Das Welttennis ist ganz klar in den Händen der großen Drei. Daran hat sich auch 2012 nichts geändert und findet daher auch seinen Niederschlag in unserem Power Ranking. Mit deutlichem Vorsprung liegen Novak Djokovic, Rafael Nadal, Roger Federer auch hier an der Spitze. Doch Andy Murray setzt dank verbesserter mentaler Einstellung zum Sprung an.
Doch wer positioniert sich dahinter? Wer scheint nach dem bisherigen Saisonverlauf am ehesten in der Lage in die Phalanx dieses Quartetts einzubrechen? Wir haben das erste Power Ranking der noch jungen Saison aufgestellt und ziehen vor allem vor dem kanadischen Benjamin unserer zehn illustren Kandidaten den Hut, der als einziger ATP-Profi in diesem Jahr schon zwei Turniere hat gewinnen können.
Wie im Damen-Ranking haben wir auch bei den Herren die Richtlinien für das Power Ranking ein wenig angepasst. Ab sofort laufen auch hier nur noch die Ergebnisse der vergangenen drei (statt zuvor vier) Turniere in die Berechnung ein und werden abgestuft zu 100, 80 und 60 Prozent gewertet, zudem gilt: Wer in den letzten vier Wochen bei keinem Turnier aktiv war, fliegt raus. Diesmal drin sind folgende zehn Kandidaten:
10. Jo-Wilfried Tsonga (FRA, 26 Jahre, Weltrangliste: 6) / gewertete Turniere: Australian Open (Achtelfinale/180), Doha (Sieger/200) / Power Ranking-Punkte: 380
Das Talent für die Top Four hat Tsonga zweifellos, doch Genie und Wahnsinn lagen beim Franzosen zu oft nah beisammen - vor allem in den zehn im letzten Jahr verlorenen Duellen mit den Topstars. Zuletzt wirkte Tsonga deutlich konstanter. Seine aufsteigende Form aus 2011 mit Turniersiegen in Metz und Wien sowie Finalteilnahmen beim Masters in Paris und den World Tour Finals in London rettete er nach 2012 hinüber. Beim Turniersieg in Doha spielte er stark, doch am Erfolg klebt der Makel der verletzungsbedingten Absage seines Halbfinalgegners Roger Federer. Sein knappes Achtelfinal-Aus in Melbourne gegen Kei Nishikori war zudem zwar spektakulär, offenbarte aber gleichzeitig altbekannte Schwächen. Ob der Weg von Tsonga in die Top Vier führen kann, wird der weitere Saison-Verlauf zeigen.
9. Nicolas Almagro (ESP, 26 Jahre, Weltrangliste: 11) / gewertete Turniere: Sao Paulo (Sieger/ 250), Australian Open (Achtelfinale/144), Auckland (Viertelfinale/27) / Power Ranking-Punkte: 421
Almagro kann zwar auch auf Hardplätzen einigermaßen erfolgreich spielen, Turniere gewinnt er allerdings nur auf Sand. Wenig verwunderlich also, dass er den Sprung in unser Power Ranking in erster Linie einem Erfolg auf seinem Lieblingsbelag verdankt. Der elfte Turniersieg seiner Karriere insgesamt, der bereits dritte in Sao Paulo, machte ihn zum Rekordgewinner der Brazil Open. "Ich war angespannt und nervös, aber ich habe meine Emotionen kontrollieren können. Das ist genau das, was ich von mir verlange, mich in den entscheidenden Momenten unter Kontrolle zu haben, erklärte er laut tennisnews.com. "Es ist gut, ein Turnier zu gewinnen und zu wissen, dass man sogar noch besser spielen kann. Platz neun im Power Ranking muss für ihn also noch lange nicht das Ende der Fahnenstange bedeuten.
