Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), hat sich hinter das Krisenmanagement von Veteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) beim Schulschiff "Gorch Fock" gestellt. Die Absetzung des Kapitäns sei richtig, bekräftigte Königshaus am Dienstag bei der Vorstellung seines Jahresberichts in Berlin. "Ich glaube, das ist eine Schutzmaßnahme." Er warnte. "Was ich nicht damit verbinde und was niemand damit verbinden darf, ist eine etwaige Vorverurteilung."
Im vergangenen November war eine 25-jährige Offiziersanwärterin auf der "Gorch Fock" ums Leben gekommen. Dazu gab es Berichte über Schikanen und eine angebliche Meuterei an Bord.
Vor dem Unfall habe es keine dezidierten Probleme bei der Besatzung auf dem Schulschiff der Marine gegeben, betonte Königshaus, "jedenfalls keine Auffälligkeiten, die man besonders hätte berichten müssen". Er habe bei einem Besuch zwar Kritik von den Offiziersanwärtern gehört, aber nicht so massiv, wie sie nun geäußert werde. Gleichwohl sprach er sich für die Einsetzung einer Gleichstellungsbeauftragten auf der "Gorch Fock" aus. "Wenn sie weiterfährt mit gemischter Besatzung wäre das durchaus vernünftig", sagte er.
Der 70 Seiten starke Jahresbericht ist der erste, der von dem seit Mai 2010 amtierenden Wehrbeauftragten vorgelegt wurde. Die aktuellen Bundeswehraffären spielen darin noch keine Rolle, weil sie erst zu Anfang des Jahres ins Rollen kamen. Königshaus hatte dem Verteidigungsministerium jedoch in der vergangenen Woche zu den Zuständen auf der "Gorch Fock" und zu einem mysteriösen Schießunfall in Afghanistan separate Berichte zukommen lassen.
Mängel beim Führungsverhalten
Unabhängig davon rügt Königshaus in seinem Jahresbericht Mängel beim Führungsverhalten. Junge Mannschaftsdienstgrade und unerfahrene Vorgesetzte würden häufig nicht erkennen, dass bestimmte Umgangsformen und Verhaltensweisen auch dann Anstoß erregen könnten, wenn sie nicht strafrechtlich relevant seien. "Hierzu gehören insbesondere rüde Umgangsformen und herabmindernde Äußerungen", schreibt Königshaus. Als Beispiel nannte der FDP-Politiker schikanierende Aufnahmerituale bei den Gebirgsjägern in Mittenwald, die im Frühjahr 2010 für Aufsehen gesorgt hatten.
Der Wehrbeauftragte mahnte ein hartes Durchgreifen der Vorgesetzten an: "Außerdienstliches Fehlverhalten, körperliche Misshandlungen und Übergriffe, verbale Entgleisungen und Pflichtverletzungen aller Art nach Alkoholgenuss bedürfen der konsequenten Aufarbeitung und Ahndung." Königshaus sieht allerdings in der Bundeswehr keine systematischen Verstöße gegen die Menschenwürde und die Grundsätze der inneren Führung. Es handle sich vielmehr um nicht hinnehmbare Einzelfälle.
Der Bericht enthält aber auch einige positive Entwicklungen. Die Zahl rechtsextremistischer Vorfälle ging zurück. Auch sexuelle Belästigungen konnte Königshaus nur in wenigen Einzelfällen feststellen. Insgesamt sei die Zahl der Eingaben der Soldaten ab September 2009 rückgegangen und seit dem letzten Quartal 2010 wieder angestiegen, erklärte der Wehrbeauftragte. Überwiegend gehe es um persönliche Probleme, während generelle Kritik immer weniger geäußert werde.
Neue Beschwerden von Kadetten der "Gorch Fock"
Unterdessen wurden neue Beschwerden von Kadetten über die Zustände an Bord der "Gorch Fock" bekannt. Offiziersanwärter hätten sich bei Königshaus über massive Alkoholexzesse der Stammbesatzung beklagt, berichtete "Spiegel Online". Kadetten hätten danach das Erbrochene der Offiziere vom Deck schrubben müssen. Ein Besatzungsmitglied habe den Offiziersanwärtern im Rausch sogar mit dem Tod gedroht.

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Ein Kadett habe auch über sexuelle Nötigung berichtet, hieß es weiter. Mehrere Besatzungsmitglieder hätten ihn im Hafen von Las Palmas in der Dusche angesprochen. Es sei "auf dem Schiff ähnlich wie im Knast, jeder Neue muss seinen Arsch hinhalten". Daraufhin hätten sie eine Shampoo-Flasche auf den Boden geworfen und ihn aufgefordert, sich danach zu bücken. Darüber hinaus enthalte ein neunseitiger Bericht von Königshaus auch Hinweise, dass die Marine sowohl Kadetten als auch Stammbesatzung vor dem Einsatz auf der "Gorch Fock" nicht ausreichend getestet habe.
In den "Kieler Nachrichten" hingegen gaben acht Reserve-Offiziere, die 2007 ihre Ausbildung auf der "Gorch Fock" absolvierten, dem suspendierten Kommandanten Rückendeckung. Sie verteidigten das Ausbildungskonzept an Bord. "Wir sind an Bord nie schikaniert worden", sagte der Leutnant zur See der Reserve, Bastian Schmitz, der Zeitung.