New York Drehscheibe des Sklavenhandels

Die erste Schiffsladung gefesselter Afrikaner brachte Peter Stuyvesant 1620 nach New York. Mitte des 18. Jahrhunderts hatte schon fast jeder zweite Haushalt einen Sklaven. Sie waren eine gute Investition für die freien Bürger der Stadt.

"Ein Herr darf seine Sklaven strafen, wie ihm beliebt, so lange er nicht ihre Gliedmaßen abhackt oder sie tötet." Diese Verordnung für Sklavenhalter stammt nicht aus dem tiefen Süden der heutigen USA, sondern wurde 1740 am Hudson erlassen. Über das Los von Schwarzen in den Gründerjahren ihrer Stadt wissen New Yorker spätestens seit 1991, als Erdarbeiten nahe der Wall Street ein Grab von mehr als 400 Sklaven freigaben. Ihre Gebeine sprachen Bände über Mangelernährung und Gewalt.

Welche wichtige Rolle die Schwarzen beim wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg der Millionenstadt spielten, dürfte Vielen aber erst jetzt klar werden. Eine Ausstellung von New Yorks Historischer Gesellschaft porträtiert die Stadt als einstige Drehscheibe des Sklavenhandels. Sie zeigt mehr als 400 Dokumente, Gemälde, Landkarten und andere Zeugnisse aus den Kolonialzeiten der heutigen Acht- Millionen-Stadt.

So gehört zu den Exponaten die Anzeige eines "Herrn" auf der Suche nach seinem entlaufenen Sklaven: "Er hat Peitschennarben auf dem Rücken, aber er liebt mich." Mehrere Holländer einigen sich in einem Papier darauf, nur einen von acht Sklaven für eine gemeinsam begangene Tat zu strafen, um nicht ihre Arbeitskräfte zu verlieren. Der Büßer wurde per Los ausgewählt und aufgehängt. Schwarze bauten in New York die berühmte Trinity Church - gleich gegenüber der Börse - und "Fraunces Tavern", ein Hotel, in dem George Washington 1783 noch als General übernachtete. Sklavenarbeit schuf auch Fort Amsterdam am Südzipfel Manhattans und das erste Rathaus der Stadt.

"Jemand musste schließlich Bäume fällen, Sümpfe trocken legen, Kanäle legen und eine Mauer zum Schutz vor Indianern hochziehen", erläuterte die Historikerin Kathleen Hulse kurz vor Eröffnung der Ausstellung. "Kein freier Bürger von Holland wollte diese Arbeiten verrichten." Den Auftakt machte Peter Stuyvesant. Er lud 1620, von der Dutch West India Company beauftragt, die erste Schiffsladung gefesselter Afrikaner im Hafen ab.

1749 trug die New Yorker Handelsgesellschaft Philip Livingston & Sons fein säuberlich in ihre Bücher ein, dass sie eine Schiffsladung Rum, Tabak und Käse in Afrika gegen Waffen, Stoff, Elfenbein - und obendrein noch 124 Sklaven - eingetauscht hätte. Sklaven waren eine gute Investition für die freien Bürger New Yorks: Sie wurden bis zum Ende ihrer Kraft ausgebeutet, oft auch weiterverschifft oder gegen klingende Münzen vermietet.

Bis zu 40 Prozent aller New Yorker Haushalte hielten sich Mitte des 18. Jahrhunderts einen Sklaven. Diese stellten in jenen Tagen jeden fünften Einwohner der City. Allerdings wurden Schwarze 1800 in einer Volkszählung des Staates New York pro Kopf nur als "dreifünftel Mensch" gerechnet, wie ein weiteres Dokument enthüllt. In anderen Städten des Nordostens wie Boston und Philadelphia lag der Anteil von Sklaven zur gleichen Zeit bei zwei beziehungsweise sechs Prozent der Bevölkerung.

Erst am 5. Juli 1827 erklärte der Staat New York seine Schwarzen zu freien Menschen - 35 Jahre, bevor US-Präsident Abraham Lincoln die "Emanzipation" der Sklaven im ganzen Land verkündete. Ein handgeschriebenes Konzept dieser "Emancipation Proclamation", mit der er am 22. September 1862 den Schlussstrich unter eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Amerikas zog, ist ebenfalls in New York ausgestellt. Dieses Prunkstück des Rückblicks ist wegen seiner Empfindlichkeit gegen Licht allerdings nur zehn Tage zu sehen. Die Ausstellung selbst schließt am 5. März 2006.

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Gisela Ostwald/DPA

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