Zuspruch aus den eigenen Reihen hielt SPD-Fraktions-Vize Michael Müller der Opposition indirekt vor, sie habe irgendwie Mitschuld an den Wassermassen. Schließlich hätten Union und FDP gemeinsam im Vermittlungsausschuss schärfere Regelungen beim Hochwasserschutz verhindert. So weit wollte nicht einmal der ebenfalls wahlkämpfende grüne Umweltminister gehen. Jürgen Trittin bescheinigte den bayerischen Behörden, sie hätten nach dem Pfingst-Hochwasser von 1999 "energische Konsequenzen" gezogen.

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Auch wenn das niemand so offen sagen will: die derzeitigen Flut- Schlagzeilen kommen dem roten-grünen Wahlkämpfern nicht gerade ungelegen. Vor allem der kleine Koalitionspartner kann darauf hoffen, dass die neu anlaufende Debatte über Klimaveränderung und Umweltschutz den eigenen Anhang zusätzlich motiviert.
Schröder bezeichnet sich als nicht nobelpreiswürdig
Dass sich die Geschichte wiederholen könnte und am Ende - genau wie vor drei Jahren - letztlich Flutwellen und Anti-Kriegseinsatz über Sieg und Niederlage entscheiden, daran glaubt richtig ernsthaft wohl auch nicht das SPD-Lager. Dass Schröder allerdings in den nächsten drei Wochen bei seinen Auftritten den Friedens-Kanzler noch stärker hervorkehren wird, gilt eher als wahrscheinlich. Auch wenn er sich selbst wegen nur "bescheidener Beiträge" zur internationalen Konfliktlösung als nicht nobelpreiswürdig bezeichnete, vom publikumswirksamen Vorschlag in Oslo erwarten die SPD-Wahlkämpfer zumindest einige Sympathiepunkte im Aufholrennen gegen die Union.
Wahlforscher sind allerdings skeptisch, ob damit der große SPD- Rückstand noch wett gemacht werden kann. Aber immerhin will inzwischen selbst Allensbach-Chefin Elisabeth Noelle nicht mehr völlig ausschließen, dass Schröders große Sympathiewerte doch noch - wie 2002 - wieder zum wahlentscheidenden Faktor werden könnten.
Joachim Schucht/DPA