Designt in Kalifornien, zusammengebaut in China - das ist bis heute die Wahrnehmung von Apples iPhone. Dabei ist es so global wie kaum ein anderes Produkt: In dem Smartphone stecken etwa Bewegungssensoren von Bosch aus Deutschland, Batterien von Simplo aus Taiwan, Flash-Speicher aus Japan und ein Gyroskop aus den Niederlanden und der Schweiz.
Vor allem Technik und Know-How aus Deutschland ist in Cupertino gefragt. Hierzulande hatte Apple laut eigenen Angaben in den vergangenen fünf Jahren mehr als 15 Milliarden Euro für Produkte und Dienstleistungen von mehr als 700 Zulieferern ausgegeben. Dazu zählen der Chiphersteller Infineon und der Batteriehersteller Varta, dessen winzige Stromspeicher etwa in den AirPods stecken, aber auch das Chemieunternehmen Delo, welches Klebstoffe für die Herstellung der iPhones liefert.
Was viele nicht wissen: Der Konzern besitzt in Bayern ein eigenes, großes Entwicklungslabor - bekannt als "Bavarian Design Center" - in dem 350 deutsche Ingenieure und Ingenieurinnen maßgeblich Apples Chip-Entwicklung vorantreiben. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem Power Management, bei dem es darum geht, möglichst viel Leistung bei gleichzeitig so geringem Stromverbrauch wie möglich aus den Chips herauszukitzeln. Das Münchner Team war maßgeblich an der Entwicklung des hauseigenen M1-Chips beteiligt, der im vergangenen Jahr in den neuen Macbooks seine Premiere feierte (mehr dazu lesen Sie hier) und für teils doppelt so lange Akkulaufzeiten bei höherer Performance sorgt. Mittlerweile befindet sich etwa die Hälfte von Apples globalem Power Management Design-Team in Deutschland.
Apple will München zum Chip-Zentrum machen
Nun bekräftigt der Konzern sein Bekenntnis zu Deutschland: Apple hat angekündigt, in den kommenden drei Jahren mehr als eine Milliarde Euro im Großraum München investieren zu wollen. In der bayrischen Landeshauptstadt soll ein Europäisches Zentrum für Chip-Design mit Schwerpunkt auf Konnektivität (etwa 5G und weiterführende Mobilfunktechnologien) und drahtlose Technologien entstehen. Man plane nicht weniger als "Europas größten Entwicklungsstandort für mobile drahtlose Halbleiter und Software", erklärt der Konzern. Der neue Standort soll 30.000 Quadratmeter groß sein und mitten in der Münchener Innenstadt liegen, im Bürogebäude "Karl" an der Karlstraße. Dafür will der kalifornische Konzern Hunderte neue Mitarbeiter einstellen, die Ende 2022 das neue Gebäude beziehen sollen.
"München ist seit vier Jahrzehnten ein Zuhause für Apple", wird Apple-Chef Tim Cook in einer Pressemitteilung zitiert. Seit 1981 ist der Konzern in München ansässig, damals startete das Unternehmen hierzulande mit gerade einmal zehn Mitarbeitern. Heute arbeiten Teammitglieder von Apple in sieben Niederlassungen und zwei der 15 deutschen Apple Stores befinden sich in München. "Ich könnte nicht gespannter sein auf das, was unsere Ingenieurteams in München noch alles entdecken werden - von der Erforschung neuer Möglichkeiten in der 5G-Technologie bis hin zu einer neuen Generation von Technologien, die noch mehr Leistung, Geschwindigkeit und Konnektivität ermöglichen werden", so Cook.
Tim Cook betonte in der Vergangenheit schon häufig die Bedeutung der deutschen Entwicklungsteams. "Wir finden hier Talente, die wir anderswo nicht finden würden. Wir haben an diesem Standort allergrößtes Interesse", sagte er 2019 im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Deutschland als Festung gegen Zulieferer
Apples Investment in den Großraum München bringt perspektivisch nicht nur mehr Deutschland ins iPhone, iPad und die Apple Watch als bislang. Damit macht sich Apple zugleich auch unabhängiger von Zulieferern. Denn bislang wird der Markt der Chip-Entwicklung vom US-Unternehmen Qualcomm dominiert. Dieses liefert etwa die 5G-Modems, die in modernen Smartphones stecken - derzeit auch noch im iPhone 12.
Das soll sich jedoch ändern. Intern steht längst fest, dass Apple eigene Modems entwickeln will. Eine Tatsache, aus der auch Tim Cook keinen Hehl macht. Auf das Münchner Labor angesprochen, sagte er im Gespräch mit der "FAZ": "Da geht es nicht um Power-Management, aber auch nicht nur um 5G, sondern auch schon um 6G. Es ist einfach eine Technologie, die wir unbedingt selbst im Haus haben müssen. Es geht darum, auch künftig den vollständigen Zugriff auf sämtliche wichtigen Hardware-Technologien zu haben, vom System auf dem Chip bis hin zur Software."
Apple setzt wie kein anderer Hersteller auf die enge Verschränkung von Hardware, Software und Diensten. Das eröffnet viele neue Möglichkeiten, bringt aber auch komplexe Herausforderungen und vor allem hohe Investitionen mit sich.
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