Wiedergutmachung. Unter diesem Motto stand das Achtelfinal-Hinspiel der Bayern beim FC Basel in der Champions League. Wiedergutmachung für das trostlose 0:0 gegen Freiburg in der Bundesliga vom vergangenen Wochenende. Die Führungsriege um Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge hatte den Spielern Anfang der Woche in der Kabine noch einen kleinen Besuch abgestattet, ihnen die Leviten gelesen - und an die Ehre appelliert. Franck Ribéry fand das gut. Bei ihm sei die Botschaft angekommen, sagte der Franzose kurz vor dem Abflug. Und wirklich: In den ersten Momenten der Partie rollten gleich reihenweise wütende Angriffe der Bayern auf das Tor des Schweizer Meisters zu. Fast immer daran beteiligt: Franck Ribéry.
Auch die anderen Spieler, die zuletzt fast ausschließlich unter ihren Möglichkeiten geblieben waren, hatten sich die Worte ihrer Bosse zu Herzen genommen. Das Starensemble von Trainer Jupp Heynckes präsentierte sich zunächst mit viel mehr Engagement - besonders auch im läuferischen Bereich. Folgerichtig gab es auch Chancen, wie die von Ribéry aus der elften Minute, die Basels Torwart Jan Sommer mit einer Weltklasse-Parade vereitelte. Sie wollten unbedingt die Scharte von Freiburg auswetzen, das merkte man schon. Aber man merkte den Bayern eben auch die Verunsicherung an. Die vergangen Tage mit all der öffentlichen Kritik hatten ihre Spuren hinterlassen.
Das gesamte Umschaltverhalten war mangelhaft, die Defensivleistung vor allem in der ersten Hälfte geradezu katastrophal. Jerome Boateng und Holger Badstuber, die beiden Innenverteidiger, gerieten beinahe im Minutentakt in Verlegenheit. Der FC Basel hatte unglaubliche Gelegenheiten, um in Führung zu gehen. Aber entweder rettete der gute Manuel Neuer, oder das Aluminium bewahrte die Münchner vor einem Rückstand. Es war ein merkwürdiger Kampf, den sich die Mannschaften lieferten. Taktik spielte keine Rolle, beide Teams stürmten einfach nur drauf los. Es war ein Champions-League-Spiel auf Europa-League-Niveau.
Goldenes Tor auf dem Silbertablett
Auch die Großkopferten der Bayern oben auf der Ehrentribüne wussten nicht so recht, wie sie das alles finden sollten. Als der Halbzeitpfiff im Basler St. Jakob-Park ertönte, erhob sich ein Trio gleichzeitig von den Sitzen. Während sich Franz Beckenbauer und Klubboss Karl-Heinz-Rummenigge mit ernster Mine beinahe synchron die Nasen schnäuzten und einen leicht verschnupften Eindruck machten, unterhielt sich Uli Hoeneß auf dem Weg in die Pause angeregt und freundlich mit einem Schweizer Fan. Die von den Bayern-Chefs geforderte und von den Bayern-Spielern angekündigte Wiedergutmachung interpretierte zu diesem Zeitpunkt jeder auf seine Weise.
Vier Minuten vor dem Ende der Partie hatte sich dann aber auch der Gesichtausdruck von Uli Hoeneß verfinstert. Alles schien eigentlich auf ein torloses Remis hinauszulaufen, was den Bayern eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel verschafft hätte. Daraus wurde deshalb nichts, weil die Münchner Hintermannschaft ein letztes Mal an diesem Abend ihre Arbeit einstellte - und den FC Basel freundlicherweise in der Schlussphase dieser Begegnung doch noch beschenkte. Der Treffer des eingewechselten Valentin Stocker aus der 86. Minute war das Goldene Tor - von den Bayern gewissermaßen auf dem Silbertablett serviert. Es grenzte an Arbeitsverweigerung, was die Münchner in dieser entscheidenden Szene in ihrem Defensivverbund ablieferten. Sie ließen die Schweizer, bei denen der zukünftige Bayern-Spieler Xherdan Shaqiri einen guten Eindruck hinterließ, solange kombinieren und an sich vorbei spazieren, bis es zu spät war und Stocker völlig freistehend zum Schuss kam. Manuel Neuer war chancenlos. Kurz danach war Schluss - und die Krise bei den Bayern endgültig da.
Hoeneß rastet aus
In München leben sie den Traum vom Königsklassen-Endspiel im eigenen Stadion am intensivsten, aber nach dem 0:1 gegen Basel könnte der schon nach dem Achtelfinale frühzeitig platzen. Aber was heißt hier eigentlich 'Champions-League-Finale'? Nach der Leistung von Basel verbietet es sich für jeden Bayern-Angestellen von selbst, dieses Wort in den Mund zu nehmen. Abgesehen von einer dilettantischen Abwehr um die beiden Stellungsspiel-Tölpel Boateng und Badstuber fiel der deutsche Rekordmeister nach gutem Start beeindruckt von der Offensivpower und Willensstärke der Schweizer erneut in alte Muster zurück. Im Mittelfeld wurde zudem ein Spieler vermisst, der den Aktionen Struktur hätte geben können. Wo war eigentlich Toni Kroos? Die fehlende Zielstrebigkeit vor dem gegnerischen Tor nach nur vier Siegen in den letzten zwölf Auswärtsspielen war ein weiteres Manko. Ein Vorwurf, den sich in erster Linie Mario Gomez anhören muss. Aber auch Arjen Robben oder Kapitän Philipp Lahm, den Ex-Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld nach der Partie wegen seiner nüchternen Art und reservierten Spielweise scharf kritisierte, enttäuschten.
Auf Trainer Jupp Heynckes und seine Mannschaft kommen nun noch ungemütlichere Zeiten zu. Einen kleinen Vorgeschmack gab es schon unmittelbar nach Spielschluss, als sich erneut Karl-Heinz-Rummenigge und Finanzvorstand Karl Hopfner in der Kabine einfanden und die nächste Brandrede hielten. Vorausgegangen war ein heftiger Wortwechsel zwischen Jerome Boateng, Holger Badstuber und Thomas Müller, in dem es um das Abwehverhalten vor dem 0:1 gegangen sein soll. Auch intern scheint es also nicht zu stimmen. Wie schlecht es um das Nervenkostüm der Bayern bestellt ist, beweist auch der Ausraster von Uli Hoeneß gegenüber einem Fernseh-Reporter. Gefragt nach Franck Ribéry, der bei seiner Auswechslung Jupp Heynckes ignoriert hatte, blaffte der Präsident: "Hört auf mit eurem Scheiß-Handschlag. Wenn ich auf mich und auf das Spiel sauer bin, dann gebe ich halt mal keinen Handschlag. Das ist doch scheißegal. Sind wir denn hier im Mädchen-Pensionat?" Am Aschermittwoch ist normalerweise alles vorbei. Beim FC Bayern geht es jetzt erst richtig los.