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Handball-EM 2018 DHB-Team: Was in den letzten Sekunden alles schieflief - auch Trainer Prokop in der Kritik

Handball Bundestrainer Christian Prokop
Bundestrainer Christian Prokop schwört die deutschen Spieler auf der Ersatzbank ein
© Monika Skolimowska/DPA
Die gute Nachricht für die deutschen Handballer: Noch ist alles drin in der EM-Hauptrunde. Doch die glücklichen Punktgewinne gegen Slowenien und Mazedonien werfen ein paar Fragen auf. Im Mittelpunkt: Coach Christian Prokop.

Zwei Mal Unentschieden, zwei Mal mit 25:25 sogar das exakt gleiche Ergebnis. Doch während sich die deutschen Handballer nach dem Punkt gegen Slowenien noch erleichtert abklatschten, überwogen nach dem Auftritt gegen Mazedonien Frust und Enttäuschung. "Ich bin einfach unglaublich sauer gerade", schimpfte Torwart Andreas Wolff. Und Steffen Weinhold, mit sieben Toren noch der beste deutsche Akteur, erklärte im "Sportschau"-Interview: "Das war gestern ein verlorener Punkt, wir müssen definitiv besser spielen."

Nach der Vorrunde hat der Katzenjammer im DHB-Team eingesetzt. Die mit viel Vorschusslorbeeren zur Europameisterschaft gereisten "Bad Boys" hatten die hohen Erwartungen lediglich zum Auftakt gegen Montenegro (32:19) erfüllen können. Bereits die Leistung gegen Slowenien war nicht überzeugend, da überlagerte die dramatische Schlussphase samt Videobeweis und Siebenmeter noch eventuell aufkommende Kritik. Doch nach dem Auftritt vom Mittwoch gibt es selbst innerhalb der Mannschaft Diskussionsbedarf. Erneut kam die deutsche Auswahl nur schwer ins Spiel, vor allem in der Offensive fehlte es an Kreativität und Ideen. Kein Tempo, keine Variabilität. Leichte Tore wurden fahrig verschenkt. Immerhin stand die Defensive nach der Nachnominierung von Finn Lemke deutlich stabiler, die Galligkeit und Körperlichkeit, die gegen Slowenien noch vermisst wurden, waren zurück.

Redebedarf beim deutschen Team herrschte vor allem aufgrund der verpatzten Schlusssekunden. DHB-Vizepräsident Bob Hanning kritisierte: "Die letzte Aktion war einfach nicht gut genug. Da haben wir den Sieg leichtfertig vergeben." Auch Christian Prokop war genervt: "Wir spielen zu undiszipliniert die letzte Szene", sagte der Bundestrainer verärgert. "Da haben wir mit Sicherheit keine glückliche Entscheidung getroffen. Da gibt es andere Lösungen, die besser gewesen wären."

DHB-Auswahl: Auszeit verpufft wirkungslos

Womöglich aber war es gerade Prokop, der durch sein Coaching in den Schluss-Sekunden den Sieg verschenkt hat. Nach der überragenden Parade von Silvio Heinevetter waren die deutschen Spieler drauf und dran, mit einem schnellen Gegenzug die noch ungeordnete Abwehrformation der Mazedonier zu überwinden. Doch Prokop unterband den schnellen Gegenzug, indem er seine letzte Auszeit nahm.

Die Ansagen, die der deutsche Trainer seinem Team dann für die verbleibenden elf Sekunden machte, verpufften allerdings wirkungslos. Am Ende, so hatte es den Anschein, schienen selbst die Spieler nicht so recht zu wissen, wie denn nun der letzte Angriffszug ausgespielt werden sollte.

Auf Twitter jedenfalls, wo die Spiele der deutschen Mannschaft intensiv diskutiert werden, war die Auszeit des Bundestrainers ein Thema.

Insgesamt fällt auf: Prokops Auszeiten sind sehr analytisch und durchaus souverän, wirken für den TV-Zuschauer, der die Anweisungen live am Bildschirm verfolgen kann, mitunter aber etwas überfrachtet. Damit muss man als Mannschaft zurecht kommen.

"Wir sind als Europameister angereist, da gibt es nicht viel zu gewinnen"

Die Diskussionen wären vermutlich noch lauter, wenn Silvio Heinevetter mit seiner Monsterparade nicht die Führung der Mazedonier bei deren letztem Angriff verhindert hätte. Auch da hatte es zuvor eine Auszeit gegeben, auch da hat Prokop seine Abwehr auf den letzten Angriff des Gegners eingeschworen. Und auch da wirkte das Verhalten der deutschen Deckungsspieler bei angezeigtem Zeitspiel erstaunlich ungeordnet. 

Was an Prokop und Hanning heraussticht: Beide verstecken sich nicht, sondern gehen offen und selbstkritisch mit dem unbefriedigenden Ausgang der Vorrunde um: "Wir sind als Europameister angereist, da gibt es nicht viel zu gewinnen. Vielleicht sind wir deswegen weniger unbeschwert", sagt Prokok. Bob Hanning fordert: "Wir müssen zusehen, dass wir die PS, die die Mannschaft hat, auf die Straße bringen."

Dazu hat das Team in der Hauptrunde jetzt noch drei Gelegenheiten. Allerdings warten mit Tschechien, Olympiasieger Dänemark und dem Dauer-Rivalen Spanien echte Kracher auf die "Bad Boys". Und in allen drei Spielen geht es um "Tod oder Gladiolen", wie es Fußballtrainer Louis van Gaal einst formuliert hat.

Für Kreisläufer Patrick Wiencek ist das eher ein Ansporn. "Vor zwei Jahren hat man gesehen, was mit zwei Punkten in der Hauptrunde möglich ist." Damals wurde Deutschland Europameister.

    

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