Roland Koch und Kurt Beck Die hinkenden Helden vom Land

  • von Sebastian Christ
Roland Koch und Kurt Beck haben Grund zu feiern: Der eine ist wieder Ministerpräsident von Hessen, der andere wird 60 Jahre alt. Koch werden bundespolitische Ambitionen nachgesagt, Beck hat das alles schon hinter sich. Aber haben Landesfürsten überhaupt eine Chance in Berlin?

Heute ist ein Datum, an dem zwei Politikerbiografien wie aus dem Nichts zusammenknallen. Beide trennt der Rhein und noch etwa tausend andere Kleinigkeiten, von den großen Gegensätzen mal abgesehen. Aber wenn es eine Gemeinsamkeit gibt, dann ist es, dass beide heute feiern werden. Am 5.Februar 2009 begeht Kurt Beck seinen 60.Geburtstag. Nach seinem Ritt durch Berlin ist er wieder im Mainz angekommen. Und Roland Koch ließ sich am Donnerstag zum hessischen Ministerpräsidenten wählen. Nachdem er das Amt ein Jahr lang nur "geschäftsführend" ausüben durfte, ist dies der letzte Akt seines politischen Wiederauferstehungsschauspiels.

Bei Roland Koch ist auf dem ersten Blick alles in bester Ordnung. Seit Donnerstag ist er wieder Ministerpräsident, ohne nur "geschäftsführend" tätig sein zu müssen. Zwar haben bei der Wahl einige Stimmen aus den eigenen Reihen gefehlt, doch die Diskussion darüber wird schon bald versiegen. Ganz anders sieht es mit den Spekulationen um Kochs politische Zukunft aus: Es wird darüber gemunkelt, dass Koch im Herbst 2009 nach Berlin wechselt. In einer möglichen Neuauflage der Großen Koalition könne er das Wirtschaftsressort übernehmen - und mit Finanzminister Peer Steinbrück ein gut eingespieltes Tandem bilden. Beide arbeiteten unter anderem schon ein Papier zur Reform der Pendlerpauschale aus, das 2007 veröffentlicht wurde. Es heißt, dass zwischen Steinbrück und Koch die Chemie stimme.

Koch mit Pokerface

Schon im Wahlkampf wurde er immer wieder darauf angesprochen. Koch pflegte in solchen Situationen sein Pokerface aufzulegen - und bei ihm sieht das ein wenig so aus, als blickte er nach innen. Was er sich selbst in diesen Momenten gedacht haben mag, das weiß wohl allenfalls sein Regierungssprecher Dirk Metz. Geantwortet hat er stets in Landesvaterpose: In Hessen könne man viel mehr bewegen als auf Bundesebene. Dort müsse man sich erst wieder ein- und hocharbeiten. Bezeichnend: So richtig geglaubt hat ihm das keiner. Die Diskussion ist nicht tot zu kriegen.

Fragt sich nur, was Bundeskanzlerin Angela Merkel davon hält. Koch galt schließlich lange Zeit als einer ihrer schärfsten Rivalen. Es heißt, dass sie Bedenken gegen die mögliche Ernennung von Koch hegen würde. Klar ist: Das hessische Stehaufmännchen hat nicht nur daheim Feinde. Sie sind überall in Deutschland.

Wahr ist, dass Koch einiges zu verlieren hat. In Hessen ist er mächtig. Seine Basis in der Heimat war stets der sichere Verhau, hinter den er sich verkriechen konnte, wenn das Sperrfeuer der Nicht-Hessen allzu stark wurde. Zu seinen Feinden zählen Politiker fast aller Parteien, aber auch viele Journalisten. Das beschauliche Wiesbaden dagegen ist durchzogen von Ministerien, in denen sich Koch - gerade zu Zeiten der Alleinregierung - einen gut funktionierenden Apparat aufgebaut hat. Er selbst residiert im ehemaligen "Hotel Rose", einst Investitionsobjekt von Milliarden-Pleitier Jürgen Schneider, heute Sitz der Staatskanzlei. Palastähnlich. So residiert ein Landesfürst.

