DFB-Präsident Bernd Neuendorf kämpft an drei Fronten: Er muss die Nationalelf nach der verkorksten WM wieder auf Vordermann bringen, dazu das Verhältnis zwischen Fans und Mannschaft neu kitten und einen Nachfolger für Oliver Bierhoff als Geschäftsführer des Nationalteams finden – und das alles mit der Heim-EM 2024 vor Augen, die möglichst zu einem neuen Sommermärchen werden soll.
Hilfe bei den großen Aufgaben erhofft sich Neuendorf von einem neu zusammengestellten Expertenrat. Dessen Mitglieder: Ex-Bayern-München-Boss Karl-Heinz Rummenigge, 67, FC-Bayern-CEO Oliver Kahn, 53, BVB-Berater Matthias Sammer, 55, Leverkusen-Inventar Rudi Völler, 62, und Red-Bull-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff, 47 (der stern berichtete).
Die Kritik an dem Personal folgte auf dem Fuße. "Jetzt hat man die Leute, die schon immer im Fußball waren, die die Geschicke in den letzten Jahren gelenkt haben. Die Diversität wird komplett auf Seite gestellt", beklagte zum Beispiel Fußball-Nationaltorhüterin Almuth Schult in der ARD. Der stern kommentierte: "Neuendorf hat es mit deren Berufung versäumt, auch personell ein Signal für einen echten Neuanfang zu setzen." Der DFB drohe einmal mehr, im eigenen Saft vor sich hinzuschmoren und Innovationen auszuschließen.
Pressestimmen zum DFB-Expertenrat
Auch in den Kommentarspalten anderer Medien fällt das Echo auf den DFB-Expertenrat mit wenigen Ausnahmen ablehnend aus. Die Presseschau zum Thema:
"Kicker"(Nürnberg): "Die spontane Kritik an der Zusammenstellung beruht nun unter anderem auf der Feststellung, die Runde sei 'zu alt' oder 'zu männlich'. Das ist natürlich Unfug! Hier geht es schließlich nicht um Repräsentanz, sondern um Beratung. Und folglich nicht um Diversität. Dass Neuendorf allein auf die Kompetenz der Beteiligten abzielt, ist vielmehr Grundvoraussetzung für ein Gelingen. Infrage stellen lässt sich allerdings, welches Maß an Energie Macher wie Mintzlaff oder Kahn tatsächlich in die DFB-Beratung stecken können neben den höchst intensiven Fulltime-Jobs, die sie hauptberuflich ausüben. Dass sich daraus sogar Interessenkonflikte ergeben, wäre zwar theoretisch möglich, ist aber praktisch unwahrscheinlich. Eine erfolgreiche Nationalmannschaft darf als gemeinsames Anliegen der Berater sowie der hinter ihnen stehenden Klubs angenommen werden."
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"Spiegel Online"(Hamburg): "Frische, ganz neue Ideen, Anstöße von außen – es wäre ein Wunder, wenn das aus diesem Gremium käme. Alle von ihnen sind im Klubfußball kompetent, das ist unbestritten. Sie managen erfolgreiche Klubs, oder haben es getan, aber sie haben immer nach dem Prinzip gelebt: Wenn es sportlich mal nicht läuft, dann wird viel Geld in die Hand genommen, und es wird eingekauft. Sie stehen ausschließlich für einen Fußball, der Profitmaximierung in den Vordergrund stellt und nicht die nachhaltige Förderung von Nachwuchs."
"Sport 1"(München): "Eine mutige Wahl sieht in der Tat anders aus! Die Vielfältigkeit fehlt beim Blick auf fünf Personen, die beim FC Bayern München, Bayer Leverkusen, RB Leipzig und Borussia Dortmund tätig sind oder es waren. Wo sind die unbequemen Geister, die etwas tiefer bohren, andere Fragen stellen? Erneuerung? Bitte nicht zu viel davon. Dabei hat ein frischer Wind mit unverbrauchten Gesichtern dem DFB vor fast zwei Jahrzehnten sehr gutgetan."
"Süddeutsche Zeitung"(München): "Dass in Kahn der aktive CEO des FC Bayern und in Mintzlaff der neue starke Mann des Red-Bull-Imperiums nun den DFB beraten, ließ am Dienstag in Frankfurt ein paar berechtigte Fragen aufkommen, über mögliche Interessenskonflikte zum Beispiel, die es im neuen DFB ja nicht mehr geben soll. Aber die konterte Bernd Neuendorf ausgerechnet mit einer Einschätzung des Rekord-Nationalspielers und Katar-Botschafters Lothar Matthäus. Der findet die neue DFB-Gruppe nämlich eindrucksvoll: 'Viel mehr geht nicht!' Na dann."
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Die externe DFB-Beratergruppe, die in ihrer Homogenität weitgehend aus den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts in den DFB-Campus des 21. Jahrhunderts gebeamt worden scheint, könnte dennoch nützlicher sein, als in sozialen Netzwerken jetzt gespottet wird. In der Fünfergruppe vereinigt sich, wenn auch auf alles andere als vielfältige Weise, die Kraft der wichtigsten deutschen Klubs."
"Tagesspiegel"(Berlin): "Viel homogener hätte die Gruppe kaum aussehen können: keine Frauen, kein Migrationshintergrund, ein Altersschnitt von 57 Jahren. So soll also der Neuaufbruch der Nationalmannschaft aussehen? Dabei hätte es frischere Kandidaten gegeben, deren Blick durchaus hätte bereichernd sein können (...) So bleibt das Gefühl, dass der DFB eine große Chance liegen lässt."
"Berliner Zeitung":"Für die Auswahl der in ihrer öffentlichen Wirkung weit prominenteren Gruppe hat Neuendorf in Zusammenarbeit mit Ligaboss Hans-Joachim Watzke jedenfalls keine Strategie der Anbiederung oder des Ausgleichs verfolgt. Andernfalls hätten sie zumindest eine Frau jüngeren Jahrgangs in den Beraterkreis aufgenommen, um wenigstens den Anschein von Diversität zu wahren und dem Expertenstab einen Anstrich von Modernität zu geben. Und sie hätten auf Oliver Mintzlaff verzichtet. Denn bei dem jüngst von RB Leipzig in die Konzernspitze von Red Bull aufgestiegenen ehemaligen Leichtathleten handelt es sich keineswegs um eine Figur, mit der man den deutschen Fußball wieder näher an die Gefühlswelt der Basis heranführen wird."