Zwickauer Zelle Polizei schnappt vierten mutmaßlichen Neonazi-Terrorhelfer

Geheime Wohnungen, Waffen, Ausweise - die Zwickauer Neonazi-Zelle konnte bei ihrer grausamen Mordserie auf tatkräftige Unterstützung zählen. Am Wochenende wurde der vierte mutmaßliche Helfer gefasst.

Die vorweihnachtliche Ruhe im verschneiten Städtchen Johanngeorgenstadt an der deutsch-tschechischen Grenze wird am Sonntag jäh gestört: Ein Spezialeinsatzkommando des Landeskriminalamts Sachsen schlägt in einer Überraschungsaktion zu. Am frühen Morgen nehmen die Polizisten Matthias D. fest.

Er soll dem Zwickauer Neonazi-Trio, dem eine beispiellose Mordserie zwischen 2000 und 2006 vorgeworfen wird, geholfen haben. Matthias D. ist dringend verdächtig, im 50 Kilometer entfernten Zwickau zweimal Wohnungen angemietet zu haben - als Unterschlupf für Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, nachdem diese 1998 untergetaucht waren.

Doch mit der Festnahme war es nicht getan bei der größer angelegten Polizeiaktion im sächsischen Erzgebirgskreis an diesem dritten Advent. Die Ermittler durchsuchten insgesamt drei Wohnungen, darunter auch die einer weiteren mutmaßlichen Unterstützerin des Terror-Trios. Möglicherweise ist es Mandy S., die laut "Spiegel" jetzt auch zum Kreis der Beschuldigten zählt, weil sie die Mitglieder der Zwickauer Zelle monatelang in der Wohnung eines Freundes in Chemnitz einquartiert haben soll.

Ermittlungen gegen rund ein Dutzend Personen

Auch wenn bei den Ermittlungen im Fall der Neonazi-Morde noch viele Fragen offen sind - die vielen Puzzleteile aus den vergangenen Wochen legen nahe: Das Zwickauer Terror-Trio bekam tatkräftige Unterstützung durch einige oder sogar viele Helfer, die - wenn sie von den Mordplänen wussten - diese wohl zumindest billigend in Kauf nahmen. Gegen rund ein Dutzend Personen ermittelt die Bundesanwaltschaft, mehrere davon werden als Beschuldigte geführt.

Insgesamt vier mutmaßliche Unterstützer des Trios sind mit Matthias D. nun inzwischen gefasst. Mit Führerschein, Reisepass, angemieteten Wohnmobilen, Wohnungen, sogar Waffen und Munition sollen sie alle dabei geholfen haben, dass die Zelle unerkannt bleiben und im Untergrund ihre Mordserie fortsetzen konnte. Einer der Verdächtigen soll den zynischen Paulchen-Panther-Film produziert haben, in dem sich das Trio mit den Morden an neun türkischstämmigen und griechischen Kleinunternehmern sowie einer Polizistin brüstete.

Den 36-jährigen Matthias D. halten die Ermittler laut "Spiegel" für tief verstrickt. Angeblich ist er einer der mutmaßlichen Führer der Neonazi-Gruppe "Brigade Ost" aus Johanngeorgenstadt. Schon vor Wochen gab es Berichte, dass ehemalige Mitglieder dieser Gruppe zum Unterstützerkreis des mordenden Zwickauer Trios gehörten. Wenn D. wirklich Wohnungen für die mutmaßlichen Terroristen angemietet hat, dann hat er nach Ansicht der Bundesanwaltschaft dem Trio dabei geholfen, "ein Leben unter falscher Identität (zu) führen und unentdeckt die Terroranschläge verüben (zu) können".

Inwieweit ist die NPD verstrickt?

Die logistische Hilfe ist die eine Seite - die mutmaßlichen Terroristen konnten sich aber möglicherweise auch bei der konkreten Mordplanung auf Unterstützung verlassen. Wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) schreibt, haben die Täter vor den Morden an türkischen und griechischen Kleinunternehmern die Tatorte sorgfältig ausgekundschaftet oder auskundschaften lassen. Fluchtwege und Gewohnheiten der potenziellen Opfer seien notiert worden.

Unklar ist immer noch, welche Rolle die rechtsextreme NPD oder einzelne jetzige und ehemalige Vertreter der Partei in dem Fall spielen. War Beate Zschäpe, die einzige Überlebende des Zwickauer Trios, Anfang November noch in der Wohnung eines hohen NPD-Funktionärs, der jetzt sogar im Präsidium der Partei sitzt? Laut "FAS" soll ein Beschuldigter dies gesagt haben. Dieser NPD-Funktionär stehe weiterhin im Verdacht, die Zwickauer Terror-Zelle unterstützt zu haben. Wie der "Focus" schreibt, wurde Zschäpe 1999 auch von einem NPD-Justiziar kurzzeitig juristisch vertreten.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Ob ein neues NPD-Verbotsverfahren kommt ist aber weiter offen. Dafür müssten nach Meinung der meisten Experten erst einmal viele Informanten des Verfassungsschutzes in der NPD abgeschaltet werden - an deren Rolle war der letzte Anlauf zu einem Verbot 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Laut "Spiegel" sind mehr als 130 V-Leute in der Partei aktiv - mehr als zehn davon in den Führungsgremien. Vor einem Abschalten warnen einige Innenpolitiker und fragen: Woher sollen dann die Insider-Informationen aus der rechten Szene kommen?

DPA
Jörg Ratzsch, DPA