"heute wichtig" Weg vom russischen Gas  – so könnte es klappen

Ein Flüssiggas-Tanker im Atlantik vor der Mündung der Loire bei Saint -Nazaire
Ein Flüssiggas-Tanker im Atlantik vor der Mündung der Loire bei Saint -Nazaire (Archivbild)
© Sebastien Salom-Gomis / AFP
Mit Hochdruck will sich die Bundesregierung aus der russischen Gas-Abhängigkeit befreien. Eine neue Studie sagt für diesen Fall die größte Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg voraus, andere Experten sehen es nicht so dramatisch.

Deutschland und seine Abhängigkeit vom russischen Gas – kaum ein anderes Thema dominiert seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine so stark die Debatte. Während viele Menschen einen schnellen Ausstieg aus den Gaslieferungen fordern, um Russland finanziell nicht weiter zu unterstützen, bremst die deutsche Industrie. Und auch eine am Montag veröffentlichte Studie des Mannheimer Ökonomieprofessors Tom Krebs mahnt zur Vorsicht. Diese sagt bei einem schnellen Importstopp einen massiven Konjunktureinbruch voraus und die massivste Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg. Anderer Meinung ist der Energie-Experte Georg Zachmann. Zachmann berät die Bundesregierung und analysiert für die Brüsseler Denkfabrik Bruegel die Energiemärkte. In der 271. Folge von "heute wichtig" sagt der Fachmann, dass Deutschland sehr wohl in der Lage sei, Russland den Gashahn zuzudrehen. Einerseits aus moralischen Gründen: "In so einer Situation muss Deutschland die nächsten Winter ohne russisches Gas überstehen." Andererseits würde Europa derzeit "60 Prozent seines Erdgases eh nicht aus Russland" bekommen.

"Deutschland muss nächsten Winter ohne russisches Gas überstehen" 

Ausschlaggebend dafür seien die vermehrten Importe von Flüssiggas, sogenanntes LNG (Liquefied Natural Gas), erklärt Zachmann im Gespräch. Laut dem Energie-Experten hätte sich besonders im Vergleich zu letztem Jahr viel getan: Das Verhältnis der Menge von importiertem russischem Gas zu LNG hat sich im vergangenen Jahr umgekehrt. Kam 2021 noch doppelt so viel Gas aus Russland wie aus allen LNG-Quellen zusammen, führt Deutschland dieses Jahr doppelt so viel LNG wie russisches Gas ein. Zwar bestätigt der ehemalige Berater der Bundesregierung, dass Deutschland noch keine eigene LNG-Infrastruktur habe, aber Deutschland sei dafür "im europäischen Gasnetzverbund" inkludiert. Deshalb würde das Land von den LNG-Importen und der Infrastruktur seiner Nachbarn profitieren. Damit ist die Bundesrepublik allerdings auch bei dieser Energieform nicht selbstständig, so Zachmann: "Es wird massiv davon abhängen, wie gut wir mit unseren Nachbarländern zusammenarbeiten, wenn wir russisches Gas ersetzen müssen." 

Michel Abdollahi
© TVNOW / Andreas Friese

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Klar, meinungsstark, auf die 12: "heute wichtig" ist nicht nur ein Nachrichten-Podcast. Wir setzen Themen und stoßen Debatten an – mit Haltung und auch mal unbequem. Dafür sprechen Host Michel Abdollahi und sein Team aus stern- und RTL-Reporter:innen mit den spannendsten Menschen aus Politik, Gesellschaft und Unterhaltung. Sie lassen alle Stimmen zu Wort kommen, die leisen und die lauten. Wer "heute wichtig" hört, startet informiert in den Tag und kann fundiert mitreden.

Skurrile Ideen zum Energiesparen  

Durch den möglichen Gasboykott steigen die Energiepreise immer weiter an. Dabei werden die Vorschläge, die hohen Preise abzufedern, immer skurriler. Einen Vorschlag der etwas besonderen Art hatte die Vorsitzende des Verbands unabhängiger selbstständiger Reisebüros, Marija Linnhoff, in der Mallorca Zeitung geäußert. Ihre Idee: Um Energie zu sparen, sollten Rentner:innen doch einfach in wärmeren Ländern überwintern. Damit die Pensionäre sich das leisten können, solle der Staat eine Langzeit-Urlaubs-Pauschale von 500 Euro beisteuern. Mögliche Reiseziele: Türkei, Tunesien oder Mallorca. Politiker:innen reagierten darauf eher verhalten. Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sorgte sich, dass bei zu vielen Kurzzeit-Ausgewanderten die Kaufkraft sinken könnte. Und Jana Schimke, CDU-Politikerin und Vorsitzende des Tourismusausschusses im Bundestag, kritisierte in der "Bild"-Zeitung: Der Vorschlag sei zu teuer für den Staat und die Rentner:innen, die ja trotzdem daheim noch Miete zahlen müssten. 

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mkb / tis

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