8. Milos Raonic (CAN, 21 Jahre, Weltrangliste: 35) / gewertete Turniere: San Jose (Sieger/250), Australian Open (3. Runde/72), Chennai (Sieger/150) / Power Ranking-Punkte: 472
Das gleiche gilt für Milos Raonic. Der Jüngste in unserer Top Ten ist gleichzeitig der einzige ATP-Profi, der in der noch jungen Saison bereits zwei Turniersiege feiern durfte. Er beeindruckte nicht nur mit starkem Service und offensivem Spiel, sondern vor allem damit, wie er mit Druck und Schmerzen umgeht. Als Titelverteidiger war er nach San Jose gereist, gehandicapt von einer im Davis Cup erlittenen Knieverletzung. Schmerzmittel und Entzündungshemmer halfen wenig. "Vor allem, wenn ich abrupt gebremst habe, tat es sehr weh, erklärte Raonic laut canada.com. Doch er biss auf die Zähne und verteidigte seinen Titel ohne Satzverlust. Bärenstark!
7. David Ferrer (ESP, 29 Jahre, Weltrangliste: 5) / gewertete Turniere: Australian Open (Viertelfinale/360), Auckland (Sieger/200) / Power Ranking-Punkte: 560
Vielleicht hat sich Raonic aber auch an Ferrer orientiert. "Trainiere, bis die Beine weh tun, wird als eins der Mottos des Spaniers überliefert. Fleiß, Ausdauer und Beharrlichkeit haben aus dem ehemals reinen Sandplatzspezialisten Ferrer im Laufe der Jahre einen echten Allrounder werden lassen. Das stellte er zum Saisonauftakt beim Turniersieg auf dem harten Rebound Ace in Auckland und seinem Viertelfinaleinzug in Melbourne unter Beweis, wo er erst vom späteren Sieger Novak Djokovic gestoppt werden konnte.
6. Tomas Berdych (CZE, 26 Jahre, Weltrangliste: 7) / gewertete Turniere: Rotterdam (Halbfinale/180), Montpellier (Sieger/200), Australian Open (Viertelfinale/216) / Power Ranking-Punkte: 596
Berdych hat eigentlich spielerisch alle Anlagen um in die absolute Weltspitze vorzudringen. Das Turnier in Montpellier spricht für sich, trotzdem hat man bei ihm zu oft den Eindruck, dass er sein vorhandenes Potential nicht voll ausspielt oder ihm vielleicht auch die mentale Stärke fehlt um auch mal einen der ganz Großen schlagen zu können. Gegen Nadal hatte er in Melbourne mit einem Satz vorne gelegen, am Ende aber trotzdem verloren. Das Viertelfinal-Aus war bereits die zehnte Niederlage gegen den Spanier in Folge, die Quote gegen Djokovic liest sich ähnlich vernichtend. Und im Halbfinale von Rotterdam gegen del Potro wirkte Berdych erschreckend lustlos. War der Tscheche nur ausgepowert nach zuvor 8:0-Siegen in Folge oder ist ein Trend ablesbar? Das nächste Ranking wird es zeigen.
5. Juan Martin del Potro (ARG, 23 Jahre, Weltrangliste: 10) / gewertete Turniere: Rotterdam (Finale/300), Australian Open (Viertelfinale/288), Sydney (Viertelfinale/27) / Power Ranking-Punkte: 615
Nadal hatte es prophezeit: del Potro wird 2012 in die Top Four vorstoßen. Davon ist der Argentinier, den 2010 eine komplizierte Handgelenksverletzung zurückgeworfen hatte, von der er sich erst Ende 2011 richtig erholt zeigte, derzeit zwar noch etwas entfernt, seine Ambitionen darauf unterstrich sein Saisonstart aber allemal. In Melbourne erspielte er sich mit dem Viertelfinale sein bestes Grand Slam-Ergebnis seit seinem US Open-Sieg 2009 und in Rotterdam stieß er ins Finale vor, wo ihm allerdings ein bärenstarker Federer im Eilzug-Tempo die Grenzen aufzeigte. Die aufsteigende Tendenz sah auch Federer, der auf der Siegerehrung hoffte, del Potro spätestens im November bei den World Tour Finals wiederzusehen. Über die dafür nötige Konstanz sollte der Argentinier verfügen.
