SPD-Generalsekretär Hubertus Heil appellierte in der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag) an CDU und CSU, "die Nerven zu behalten". Er betonte: "Wir tragen eine gemeinsame Verantwortung." Arbeitsminister und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) sieht die Koalition wegen der Reibereien aber nicht in einer kritischen Situation. "Das ist keine Krise", betonte er am Sonntag in der ZDF-Sendung "Berlin direkt".
Sieben Bundesländer sind abtrünnig
Medienberichte, nach denen mehrere unionsgeführte Länder das am Donnerstag im Bundestag beschlossene Gesetz zur Nachbesserung von Hartz IV im Bundesrat stoppen wollen, führten über Pfingsten zu Verstimmung bei der SPD, aber auch zu mahnenden Worten innerhalb von CDU und CSU. Die "Bild am Sonntag" hatte unter Berufung auf die Unionsführung berichtet, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und das Saarland wollten nicht zustimmen. Auch die "Passauer Neue Presse" (Samstag) hatte berichtet, mehrere unionsdominierte Länder wollten ihre Veto einlegen.
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) kündigte dagegen am Sonntag an, sein Land werde dem Gesetz zustimmen. Er sagte in Nürnberg: "Ich sehe aus Sicht der CSU nicht das Problem, dass das Hartz-IV-Fortentwicklungsgesetz im Vermittlungsausschuss landet." Er bekräftigte, das von Müntefering vorgelegte Gesetz sei ein "erster Schritt in die richtige Richtung" gegen den Missbrauch von Hartz IV. Ein Hamburger Senatssprecher sagte am Sonntag, es sei noch keine endgültige Entscheidung gefallen.
"Keine parteipolitisch motivierten Verzögerungen"
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck warnte die Ministerpräsidenten der Union vor einer Ablehnung des Gesetzes im Bundesrat und appellierte an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), auf die Länderchefs einzuwirken. "Es darf nicht zu parteipolitisch motivierten Verzögerungen oder gar Blockaden kommen, wie das hier der Fall ist", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". Auch Sachsens CDU-Regierungschef Georg Milbradt warnte seine Unions-Kollegen vor einer Blockade. Müntefering sagte am Sonntagabend im ZDF: "Wir haben in der Koalition das Ganze besprochen. Ich hatte den Eindruck, alle drei beteiligten Parteien tragen das. Und da gibt es schon eine gewisse Verantwortung auch bei den Ministerpräsidenten."
Milbradt erklärte in Dresden, zwar seien weitere Änderungen bei Hartz IV notwendig. "Diese sollen aber erst in einem nächsten Schritt und nach Auswertung der Erfahrungen mit den Neuregelungen erreicht werden." Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) rief zur Mäßigung auf: "Diese Auseinandersetzungen sind nicht notwendig", sagte er der "Welt am Sonntag".
"Grundlegende Überholung"
Stoiber machte deutlich, dass Bayern gemeinsam mit anderen Unions-regierten Ländern und der Unions-Bundestagsfraktion Hartz IV grundsätzlich überarbeiten werde. "Wir brauchen in einem zweiten Schritt eine grundlegende Überholung von Hartz IV", unterstrich er. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bekräftigte im ZDF, "dass man da mit kleinen Änderungen nicht mehr weiter kommt".
Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sagte am Sonntag, es müsse eine klare Regelung von Zuständigkeiten bei der Vermittlung von Hilfe-Empfängern geben. "Notwendig für eine Revision von Hartz IV ist außerdem, die Missbrauchsmöglichkeiten und die Mitnahmeeffekte abzubauen. Außerdem muss dauerhaft geklärt sein, wie sich der Bund an den in den Kommunen entstehenden Kosten bei der Neuregelung des Arbeitsmarktes beteiligt."