Anzeige
Anzeige

1. Bundesliga Bundesligaanalyse - Das Trainerkarussell

Schon fünf Bundesligisten haben in dieser Saison den Trainer gewechselt, Kaiserslautern will einen anderen Weg gehen. Welche Entlassungen haben überhaupt Positives bewirkt. Wir haben zum Rechenschieber gegriffen und das mal analysiert.

Sechs Trainerwechsel hat es in der laufenden Bundesligasaison bisher gegeben. Der HSV, Hoffenheim, Schalke, Freiburg und Hertha BSC gleich zweimal haben ihren Chefcoach ersetzt. Fern liegt es uns, nach einem einzigen Spiel gleich den Stab über Otto Rehhagel zu brechen, aber eine zumindest vorläufige Bilanz der anderen Entlassungen lässt sich ziehen.

Gehen wir die fünf Clubs einmal im Einzelnen durch. Dazu vergleichen wir zunächst die Bilanz der entlassenen Trainer mit der der Nachfolger, stellen aber insbesondere die Spiele gegen die gleichen Gegner in Hin- und Rückrunde einander gegenüber. Beispiel HSV: Michael Oenning hat aus den ersten sechs Saisonspielen einen Punkt geholt. Wie war Thorsten Finks Bilanz aus den Rückrundenspielen gegen die gleichen Clubs?

Hamburger SV: Thorsten Fink für Michael Oenning
Bilanz Oenning: 7 Pflichtspiele (1-1-5), Punkteschnitt Bundesliga: 0,17.
Bilanz Fink: 16 Pflichtspiele (5-8-3), Punkteschnitt Bundesliga: 1,43.
Punktevergleich gegen die gleichen Gegner: Oenning 1, Fink 8.

Eine einfache Sache. Sportlich hat sich dieser Personalwechsel fraglos rentiert, auch besitzt der HSV mit Fink eine Perspektive für die nächste Zeit, wenn man mehr Geduld mit ihm zeigt als mit seinen Vorgängern der letzten zehn Jahre. Interessante Details springen im Vergleich Finks mit Oenning zudem ins Auge: Sechsmal ging der HSV unter Oenning in Fühung, holte daraus aber nur einen Sieg, im Pokal in Oldenburg. In der Ära Fink gerieten die Rothosen zehnmal in Rückstand, verloren aber nur drei Spiele.

Dass diverse Profis seit dem Trainerwechsel Leistungssprünge gemacht haben, ist ebenfalls offenkundig. Aber es lässt sich auch mit einer einfachen Formel zusammenfassen: Unter Oenning spielte der HSV klar unter seinen Möglichkeiten, unter Fink am oberen Limit. Und was will man von einem Trainer mehr?

Fazit: Frank Arnesen hat alles richtig gemacht - zumindest im zweiten Anlauf...

Schalke 04: Huub Stevens für Ralf Rangnick
Bilanz Rangnick: 10 Pflichtspiele (5-1-4), Punkteschnitt Bundesliga: 1,5.
Bilanz Stevens: 25 Pflichtspiele (16-4-5), Punkteschnitt Bundesliga: 2,0.
Punktevergleich gegen die gleichen Gegner: Rangnick 9, Stevens 10. 

Der Trainerwechsel erfolgte bekanntlich nicht aus sportlichen, sondern aus gesundheitlichen Gründen, weshalb es nicht darum gehen kann, die Veränderung an sich zu bewerten. Wohl aber die Wahl von Stevens als Ersatz für Rangnick. Und die war exzellent. Denn bei allen Verdiensten Rangnicks zeigt der Blick auf die Ergebnisse, dass Schalke sich unter dem Niederländer noch einmal deutlich verbesserte und mehr Konstanz zu zeigen vermochte.

Allerdings schaffte auch Stevens es nicht, die Schwäche der Knappen gegen Topteams abzustellen. Niederlagen gegen Dortmund, zweimal Mönchengladbach und Bayern sprechen hier eine deutliche Sprache und verheißen auch für den Moment nichts Gutes, in dem Schalke in der Europa League zum ersten Mal auf einen wirklich namhaften Gegner trifft.

Fazit: Stevens holt mehr aus seinem Kader heraus als Vorgänger Rangnick. Gemessen an den Möglichkeiten sogar fast das Optimum.

Hertha BSC: Michael Skibbe für Markus Babbel, Otto Rehhagel für Michael Skibbe
Bilanz Babbel: 19 Pflichtspiele (6-8-5), Punkteschnitt Bundesliga 1,18.
Bilanz Skibbe: 5 Pflichtspiele (0-0-5), Punkteschnitt Bundesliga 0,0.
Bilanz Rehhagel: 1 Pflichtspiel (0-0-1), Punkteschnitt Bundesliga 0,0.
Punktevergleich gegen die gleichen Gegner: Babbel 5, Skibbe 0/Babbel 1, Rehhagel 0. 