4. Andy Murray (GBR, 24 Jahre, Weltrangliste: 4) / gewertete Turniere: Australian Open (Halbfinale/720), Brisbane (Sieger/200) / Power Ranking-Punkte: 920
Murray hat in dieser noch jungen Saison schon einiges erreicht. Und damit meinen wir gar nicht mal seinen Sieg in Brisbane und das Erreichen des Halbfinals von Melbourne, sondern vor allem sein verändertes Auftreten auf dem Platz. "Er ist über Nacht zum Mann gereift, beschrieb es der frühere britische Davis Cup-Kapitän John Lloyd gegenüber dailymail.co.uk. Wo Murray früher ewig lamentiert oder wüst seine Box bepöbelt hätte, schmeißt er mittlerweile höchstens mal das Raquet. Seine Konzentration richtet er nun lieber auf das Wesentliche. So überstand er den Satzrückstand gegen Ryan Harrison in der ersten Runde der Australian Open unbeschadet und zwang Djokovic im Halbfinale über fünf grandiose Sätze. Wenn dieser Reifeprozess schon das Ergebnis der kurzen Zusammenarbeit mit Ivan Lendl ist, dann können wir in diesem Jahr von Murray noch einiges erwarten.
3. Roger Federer (SUI, 30 Jahre, Weltrangliste: 3) / gewertete Turniere: Rotterdam (Sieger/500), Australian Open (Halbfinale/576), Doha (Halbfinale/54) / Power Ranking-Punkte: 1130
Das Jahr hatte für Federer nicht besonders gut begonnen. In Doha streikte der Rücken, seinen Halbfinalstart musste er absagen, in Melbourne unterlag er ebenfalls in der Vorschlussrunde seinem ewigen Rivalen Rafael Nadal. Beim Davis Cup setzte es eine herbe Klatsche gegen die USA. Doch dann platzte in Rotterdam endlich der Knoten. Er überstand ein enges Halbfinale, feierte nach Kantersieg über del Potro seinen 71. Karrieretitel und ist damit bei seinen letzten fünf Hallenturnieren ohne Niederlage. Und der "Opa" der aktuellen Top Four ist noch lange nicht müde: "Agassi hat bis 36 gespielt, ich hoffe, so drei bis fünf Jahre sind noch drin, kündigte Federer an.
2. Rafael Nadal (ESP, 25 Jahre, Weltrangliste: 2) / gewertete Turniere: Australian Open (Finale/1200), Doha (Halbfinale/72) / Power Ranking-Punkte: 1272
Die Umstellung auf den modifizierten neuen Schläger hat für Nadal schneller geklappt als befürchtet, wie seine Ergebnisse aus Doha und Melbourne, trotz der Finalniederlage gegen seinen mittlerweile fast Angstgegner Djokovic unterstreichen. So hatte er seine Turnierpause seit Ende der Australian Open auch nicht komplett für die Vorbereitung auf die ersten Masters-Turniere verwenden müssen, sondern konnte sich den angenehmen Momenten des Lebens eines Tennisstars widmen. Oder kann man etwa ein Foto-Shooting für die Sports Illustrated an der Seite von Bar Refaeli als Arbeit bezeichnen?
1. Novak Djokovic (SRB, 24 Jahre, Weltrangliste: 1) / gewertete Turniere: Australian Open (Sieger/2000) / Power Ranking-Punkte: 2000
Djokovic ist momentan das Nonplusultra der Tennis-Welt. Vom serbischen Präsidenten Boris Tadic gab es dafür die höchste Auszeichnung seines Landes verliehen, die Laureus-Stiftung kürte ihn zum Weltsportler des Jahres und wir führen ihn an der Top-Position unseres Powerrankings. In Sachen mentale Stärke und Fitness macht ihm keiner etwas vor: Fünf Sätzen gegen Murray im Halbfinale von Melbourne, folgte ein Marathon-Finale gegen Nadal. "Ich kann mein bestes Spiel abrufen, wenn ich es benötige", erklärte er laut welt.de. Mal sehen, ob er im nächsten Powerranking seine Spitzenposition verteidigen kann.
Malte Asmus