Der Opel-Mutterkonzern General Motors plant nach Möglichkeit keine finanzielle Unterstützung für das deutsche Tochterunternehmen, dessen Verkauf am Dienstag abgesagt wurde. Vielmehr solle Opel den Großteil seines Finanzbedarfs von drei Milliarden Euro selbst tragen, sagte GM-Chef Fritz Henderson am Donnerstag in Detroit. Der US-Konzern werde aber auch europäische Regierungen um Unterstützung bitten. In Deutschland erhöhten dagegen unter dem Eindruck von Massenprotesten Bund und Länder den Druck auf GM.
Die Länderchefs der vier Opel-Standorte und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) forderten den Detroiter Konzern auf, umgehend ein Zukunftskonzept für Opel vorzulegen, nachdem der US-Autobauer dem Verkauf an den Zulieferer Magna und die russische Sberbank eine Absage erteilt hatte. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte an, sich eng mit US-Präsident Barack Obama abzustimmen. Der US-Autobauer will aber nicht nur finanziell wenig für die europäische Tochter tun, sondern droht der Belegschaft zudem mit Insolvenz, wenn die Betriebsräte nicht zu Zugeständnissen bereit sind.
"Für die Bundesländer ist klar, dass die vier Standorte nicht zur Disposition stehen", sagte der nordrhein-westfälische Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) nach einem Treffen von Bund- und Ländervertretern in Berlin. "Wir haben vereinbart, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen gemeinsam alles tun wollen, die Arbeitsplätze zu erhalten." GM müsse schnell ein Konzept vorlegen, sonst sei Hilfe nicht möglich. Brüderle sagte: "Wir sind uns einig, dass GM jetzt liefern muss."
Tausende Opelaner demonstrierten
Die Länder erwarten nach Angaben von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), dass es nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommt. Dies habe GM früher bereits angeboten. Jeder Tag, an dem nicht verhandelt werde, riskiere die Zukunft des Unternehmens. Die Absage von GM an den Opel-Verkauf bedeute aber nicht, dass Opel kaputt sei. Er forderte wie Rüttgers, neue Staatshilfen an Bedingungen zu knüpfen.
Der Machtkampf um Opel erreichte einen neuen Höhepunkt. Mit Wut im Bauch gingen Tausende von Opel-Mitarbeitern am Donnerstag auf die Straßen. An allen vier Opel-Standorten demonstrierten sie gegen die von GM geplanten Massenentlassungen und Werkschließungen. Am Stammwerk in Rüsselsheim machten rund 10.000 Opelaner mit Trillerpfeifen und Trommeln ihrem Ärger Luft. In Bochum und Kaiserslautern waren es ebenfalls Tausende, in Eisenach rund 500 Mitarbeiter.
GM will rund 10.000 Stellen in Europa streichen. Das würde etwa dem Konzept des österreichisch-kanadischen Zulieferers Magna entsprechen, der als Bieter abgeschmettert worden war. Nach dem Sanierungskonzept vom Frühjahr, auf dem GM aufbauen will, sollen drei Werke geschlossen werden: Antwerpen, Bochum und vorübergehend Eisenach. Nach GM-Angaben könnte Bochum möglicherweise überleben. Für Opel in Deutschland arbeiten mehr als 25.000 Menschen.
GM: Finanzielle Lage von Opel verbessert
Insgesamt habe sich die finanzielle Lage von Opel verbessert, erklärte GM-Chef Henderson am Donnerstag. Günstigere Marktbedingungen hätten dem deutschen Autobauer eine höhere Liquidität beschert. Also habe Opel jetzt auch die Ressourcen, den Ende November auslaufenden Überbrückungskredit zurückzuzahlen.
Um dem angeschlagenen Tochterunternehmen notfalls aber unter die Arme zu greifen, könnte GM niedrigere Lizenzgebühren für von Opel genutzte Technologien verlangen. Auch könnte doch noch ein geringer Anteil der US-Finanzhilfe im Umfang von 50 Milliarden Dollar (33 Milliarden Euro) für die notwendigen Strukturreformen bei Opel genutzt werden. Dies würde aber nur im äußersten Notfall geschehen, betonte der GM-Vorstandschef.
Nach seinen Worten will GM in Kürze den unter anderem von der Bundesregierung geforderten detaillierten Plan zur Sanierung von Opel fertigstellen. Dieser werde dann den Regierungen in Deutschland, Großbritannien, Spanien und Polen sowie den jeweiligen Gewerkschaftsvertretungen vorgelegt. Von den betroffenen Regierungen erhoffe man sich finanzielle Unterstützung. Ein Insolvenzverfahren für Opel schloss Henderson nicht aus. Dies sei aber nicht die bevorzugte Variante von General Motors.
GM ist sicher der Staatshilfe sicher
Bundeskanzlerin Merkel unterrichtete in einem Telefonat auch US-Präsident Barack Obama über die Forderungen der Bundesregierung an GM, teilte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm mit. Merkel hält das Verhältnis zu den USA nicht für beeinträchtigt. "Das Gespräch mit US-Präsident Obama hat mir gezeigt, dass auch er von der Wende bei General Motors nichts gewusst hat", sagte sie der "Bild"-Zeitung. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verlangte von GM den Erhalt der Arbeitsplätze in Deutschland. Er sagte nach einem Treffen mit Hillary Clinton, die US-Außenministerin habe klargemacht, dass die Entscheidung von GM ohne jede politische Einflussnahme der amerikanischen Regierung zustande gekommen sei.
Opel-Betriebsratschef Klaus Franz forderte vor den knapp 10.000 Beschäftigten am Stammwerk mehr Eigenständigkeit für den Autobauer unter dem Dach von GM. "Die Adam Opel GmbH muss in eine deutsche Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Wir wollen kein Anhängsel sein, das von Detroit aus durchregiert wird." Dies sei die Vorbedingung für Verhandlungen. Das Werk Kaiserslautern sei nach aktuellem Stand nicht gefährdet, da habe er sich am Vortag versprochen. Im Bochumer Opelwerk forderte Betriebsratschef Rainer Einenkel den Erhalt möglichst vieler der 6000 Stellen. Die Montage des "Zafira" und weiterer Modelle müssten nach Bochum kommen.
Trotz der allgemeinen Verstimmung ist sich GM der Staatshilfe aus Deutschland und den anderen europäischen Opel-Ländern offenbar ziemlich sicher: "Wenn sie den Magna-Plan mögen, mögen sie auch den GM-Plan", sagte Vize-Präsident John Smith. Sollte Deutschland die Unterstützung verweigern, müsse GM einen "Plan B" ziehen. Das "Wall Street Journal" zitierte Experten, wonach der Autobauer aus den eigenen "unbegrenzten Barreserven" schöpfen könne, um die Restrukturierung selbst zu schultern. Das war in Deutschland bezweifelt worden.