Wie auf Schalke war der erste Trainerwechsel in Berlin nicht sportlichen Problemen geschuldet, sondern unüberbrückbaren musikalischen Differenzen, wie man bei einer Bandauflösung sagen würde. Also bestand Michael Skibbes Aufgabe weniger darin, Babbels Bilanz zu verbessern als vielmehr die gute eineinhalbjährige Arbeit seines Vorgängers fortzusetzen.

Daran scheiterte er zwar spektakulär, allerdings in einem so kurzen Zeitraum, dass die zweite Entlassung der Hertha-Saison schon als Panikreaktion erschien. Gut möglich, dass Skibbe die Kurve nicht mehr gekriegt hätte. Aber an seiner Stelle einen Pensionär zu holen, der seit mehr als zehn Jahren keine Clubmannschaft mehr trainiert hat und weder Vorbereitungszeit noch personelle Optionen hat, da die Transferperiode schon vorbei ist?

Wenn man im Fall Skibbes schon meint, dass fünf Spiele etwas knapp seien, um die Arbeit eines Trainers zu beurteilen, dann muss man Rehhagel allerdings mindestens die gleiche Zeit geben, um die Mannschaft auf den richtigen Weg zu bringen - zumal er anders als Skibbe kein Trainingslager und keine Testspiele zur Verfügung hatte.

Fazit: Das Best Case-Szenario heißt Klassenerhalt und ein neuer Trainer mit Perspektive im Sommer. Auch dann müsste aber die Leitung des Clubs in Frage gestellt werden, weil sie es zugelassen hat, dass einer mutmaßlich persönlichen Differenz zweier Angestellter eine Abwärtsspirale katastrophalen Ausmaßes folgte, die Hertha um Jahre zurückwerfen könnte.

SC Freiburg: Christian Streich für Marcus Sorg
Bilanz Sorg: 18 Pflichtspiele (3-4-11), Punkteschnitt Bundesliga: 0,77.
Bilanz Streich: 6 Pflichtspiele (1-2-3), Punkteschnitt Bundesliga: 0,83.
Punktevergleich gegen die gleichen Gegner: Sorg 4, Streich 5.

Ein klassischer Wechsel zur Winterpause, um von einem Abstiegsplatz aus noch die Klasse zu halten. Einher ging der Trainerwechsel mit einem großen Umbau der Mannschaft, der vereinzelt positive Wirkung hatte, wie beim Sieg gegen Augsburg oder dem Spiel gegen die Bayern, gerade auswärts aber auch keinen echten Aufwärtstrend erkennen lässt.

Der geringe Unterschied in den Ergebnissen wird auch durch den direkten Vergleich der Streich-Spiele mit Sorgs Bilanz gegen die gleichen Gegner in der Hinrunde untermauert. Sorg holte vier Punkte gegen die sechs Clubs, gegen die Streich jetzt fünf einsammelte. Macht hochgerechnet einen Unterschied von knapp drei Punkten in der Halbserie.

Fazit: Freiburgs Kader ist nicht zwingend gut genug, um die Klasse zu halten - weder der der Hinserie noch der aktuelle. Streich scheint eine vernünftige Wahl im Rahmen der Möglichkeiten des Clubs. Ob es mit Sorg nicht unterm Strich ähnlich gelaufen wäre, bleibt aber offen.

TSG Hoffenheim: Markus Babbel für Holger Stanislawski
Bilanz Stanislawski: 24 Pflichtspiele (9-6-9), Punkteschnitt Bundesliga: 1,2.
Bilanz Babbel: 3 Pflichtspiele (1-2-0), Punkteschnitt Bundesliga: 1,67.
Punktevergleich gegen die gleichen Gegner: Stanislawski 6, Babbel 5. 

Stanislawski wurde weniger die Lage des Clubs in der Tabelle zum Verhängnis, denn die war nicht so schlecht, sondern die negative Tendenz der Leistungen der Mannschaft und seine anscheinende Unfähigkeit, positive Aufbruchstimmung im Kader zu wecken - wie sein einst legendärer Reboot in St. Paulis Aufstiegssaison.

Da Hoffenheim inzwischen kein Modellprojekt mehr dafür ist, wie man alles anders machen sollte, sondern ein normaler Bundesligaclub, musste Stani also gehen. Mit Markus Babbel wurde ein namhafter Nachfolger gefunden, der in seinen ersten drei Spielen jedoch die Probleme der Mannschaft zu potenzieren schien: In allen drei Begegnungen wurde eine Führung verspielt, wie so oft unter Stanislawski.

Dann aber der mögliche Durchbruch, als Hoffenheim trotz Ausgleich und nicht gegebenem Tor in Wolfsburg gewann? Kann sein, kann aber auch nur eine Momentaufnahme gewesen sein. Schließlich holte Stanislawski in der Hinrunde gegen Wolfsburg und Mainz sogar sechs Punkte, noch mehr als Babbel jetzt.

Fazit: Zu früh für eine Beurteilung. Stanislawskis Entlassung macht aber nur Sinn, wenn die TSG schnell wieder Abstand nimmt vom Stuttgarter Modell, in dem Trainer bei der ersten Krise immer gleich gefeuert werden.

Daniel Raecke

sportal.de sportal

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel