Podcast "heute wichtig" Ex-Kreml-Journalist: "Putin sucht nach seinem Platz in der Geschichte"

Dmitry Glukhovsky hat als damals noch regierungstreuer, russischer TV-Journalist Wladimir Putin viele Male getroffen
Dmitry Glukhovsky hat als damals noch regierungstreuer, russischer TV-Journalist Wladimir Putin viele Male getroffen
© Henrik Montgomery / Picture Alliance
Wladimir Putin sei ein rational handelnder Präsident, er habe sich nur verschätzt – das sagte US-Präsident Joe Biden vergangene Woche bei CNN. Dieser Einschätzung widerspricht der russische Journalist und Bestseller-Autor Dmitry Glukhovsky vehement.

"Für diesen Krieg gab es keinen rationalen Grund. Der Krieg ist für Russland, für Europa und insbesondere für die Ukraine schädlich", sagt Dmitry Glukhovsky in der 384. Folge "heute wichtig". Putin suche nach seinem eigenen Platz in der Geschichte – jetzt, wo er 70 Jahre alt geworden ist, nach 20 Jahren am Ruder der Macht. Er suche nach einer Möglichkeit, sein Regime nach seinem Tod zu verewigen, in diesem Fall mit einem Sieg in einem blutigen Krieg.

Putin – ein Mann, der sich immer noch beweisen muss

In seiner Zeit bei einem regierungstreuen, russischen Fernsehsender hat Dmitry Glukhovsky Präsident Putin viele Male persönlich getroffen und sagt heute: Eine besondere Magie sei von diesem Menschen nie ausgegangen, die Leute projizierten einfach viel in ihn hinein. Im Podcast sagt Glukhovsky: "Der Mann ist klein. Kameraleute mussten ihn immer auf Augenhöhe filmen, damit die Fernsehzuschauer nicht sehen, wie klein er ist." Als ehemaliger KGB-Mann sei Putin tief paranoid. Weil die Wahlen manipuliert würden, habe er keine direkte Legitimierung vom Volk. "Deshalb muss er sich immer noch beweisen."

In Russland gilt: "Kontrollierst du das Fernsehen, kontrollierst du die Bevölkerung"

Aber es sind auch die Propagandist:innen, die Putin erst zu dem machen, was er ist. Sie sind Teil des Systems, Teil der Mafia. Eine große Rolle spielt laut Dmitry Glukhovsky die Übermacht des Fernsehens: "Kontrollierst du das Fernsehen, kontrollierst du zumindest ein Drittel der russischen Bevölkerung." Alle Botschaften an die Öffentlichkeit würden immer direkt mit der Präsidenten-Administration abgestimmt, sagt der Journalist. "Dabei kennen die Russen die wahre Lage an der Frontlinie. Alle, die sich dafür interessieren, werden die Wahrheit irgendwie herausfinden." Und zu der gehört auch, dass Russland militärische Verluste einstecken muss. Eine Wahrheit, die auch immer mehr Propagandist:innen offenlegen. Man wolle den eigenen Reihen zeigen, dass man sich um das Volk kümmert. Indem man diese Informationen selbst teilt, wolle man die Kontrolle über das Publikum behalten, sagt Dmitry Glukhovsky. 

Die Propagandist:innen seien vor allem ehemalige demokratische Journalist:innen, bei denen eine Konformierung mit dem russischen Staat stattgefunden habe: "Ich glaube nicht eine Sekunde, dass sie selber an diese Lügen glauben können." Aber diese Leute müssen Putin und die Regierung unterstützen, glaubt Dmitry Glukhovsky. Denn nach den ungeklärten Todesfällen einiger Männer aus dem direkten Umfeld des Präsidenten hätten viele große Angst. Putin habe einmal gesagt, ein Verräter sei schlimmer als ein Feind. Und: "Putin wird einem Verräter nicht vergeben".

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tkr