Solange es Fridays For Future gibt, solange gibt es Mitte-rechts-Publizisten über 40, die sich in entrüsteten Kolumnen über die "Klimakinder" beschweren. In dem Sinne ist es irgendwo auch konsistent, dass Nikolaus Blome nun im "Spiegel" schreibt, wie erleichtert er ist, dass Fridays For Future coronabedingt nicht streiken kann. Das wäre an sich kein Ding, man könnte das Herrn Blome glatt gönnen, kleine Freuden in harten Zeiten. Nur ist der Text keine heiter-paternalistische Abrechnung mit Fridays For Future, sondern am Ende des Tages eine Offenbarung unverhohlener Schadenfreude über eine defizitäre Demokratie. Da sollte man mal nachhaken.
Für den Kontext: Auch der ehemalige "Bild"-Redakteur Nikolaus Blome hat festgestellt, dass Fridays For Future durch Corona zwangsläufig auf Massendemonstrationen verzichten muss. Das findet er erstmal gut, es scheint, als wären die Streik-Freitage vor Corona für ihn besonders mühsam gewesen. Nun endlich durchatmen, eine Pause, die Gelegenheit für Nikolaus Blome seine Unzufriedenheiten mit der Klimabewegung zu schildern. Und da ist viel dabei.
Nikolaus Blome vergleicht Klimabewegung mit Kindern am Strand
Bei einigen seiner Issues möchte man ihm fast Mut zusprechen, die "Inbrunst" der Aktivst*innen etwa sei ihm "nicht geheuer". Verzeihung, dass wir Sie nicht gefragt haben, ob es wohl zu viel für Sie wird. Bei anderen fragt man sich, ob Herr Blome uns jemals zugehört hat, zum Beispiel, als er argumentiert, dass sich Forscher*innen bei der Coronapandemie ja nicht immer einig seien (wir sprechen wohlgemerkt von einem seit wenigen Monaten erforschten Phänomen), und man sich daher bei der Klimakrise (einem seit mehr als fünf Jahrzehnten erforschten Gebiet mit beispiellosen wissenschaftlichem Konsens über die Grundlagen) auch nicht einig sein könne. Unite Behind the Science (sprich: der Verweis auf die überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler*innen, die hinter den Erkenntnissen des Weltklimarates stehen) würde deshalb (aus irgendwelchen kühnen Gründen) scheitern.Leichter Zweifel über das Grundverständnis der Thematik kommt an der Stelle auf, als er Klimaaktivst*innen, mit einem Kind am Strand vergleicht, das anfängt zu weinen, als Wellen die von "Papi" gebaute Sandburg wegspülen. Die Burg, das Kind, oder eben die Klimabewegung seien nun alle ein "Häufchen Elend".
"Schadenfreude" bei Nikolaus Blome – gut, er ist ja auch nicht angetreten, um für sympathisch befunden zu werden. Um einen Moment beim Strand zu bleiben und die Sache geradezurücken: Wenn man es genau nimmt, hat "Papi" keinesfalls eine Sandburg gebaut, sondern inmitten der spielenden Kinder ein Fass Öl ausgekippt. Oder eher zehn. Und während die Kinder nun zusammenkommen, winken und rufen, um Aufmerksamkeit auf die Kontaminierung des Wassers zu lenken, steht der Vater daneben und lacht. Oder beschwert sich über die "Inbrunst" der Kinder.
Luisa Neubauer über Blome: "Kein Klimaleugner, aber …"
Immerhin ist Nikolaus Blome mit seinem etwas schrägen Verständnis der Lage ganz sicher nicht alleine – was er (indirekt) beschreibt, ist praktisch die Definition des Phänomens Boomer: Statt in irgendeiner Form konstruktiv mitzuwirken oder zumindest keine zusätzliche Belastung darzustellen, fällt Vertretern einer der emissionsintensivsten Generationen überhaupt nichts Besseres ein, als im Weg rumzustehen und zu pöbeln, wenn andere, oftmals ihre Kinder, ihren Dreck aufräumen.

Auch wenn hier der Eindruck erweckt werden mag: Herr Blome ist keinesfalls ein Klimawandelleugner, das stellt er eingangs klar. Erleichterung, er schenkt einigen der wohldokumentiertesten Erkenntnissen der modernen Wissenschaft Glauben. Allerdings scheint sich aus der Akzeptanz über die menschengemachte Klimakrise keinerlei Akzeptanz, geschweige denn Verständnis, über den Umfang der Krise, angemessenen Klimaschutz oder diejenigen, die sich dafür einsetzen abzuleiten. Genau genommen ist er also ein "Kein Klimaleugner, aber…", was unwesentlich hilfreicher ist, als die ganze Krise gleich zu dementieren.
