DFB-Pokal DFB-Pokal-Halbfinale - Gladbach empfängt die Bayern

Wenn die Bayern im Halbfinale auf Gladbach treffen, werden Erinnerungen an 1984 wach. Die Münchner gewannen das Finale gegen die Fohlen-Elf erst im Elfmeterschießen und Lothar Matthäus bekam sein Judas-Image verpasst. Wir erinnern auch an die Tränengasbome in Gladbach, Joker Hans-Jörg Criens sowie Olaf Thon.

Zum dritten Mal in dieser Saison treffen die Bayern und Borussia Mönchengladbach aufeinander. Es ist vielleicht das entscheidendste Spiel zwischen beiden Teams, denn der Sieger zieht ins Finale des DFB-Pokals ein. Die Paarung weckt natürlich Erinnerungen an das Jahr 1984, als sich beide Mannschaften im Finale trafen.

Zuvor hatte es zwei Halbfinal-Spiele gegeben, die unbestritten zum Besten gehören, was dieser Wettbewerb hervorgebracht hat. Die Münchner setzten sich nach einem 6:6 erst im Wiederholungsspiel gegen den FC Schalke 04 durch, bei denen der 18-jährige Olaf Thon seinen großen Durchbruch schaffte. Die Gladbacher hatten große Mühe mit Werder Bremen und es war im wahrsten Sinne des Wortes eine heiße Angelegenheit.

Geschichtsträchtig war auch die Entscheidung im Finale 1984, denn die Bayern gewannen im Elfmeterschießen und es war die Premiere dieser Art der Entscheidung. Der Leidtragende hieß Lothar Matthäus, der durch einen verschossenen Strafstoß als ewiger Judas am Niederrhein gebrandmarkt wurde. Wir erinnern an das vielleicht aufregendste Jahr in der DFB Pokal-Geschichte.

Halbfinale: FC Schalke 04 – FC Bayern München

Am 02. Mai 1984 trafen sich beide Teams im Parkstadion und es sollte zu einem Abend kommen, der das Prädikat Weltklasse im Vergleich zum inflationären Gebrauch heutiger Tage wirklich verdient hatte. Schalke spielte damals in der zweiten Liga, verfügte allerdings bei Akteuren wie Bernard Dietz, Klaus Täuber, Thomas Kruse oder Klaus Berge über eine starke Truppe.

Dennoch gingen die Bayern als haushoher Favorit in das Match. Das mag ein Grund dafür gewesen sein, dass das ZDF erst nach gut zwölf Minuten die Übertragung startete - erstmals wurden beide Halbfinal-Spiele im TV gezeigt. Zu diesem Zeitpunkt stand es bereits 2:0 für die Gäste und die Partie schien entschieden. Doch dann nahm der geschichtsträchtige Abend seinen Lauf.

Innerhalb von sieben Minuten glichen die Schalker aus und der gerade erst 18 Jahre alt gewordene Olaf Thon markierte das 2:2. "Die Bayern zogen sich zurück, (…) wahrscheinlich dachten sie, dass sie die verbleibenden 78 Minuten auf Konter spielen können“, erklärte Thon bei 11 Freunde den Verlauf. Trotzdem gingen die Münchner in der 20. Minute durch einen Treffer von Michael Rummenigge wieder in Führung.

Erneut Thon (61.) sowie Peter Stichler (72.) drehten dann das Match. Die Bayern antworteten in Person von Michael Rummenigge (80.) und es ging in die Verlängerung. Dieter Hoeneß brachte Bayern in der 112. Minute einmal mehr in Führung und für ZDF-Kommentator Eberhard Figgemeier sollte es nicht zum letzten Mal die "endgültige Entscheidung" sein.

Denn nach dem Ausgleich durch Bernard Dietz war es erneut Hoeneß, der zwei Minuten vor dem Ende zum 6:5 traf. "Das ist die endgültige Entscheidung“, war sich Figgemeier wiederum sicher, der später im ZDF legendär verkündete: "Was dieses fantastische Spiel an Werbung für den Fußball gebracht hat, ist nicht wieder gutzumachen!“

Eine Entscheidung sollte trotz des figgemeier'schen Unkens an diesem Abend nicht fallen. Denn Thon traf in der Nachspielzeit mit seinem dritten Tor zum 6:6. Da es in den DFB-Statuten keine Lösung für ein Remis nach Verlängerung gab, kam es zu einem Wiederholungsspiel in München, das die Bayern mit 3:2 gewannen. Nach dem 6:6 war es übrigens Rolf Töpperwien, der den jungen Thon als Bayern-Fan outete und ihn darauf ansprach, dass er in Bayern-Bettwäsche nächtigen würde.

Halbfinale: Borussia Mönchengladbach – SV Werder Bremen

Im zweiten Spiel des Wettbewerbs kam es am Bökelberg zum Aufeinandertreffen zwischen Gladbach und Werder. Der Vierte der Tabelle traf auf den Fünften und so entwickelte sich zunächst eine ausgeglichene Begegnung. Die Gladbacher gingen in Führung, dem 1:0 durch Lothar Matthäus folgte dann der Ausgleich durch Norbert Meier.

