Zwei Männer streiten über die Vergangenheit, eine Frau blickt nach vorn. Das ist, ganz verknappt und oberflächlich, die Zusammenfassung des zweiten TV-Triells, das in ARD und ZDF übertragen wurde. Denn während Olaf Scholz und Armin Laschet sich in vielen Punkten vor allem darum stritten, wer wann in der Vergangenheit welches Gesetz und welche Idee verhindert hatte, wer wofür in der Großen Koalition die Verantwortung trug, wollte Annalena Baerbock in die Zukunft schauen. "Bereit, weil ihr es seid", der Wahlslogan der Grünen, galt auch an diesem Abend. Da die Kanzlerkandidatin den Umfragewerten zufolge nach wie vor auf Platz drei steht, konnte Baerbock zwar Themen setzen und Debatten anstoßen, für die Kanzlerschaft reicht das aber eher nicht.
Brauchen wir wirklich Trielle
Die meisten Zuschauenden brauchen aber sicher auch kein (zweites) Triell, um sich ihre Meinung über ihren nächsten Kanzler oder ihre nächste Kanzlerin zu bilden. Das mag eine deprimierende Erkenntnis sein. Auch Anne Will gefiel dieser Hinweis von Politikwissenschaftlerin Ursula Münch in ihrer Triell-Nachbesprechung nicht. "Ich glaube nicht", sagte diese, "dass die Trielle so viel Eindruck machen". Es sei einfach so, dass die meisten Menschen schon mit einer Meinung im Kopf diese Wahlsendungen schauen würden. Dennoch werden nach so einem Triell schnell sämtliche Meinungsforschungsinstitute mit Analysen beauftragt und mögliche Wahlentscheidungen dokumentiert. Dabei gilt nach wie vor: Abgerechnet wird am Schluss. Und dieser ist noch zwei Wochen entfernt.
Weil Armin Laschet klar sein dürfte, dass er mit Sympathie bei den meisten Wählenden nicht mehr punkten kann – das bestätigen auch diverse Umfrageergebnisse – gab er sich im zweiten Triell deutlich angriffslustiger. Er sprach Scholz auf die laufenden Ermittlungen an, auf Cum-Ex und Wirecard. "Man sieht, wie Dinge hier verdreht werden", entgegnete Scholz und versuchte, Boden gutzumachen, zu erklären, wie es zu der Untersuchung kam. "An Ihrer Frage merkt man, wie unehrlich Sie sind", wurde der SPD- Politiker dann auch recht persönlich.
Das ist Armin Laschets Zukunftsteam: Sie sollen den CDU-Kanzlerkandidaten aus dem Tief holen

Gleich an mehreren Stellen fiel dies im Triell auf, dass Scholz sich über die Fragen und Vorwürfe Laschets ärgerte. Und, das gehört zur Wahrheit dazu, Scholz wirkte durch die Herausforderung Laschets direkt lebendiger, leidenschaftlicher. Sonst eher als sehr sachlich und nüchtern bekannt, konnte der Kanzlerkandidat der SPD hier, mit vermutlich ungewollter Hilfe Laschets, tatsächlich glänzen. Denn die Zuschauenden erlebten endlich mal einen Olaf Scholz, der aus sich heraus kam, der sich angriffslustig und streitbar zeigte. Auch das muss ein Kanzler schließlich können, kein Kanzler und keine Kanzlerin war in der Vergangenheit so ruhig und besonnen, wie Olaf Scholz über weite Teile des Wahlkampfs agierte.
Wer wirkt glaubhafter?
Weniger überzeugen konnte Scholz aber vermutlich mit seinen Aussagen, denn die werden, wie Politikwissenschaftlerin Münch und Journalist Robin Alexander später bei "Anne Will" erklärten, für die meisten Zuschauenden inhaltlich kaum fassbar sein. Das Volk würde sich mit den angesprochenen Themen in der breiten Masse in der Tiefe überhaupt nicht auskennen, vieles an diesem Schlagabtausch sei sehr "technisch" gewesen. Es fehlte eine Einordnung, was natürlich dem Format geschuldet ist, solche tiefgehenden Debatten dann aber für einen Großteil der Zusehenden ärgerlich und vielleicht auch nutzlos macht. Denn wo in vielen Politiksendungen sonst Einblendungen und Faktenchecks gezeigt werden, fehlten sie beim Triell völlig. Da gewinnt dann der, den das Publikum für glaubhafter hält, und das ist nicht notwendigerweise derjenige, der auch die Wahrheit sagt.
Schwaches Moderationsteam
Die Zeit eines solchen politischen Schlagabtauschs ist begrenzt, aber dass das Moderationsteam Maybritt Illner und Oliver Köhr einen ärgerlich konfusen Eindruck vermittelte, sorgte sicher nicht dafür, dass die Botschaften der Kandidat:innen nachvollziehbarer wurden. Illner und Köhr fielen sich immer wieder ins Wort, hielten stur an den vorher besprochenen Fragen fest, hatten das Triell über weite Teile einfach nicht im Griff. Es reicht für ein solches Format eben nicht, den gleichen Stiefel zu fahren, der sonst bei Politiktalkshows gilt. Natürlich sind beide im Politikjournalismus sehr erfahren. Für das Triell war das aber kein Gewinn, denn das Moderationsteam griff eben leider nicht moderierend ein, sondern hetzte von Thema zu Thema. Gleichzeitig wurde vieles gar nicht angesprochen. Um möglichst viele Wahlberechtigte abzuholen, wäre es aber nötig gewesen, auch Themen jenseits von Coronalearnings, Digitalisierung, Klimaschutz, Koalitionspartnern und Parteiinterna zu debattieren.

