Parteitag in Karlsruhe "Mehr Herz statt Merz" – die Grünen haben einen heimlichen Stargast

Robert Habeck und Annalena Baerbock applaudieren beim Grünen Parteitag in Karlsruhe
Robert Habeck (li.) und Annalena Baerbock applaudieren beim Grünen Parteitag – sicher nicht für Friedrich Merz
© Kay Nietfeld/dpa
Das Verhältnis der Grünen zur CDU: Spiegel ihrer Aussagen über Friedrich Merz – das mag jetzt wie der Titel einer Doktorarbeit klingen, ist in Wahrheit aber nur ein etwas anderer Bericht vom Parteitag.

Es ging gleich gut los. Schon in der ersten Rede des Co-Vorsitzenden Omid Nouripour am frühen Donnerstagabend hieß es: "Dieses Land braucht mehr Herz statt Merz!" Und damit war der Ton gesetzt. Im Verlauf ihres noch bis Sonntag anhaltenden, gefühlt ewigen Parteitages, werden die Grünen fortan so oft auf jenen CDU-Partei-, -Fraktions- und mithin Oppositionschef zurückkommen, dass sich mit einigem Recht behaupten ließe: Friedrich Merz ist der heimliche Stargast dieses Grünen-Treffens.

"Lieber Friedrich Merz, ich gehe gern mit dir ein Bier trinken, aber so werdet ihr nicht regierungsfähig", fuhr Omid Nouripour fort. Und dieses "so" meinte die gar nicht mal so heimliche – viele Grünen finden gar "hämische" – Freude des CDU-Chefs über das demütigende Haushalts-Urteil aus Karlsruhe. Dieses "so" umfasste auch den Hinweis, es würde ihm spätestens, wenn er in zwei Jahren wirklich selbst regieren wolle, auf die eigenen Füße fallen.

Eine Rednerin aus dem Kreisverband Cloppenburg nahm das neue grüne Ceterum censeo auf: "Mehr Herz gegen Merz!" und schob mahnend nach: "Wir können Friedrich Merz keinen größeren Gefallen tun, als jetzt zu verzagen."

"Soll er machen, ist ein freies Land"

Apropos Gefallen. Rednerin Steffi Lemke, aktuelle Verwendung Bundesumweltministerin, "glaube ja, dass Friedrich Merz sich und seiner Partei keinen Gefallen tut, wenn er die Grünen zum Hauptgegner ausruft." Aber so großzügig ist man hier in der Karlsruher Messehalle gegenüber Gästen: "Soll er machen, ist ein freies Land." Und noch einen Rat hatte die Regierungsgrüne für den Oppositionsschwarzen parat: "Geopolitik oder Klimakrisen gehen nicht einfach weg, selbst wenn Friedrich Merz mit Sahra Wagenknecht regieren würde."

Sebastian Schäfer, Delegierter aus dem Kreisverband Esslingen: "Wir sind ein Rechtsstaat, Herr Merz, haben Sie das vergessen?" Thema Haushalt, genauer die Löcher in selbigem, welche Merz nun erklärtermaßen auch mittels Einsparungen beim Bürgergeld stopfen würde, wenn er könnte, dabei seien die Sätze doch gerade erst angepasst worden. Per Gesetz. 

"Das ist billiger Populismus"

"Das sollte Herr Merz endlich mal zur Kenntnis nehmen", rief aus diesem oder anderem Grund wenig später Beate Müller-Gemmeke, Kreisverband Ludwigsburg, den Delegierten und irgendwie ja auch Merz zu. "Das ist billiger Populismus, das dürfen wir der Union und Friedrich Merz nicht durchgehen lassen."

Das ist der Spirit! Und darum entscheidet sich auch Parteichefin Ricarda Lang wenig später für die direkten Ansprache: "Lieber Friedrich Merz, seit wann ist der Erhalt von 12000 Jobs, die Zukunft unserer Industrie, seit wann ist der Wirtschaftsstandort Deutschland ein grünes Nischenprojekt." Was hatte dieser Merz nun schon wieder gemacht? Sparvorschläge, aus Sicht der Grünen, natürlich eher unausgereifte Sparvorschläge. 

Genau das sei das schließlich Problem mit dieser Union, befand dann auch noch Robert Habeck, Kreisverband Flensburg: "Während in vielen unionsgeführten Regierungen auf Landesebene vernünftige Politik gemacht wird, ist die Union im Bundestag unter dem Vorsitz von Herrn Merz nicht in der Lage, in der Realität anzukommen und tragfähige Vorschläge zu machen", rief der Bundeswirtschaftsminister. Schlimmer noch: "Sie weiß nicht, was sie will, das aber umso lauter und davon ganz viel. Eine Partei von gestern, angeführt von einem Vorsitzenden von vorgestern."

Ein strategischer Keil 

Gut, wenn der eine die anderen zum "Hauptgegner" erklärt, verhalten die sich ihm gegenüber auch so. Betonung auf "ihm gegenüber". Man wolle einen strategischen Keil in die Union treiben, ist am Rande des Parteitags aus der grünen Führungsriege zu hören. Es gebe dort ja auch vernünftige Leute, womit wohl vor allem jene Leute gemeint sein dürften, die sich für eine Reform der Schuldenbremse zumindest offen zeigen. 

In der Halle geht es derweil weiter: Merz, Merz, immer wieder Merz. Und ab und zu Lindner, Christian Lindner, Chef der Liberalen und Bundesfinanzminister. Kleiner Unterschied: Der wurde gleich zu Beginn immerhin zweimal sogar öffentlich gelobt. Von Nouripour und von Habeck! Right or wrong my Ampel, oder was? Nun wollen wir mal nicht übertreiben. Denn da gibt es auch noch den, dessen Namen nicht genannt werden darf, jedenfalls nicht auf dem Parteitag der Grünen. Es ist der Name: Olaf Scholz. Der Kanzler war offenbar nicht mal heimlich Gast.

Friedrich Merz twitterte am Freitagnachmittag übrigens folgendes: "Herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl, @Ricarda_Lang und @nouripour!" Für alle Fälle.