Wirklich irritierend wird es dann, als Blome anführt, dass der deutsche Konsum die hungernden Kinder in den Townships in Kapstadt aus ihrem "Elend" ziehen würde. Man möge es nicht wagen, sich hier aus Klimaschutzgründen dem braven Konsumieren zu verwehren, das machen wir schließlich alles für die Kinder in Kapstadt – und die zählen auf, ja genau, uns. Da könnte man jetzt viel zu sagen, über die Sinnhaftigkeit blinden Konsums, und den scheinbaren gesellschaftlichen Mehrwert daraus für die Weltgemeinschaft.
"Wehe dem, der nicht fleißig shoppen geht"
Vor allem möchte man Nikolaus Blome ermutigen, nochmal zu überprüfen, worüber er da schreibt. Ausgerechnet Kapstadt ist eine Region, die zuletzt weltweit für Schlagzeilen sorgte, weil das Trinkwasser drei Jahre lang in einem solch existenziellen Maße schwand, dass man sich aktiv auf einen "Day Zero" vorbereitete, den Tag ohne Trinkwasser. Die dafür verantwortliche Jarhunderttrockenheit ist durch die Klimakrise dreimal so wahrscheinlich geworden.
Aber ja, Herr Blome, wehe dem, der nicht fleißig shoppen geht, was sollen die Leute sagen. Spannend, wie es längst nicht mehr die Forderungen nach Klimaschutz sind, die moralisierend anmuten. Moralisierend-ideologisch sind nun mehr vor allem die Aufforderungen, wenn nicht sogar die Drohungen, bloß den Pflichten des Konsumenten-Daseins nachzukommen.
Aber zurück zum Text, denn das große Problem des Artikels ist ein anderes, und da fällt es schwer, ironisch darüber hinwegzusehen. Es ist die Freude, die schon fast in Häme ausartet, angesichts der Tatsache, dass eine zivilgesellschaftliche Instanz nicht protestieren darf. Aus ausgehebelten Grundgesetzen kann man Befriedigung ziehen, man kann das auch zelebrieren. Hat nur wirklich einen faden Beigeschmack. Friedliche Versammlungen sind grundrechtlich geschützt, kein optionales Beiwerk. Das Bundesverfassungsgericht spricht von einem "unentbehrlichen Funktionselement des demokratischen Gemeinwesens".
Ich möchte Nikolaus Blome hier keinesfalls vorwerfen, ihm sei sein Demokratieverständnis abhanden gekommen. Aber die "Schadenfreude" über ausbleibende Schulstreiks – schlicht, weil Rechte ausgehebelt werden – sagt eine Menge über das Vermögen von Menschen wie ihn, Meinungspluralismus und politischen Widerstand in unserer Demokratie auszuhalten, geschweige denn zu bejahen.
"Heute stellen sich ernsthafte Fragen für unsere Demokratie"
Das ist übrigens kein Phänomen, das sich auf die Klimakrise beschränkt. Zuletzt schrieb unter anderem Sascha Lobo - ebenfalls bei "Spiegel Online" - sehr treffend über die "Social Meltdowns" von Männern in der Öffentlichkeit in Zeiten von Corona. Es geht um den Typ Mensch, der in der Regel ein Mann ist, der nicht klarkommt mit lebensweltlichen Uneindeutigkeiten und Komplexitäten, und nun gegen sie anbrüllt, statt sich der Irritation, oder sogar der eigenen Schuld und Verantwortung zu stellen. Man fühlt sich vage erinnert.
Es mag für Unverständnis sorgen, wie intensiv und nachdrücklich sich junge Menschen mit einem Problem beschäftigen, das in der Welt von einem Nikolaus Blome keine große Rolle spielt und daher, logischerweise, nicht wirklich wichtig sein kann. Der Typ Paternalist, der in Sachen Klimakrise offensichtlich sehr wenig gecheckt hat, sich aber nicht zu schade ist, die eigene Aggression gegen junge Menschen, die sich für ihre Zukunft einsetzen, zu artikulieren, ist ja auch nicht neu.
Aber diese Tage hat sich die Ausgangslage verändert. Man muss kein Fan von Fridays For Future sein oder sich in einer Forderung nach ernsthaftem Klimaschutz wiederfinden. Doch derzeit stellen sich ernsthafte Fragen für unsere Demokratie. Selten waren die Zugänge zum politischen Raum so eingeschränkt wie heute. Wer sich darüber freuen kann, hat wohl irgendwo in den letzten 40 Jahren den Schuss nicht gehört. "Zeit für eine ehrliche Selbstbefragung", schreibt Blome am Ende. Ja, das möchte man ihm wirklich wünschen.
Quelle: worldweatherattribution.org