In Rheinland-Pfalz ein Volksheld

Kurt Beck steht dem in nichts nach. Sein Amtssitz ist ein feudaler Barockbau aus dem 18. Jahrhundert, mit roten Sandsteinmauern und einem Schiefer gedeckten Dach, der nur einige Kilometer weiter südlich liegt. Seinen Ehrentag feiert Beck jedoch in pfälzischen Landau.

In Rheinland-Pfalz ist er immer noch ein Volksheld. Insgesamt 700 Gäste sind zu der Feier geladen, darunter der ZDF-Intendant Markus Schächter, dessen Sender seinen Sitz in Mainz hat. "Mächtig in der Heimat", titelt der "Trierische Volksfreund", und der SWR schreibt in seiner Online-Ausgabe: "Kurt Beck - der ewige Landesvater".

Seit mehr als 14 Jahren ist Beck Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, und er hat bereits angekündigt, bei der Landtagswahl 2011 noch einmal kandidieren zu wollen. Für eine komplette Legislaturperiode. Er wäre dann einer der dienstältesten Ministerpräsidenten aller Zeiten. Seine Umfragewerte sind zwar immer noch weit entfernt vom historischen Hoch im Jahr 2006, doch mit 36 Prozent liegt die rheinland-pfälzische SPD klar über dem Bundesdurchschnitt. Zusammen mit der FDP könnte sie weiter regieren. Auch wenn es knapp wird.

Zumindest ein wenig gescheitert

Die Geschichtsbücher werden Beck als einen der großen deutschen Landesväter rühmen. Einer, der aber gerade durch sein starkes Lokalkolorit in Berlin immer angeeckt ist. Dessen Verständnis von Menschlichkeit auf Bundesebene nicht gefragt war. Der zumindest ein wenig gescheitert ist.

Denn da ist noch die bundespolitische Dimension seiner Karriere: In Berlin ist der Name Beck wie ausgelöscht. Die Nachrichtenagentur dpa verzichtet auf Berichterstattung, es wird lediglich ein Foto von der Feier geben. Im SPD-Parteiorgan "Vorwärts" taucht die Nachricht vom Geburtstag des ehemaligen Parteivorsitzenden als kleine Spaltenzeile zwischen vielen anderen auf. Niemand will mehr von der Ära des großen Krisenvorsitzenden reden, in dessen Amtszeit die SPD sämtliche Sympathie-Minusrekorde unterboten hat. Es ist fast gespenstisch.

Vom Landesverband aufgefangen

Beck wurde nach seinem Rücktritt als SPD-Vorsitzender nur von seinem Landesverband aufgefangen. Mit quasi-sozialistischem Ergebnis wählten sie ihn erneut als Landeschef wieder. Koch kennt dieses Gefühl auch: Es ist wohl eines der größten politischen Wunder der jüngeren Geschichte, dass es fast niemanden gab, der nach dem Wahldesaster in der hessischen CDU im Januar 2008 auch nur leise aufzumucken suchte. Zum Glück gesellte sich jedoch auch strategisches Können. Kaum denkbar, dass ein anderer deutscher Politiker aus dieser Lage heil heraus gekommen wäre.

Gemein ist beiden: Sie haben ihre großen Krisen politisch überlebt. Beck hat in Rheinland-Pfalz wieder Fuß fassen können, und Koch schickt sich nun an, seine bundespolitischen Ambitionen in Mikrowellenschnelle wieder aufzuwärmen. Kaum mehr als ein Jahr ist es her, dass er der große Verlierer eines furiosen Wahlabends war. Sein Glück war, dass seine SPD-Konkurrentin Andrea Ypsilanti in den folgenden Monaten nicht einsehen wollte, dass sie ebenfalls knapp verloren hatte. Ob ihm jedoch ein Ausflug in die Bundespolitik Erfolg bringen würde?

Es mag sein, dass Roland Koch an diesem Donnerstag einen schönen Abend hat. Vielleicht freut er sich ganz heimlich auch über die vielen strategischen Optionen, die er nun hat. Gut möglich, dass Kurt Beck an seinem Ehrentag immer noch ein wenig den Bundesblues schiebt, obwohl er nun daheim und zu wahrer Bedeutung zurück gekehrt ist. Kaum auszudenken, was passiert wäre, wenn beide gemeinsam feiern würden. Ganz naiv gesprochen: Sie hätten sich wahrscheinlich viel zu erzählen.