Es blieb eine enge Geschichte, aber die Pausenführung der Fohlen – Norbert Ringels hatte auf 2:1 erhöht – sollte nicht für sichere Gewissheit bei den Gastgebern sorgen. Den ersten Höhepunkt im zweiten Durchgang setzte ein Fan des SV Werder, dem die Nerven versagten. Eine Rauchbombe wurde auf das Spielfeld geworfen und sorgte für allerhand Irritationen.

Denn Wolfgang Sidka, Uwe Rahn und auch Ulrich Sude ließen sich zu Boden fallen und als sie die Hände vors Gesicht schlugen, gab es die Gewissheit, es handelte sich um Tränengas. "Hier droht der Abbruch", erklärte Kommentator Heribert Fassbender und der Stadionsprecher verkündete: "Sie sehen, was sie damit angerichtet haben meine Damen und Herren."

Unruhe kam auf, zudem kam es zu Tumulten auf dem Platz, da Michael Frontzeck Bremens Trainer Otto Rehhagel, der auf den Platz geeilt war, anrempelte. Nach einer kurzen Pause und eines Polizeieinsatzes auf den Rängen wurde aber weitergespielt. Als Uwe Rahn nach 76 Minuten das 3:1 erzielte, schien eine Vorentscheidung gefallen.

Heribert Fassbender erklärte damals schon: "Das ist mehr als eine Vorentscheidung." Damit sollte sich das Urgestein der Fußballunterhaltung allerdings irren und alle hanseatischen Pessimisten mussten sich auch nur eine Minute im Schockzustand wähnen. Denn ihr Team drehte innerhalb von sechs Minuten das Match.

Benno Möhlmann (77.), Wolfgang Sidka (80.) und Uwe Reinders (82.) verwandelten den 2:3-Rückstand in eine 4:3-Führung. Bremen schnupperte am Sieg, erlebte aber nur die Geburtsstunde des Jokers Hans-Jörg Criens, der in der fünften Minute der Nachspielzeit erst zum 4:4 traf und dafür sorgte, dass die ARD die Tagesschau auf Warteschleife setzte.

In der nun folgenden Verlängerung brachte Criens eine scharfe Borowka-Flanke mustergültig unter Kontrolle und setzte mit dem 5:4 den Schlusspunkt. Damit war auch sein Joker-Image geboren, denn für Criens waren es nicht die letzten Tore, die er nach einer Einwechslung erzielte.

Finale: Bayern München – Borussia Mönchengladbach

Das Finale im Frankfurter Waldstadion konnte den beiden Halbfinals an Dramatik nicht folgen. Beide Teams zeigten durchaus guten Fußball, die Spannung und Dramatik der zuvor gesehenen Spiele fand aber keine Wiederholung. Legendär wurde es trotzdem und das lag daran, dass Lothar Matthäus bereits bei den Bayern unterschrieben und die Fohlen-Fans vor seinem letzten Auftritt damit gegen sich aufgebracht hatte.

Gladbachs Coach Jupp Heynckes hatte wenig Mitleid mit seinem jungen Mittelfeldspieler und schickte ihn auf die Position des Rechtsverteidigers. Für Matthäus begann ein Spießrutenlauf, denn auf der ihm fremden Position wirkte er über die gesamte Spielzeit dezent überfordert. Die Bayern erwischten auch den besseren Start, die Führung erzielten aber die Gladbacher.

Matthäus hatte einen Eckball von der rechten Seite in den Strafraum geschlagen und Frank Mill einen Kopfball wunderbar in den Winkel gewuchtet (33.). Die Bayern rannten die restliche Spielzeit dem Rückstand hinterher, vergaben dabei eine Vielzahl an guten Gelegenheiten. Erst in der 83. Minute fiel der Ausgleich, nachdem Reinhold Mathy nur den Pfosten traf, Wolfgang Dremmler den Abpraller aus spitzem Winkel verwertete.

Die Verlängerung brachte wenig Höhepunkte und so musste das Elfmeterschießen entscheiden. Matthäus wollte aus verständlichen Gründen nicht antreten, doch Jupp Heynckes kannte keine Gnade. "Lothar, du schießt", erklärte der Coach laut 11 Freunde. "Heute schieß ich keinen", antwortete der Spieler.

Heynckes ließ sich nicht beirren, war jedoch so gnädig, Matthäus die Wahl zu lassen, an welcher Stelle er antreten wolle. Der künftige Bayern-Profi wählte die Eröffnungsvariante und scheiterte mit einem Schuss, der über den rechten Torwinkel strich. Da auch Klaus Augenthaler auf Seiten der Bayern verschoss, war es zwar nicht der entscheidende Elfmeter.

Nach der 6:7-Niederlage der Gladbacher – Norbert Ringles traf beim Stand von 6:6 nur den Pfosten – wurde Matthäus dennoch zur Persona non grata am Niederrhein erklärt. Es war der Abschluss einer fantastischen DFB-Pokal-Saison und vielleicht können beide Teams auch in diesem Jahr für ein Match sorgen, über das wir in einigen Jahrzehnten erneut mit Begeisterung berichten.

Gunnar Beuth

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