Natürlich ist die Themensetzung in jedem Triell eine andere, aber so wie die Kandidat:innen nicht müde werden, ihre Wahlversprechen immer zu wiederholen, wäre es auch nötig, bestimmte Themen immer wieder anzusprechen. So gab es gerade zu den möglichen Koalitionspartnern und einigen Parteimitgliedern keine befriedigende Antwort. Während Annalena Baerbock es immerhin noch schaffte, im ganz kleinen Rahmen auf Rassismus und Familienpolitik hinzuweisen, herrschte bei den beiden Herren da Schweigen. Auf Baerbocks Hinweis, dass die Politik in Sachen Coronatests von Kindern Sachen verlangt, "die wir von Erwachsenen nicht verlangen", gingen die Kontrahenten nicht ein. Solche Themen, die aber für viele Menschen wichtig sind, fallen hinten runter, wenn man lieber durch den Fragenkatalog hechtet.
Wattewolkige, nichtssagende Antworten
Armin Laschet erklärte: "Ich beantworte keine Würde- Fragen", als er gefragt wurde, ob er selbst Hans-Georg Maaßen wählen würde, umstrittener CDU-Kandidat in Südthüringen. Ein klares Nein hört sich anders an und diese Antwort lässt natürlich viel Raum für Interpretation. Das wollte Annalena Baerbock, angesprochen auf Tübingens Bürgermeister Boris Palmer, in jedem Fall umgehen und erzeugte, auch wenn die Frage dazu an sie gerichtet wurde, eine gewisse Nähe zwischen Maaßen und Palmer, die es so gar nicht gibt.

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Gefragt nach dem Erkenntnisgewinn aus dem Coronamanagement antwortete Laschet, dass er nie wieder "horrende Summen für Masken bezahlen" wolle. Unter den Tisch fiel dabei selbstverständlich das eher unrühmliche Verhalten seiner Partei. Olaf Scholz hingegen baute neue Schreckensszenarien auf, er will den Gesundheitsdienst voranbringen, weil nicht absehbar ist, was da noch kommt. Natürlich ist die Zukunft ungewiss, aber sich jetzt schon mal Gedanken für morgen machen, ist sicher immer eine gute Idee.
Armin Laschet blickte im Triell trotzdem lieber in die Vergangenheit, genauer gesagt in die 90er-Jahre, denn da hätte man ja schon richtig was für den Klimaschutz tun müssen. Wenn die Erkenntnis jetzt auch ein bisschen spät kommt, es wäre ja Zeit, jetzt etwas zu ändern. Dass die von ihm geforderte Klimaneutralität aber nicht umsonst zu haben ist, das wollte Laschet dann nicht kommentieren.
Dieses Herauslavieren aus konkreten Fragen und möglichst wattewolkige, nichtssagende Antworten zu geben, das bringt Laschet eigentlich gar nichts. Außer, dass es ihn, wie die Umfragewerte auch zeigen, weniger kompetent erscheinen lässt. Hier konnte aber aus Sicht der Befragten auch Annalena Baerbock nicht punkten. Was solche Umfragen nicht benennen, was aber immer wieder zu beobachten ist: Frauen werden oft als sympathisch eingeschätzt, aber nicht als kompetent. So auch im Fall der Grünen-Politikerin, die zwar 39 Prozent der Befragten als am sympathischsten benennen, für kompetent halten sie aber nur 18Prozent.
Der moderate Mittelweg
Natürlich wollen wir alle wissen, wie die Zukunft der Bundesregierung aussehen kann. Das Triell hat dabei leider wenig Antworten geliefert, auch, weil kein Kandidat, keine Kandidatin irgendwelche Koalitionskonstellationen ausgeschlossen hat. Fest steht aktuell nur, dass niemand mit der AfD koalieren wird. Die CDU schließt eine Regierungsbeteiligung mit der Linken aus, die anderen beiden tun das nicht. Olaf Scholz verspricht außerdem ein Kabinett, dass zu 50 Prozent aus Frauen und zu 50 Prozent aus Männern besteht. Mit ihm als Bundeskanzler soll Respekt wieder ein Thema und "jede Lebensleistung anerkannt" werden.
Armin Laschet geht es ums Vertrauen, er will als Bundeskanzler niemandem vorschreiben, wie er oder sie zu reden oder zu denken habe. "Ich will Bundeskanzler des Vertrauens werden", schließt er sein Statement an die Zuschauenden ab.
Annalena Baerbock will eine "moderne Regierung die handelt bevor es zu spät ist".
Als die Chefredakteurin vom WDR-Fernsehen, Ellen Ehni, bei "Anne Will" die Umfrageergebnisse zum Triell präsentierte, wurde klar, dass sich laut diesen die Menschen für den moderaten Mittelweg entscheiden werden. Aktuell ist der für die allermeisten – wie auch nach dem ersten Triell – der Weg mit einem Kanzler Olaf Scholz.