Als Sie 2012 Finanzvorstand wurden, war das ein Riesending. Die „Financial Times Deutschland“ titelte „Frauenrevolution“.
Niemand konnte sich vorstellen, dass ich den Job bekomme…
Hat man heute Frauen eher auf dem Zettel?
Ich hatte neulich eine Aufsichtsratssitzung, ich sage jetzt nicht, bei welchem Unternehmen. Es ging um die Nachfolge des Vorstandsvorsitzenden, und wir Aufsichtsräte müssen eingebunden werden. Der Vorstand hat uns drei Männer benannt. Da haben wir gefragt: Warum drei Männer? Ihr habt doch ein Talent – ich nenne sie jetzt mal Andrea –, ihr habt uns immer erzählt, wie toll Andrea ist. Warum nicht sie? Am Ende der Sitzung war eine Frau auf dem Zettel. Es gibt immer noch eine gewisse Blindheit. Man denkt gar nicht an die Frau, wenn es um so eine hohe Position geht.
Zur Person
Simone Menne, 59, aus Kiel, liebt Kunst, malt gern Vögel mit dem Bleistift und ist „nicht so toll in Mathe“ – sie war jedoch vier Jahre lang Finanzvorstand der Lufthansa, und man attestiert ihr, einen guten Job gemacht zu haben. 2016 wechselte sie für ein Jahr als Finanzvorstand zum Pharmakonzern Böhringer Ingelheim und ist heute Aufsichtsrätin bei BMW, Deutsche Post DHL, Johnson Controls und Henkel
Wie erklären Sie sich das?
Der Spruch, den ich am meisten höre, ist: Die ist noch nicht so weit. Man traut Frauen bestimmte Sachen nicht zu, die Durchsetzungsfähigkeit, die Zielstrebigkeit. Sozialkompetenz und Fleiß, ja schon, aber eben nicht breite Schultern, wie man sie sich wünscht. Gleichzeitig nehmen sich Frauen oft selber zurück und sagen: Ich weiß noch nicht, ob ich das kann.
Wie löst man das?
Ich rate allen Unternehmen, bezieht in eure Entscheidung ein, dass Frauen so sozialisiert sind. Vielleicht ist die Frau die Bessere, obwohl sie sagt: Ich bin nicht perfekt.“

„Die Boss“ erscheint ab sofort 14-täglich auf stern.de, AudioNow und allen gängigen Podcast-Plattformen
Was treibt die Spitzenfrauen dieses Landes an? Wie leben sie, was hassen sie, was lieben sie? Multi-Aufsichtsrätin Simone Menne trifft sie für den stern-Podcast „Die Boss“. Bibiana Steinhaus etwa, die einzige Schiedsrichterin der Fußballbundesliga der Männer. Oder Doris Henne-Bruns, die erste Ärztin, die einen Lehrstuhl in der Männerdomäne Chirurgie bekam. Seit Mittwoch ist die erste Folge online, darin erzählt Sigrid Nikutta, seit Januar im Bahn-Vorstand, dass sie sich früh das Ziel gesetzt hatte, mit 40 Jahren Vorstand zu sein, und während ihrer Schwangerschaften mit vergifteter Rücksichtnahme im Job zu kämpfen hatte. Wenn Spitzenfrauen unter sich sprechen, entstehen ehrliche Gespräche über Macht, Fehler, Familie und wertvolle Karrieretipps für Frauen wie Männer.
Klingt aber so, als müssten die Frauen auch etwas ändern.
Ja, klare Sprache. Sagen, was man will. Nicht diesen Konjunktiv. „Ich könnte mir vorstellen, diesen Job vielleicht zu machen, wenn ich noch eine Fortbildung bekomme.“ Sondern: Ja, das traue ich mir zu. Eigentlich ganz einfach. Das muss man sich antrainieren.