Die Bahn zieht einen Teil ihrer ICE-Flotte wegen der ungeklärten Sicherheit der Zugachsen kurzfristig aus dem Verkehr. Bereits von diesem Samstag an müssen Fahrgäste deshalb bundesweit mit erheblichen Einschränkungen auf mehreren Linien rechnen, wie der Konzern am Freitag in Berlin mitteilte. Nahezu die gesamte Flotte der Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ ICE T mit Neigetechnik, die aus 67 Zügen besteht, soll zunächst weiter technisch überprüft werden.
Daher wird es zu Fahrplaneinschränkungen auf folgenden ICE-Linien kommen:
Hamburg - Berlin - Leipzig - München
Wiesbaden - Frankfurt - Leipzig - Dresden
Stuttgart - Singen - Zürich
Dortmund - Koblenz - Mainz - Frankfurt - Nürnberg - Passau - Wien
Alle anderen ICE-Strecken sind nicht betroffen. Für telefonische Informationen wird rund um die Uhr eine kostenlose Service-Hotline unter
08000 99 66 33
geschaltet.
Auf ihrer Internetseite teilt die Bahn außerdem folgende Kulanzregelung mit: Wer seine Reise nicht antreten konnte, kann die Fahrkarte bis 30. November 2008 kostenlos umtauschen oder erstatten lassen. DB Zeitkarten werden anteilig erstattet. Reservierungen, die nicht genutzt werden können, werden ebenfalls kostenlos erstattet. Wenn anstelle eines ICE mit einem Intercity gefahren werden musste, wird der Differenzbetrag ausgezahlt. Bei Angeboten wie den Sparpreisen, dem Dauer-Spezial oder bei Gruppenfahrten wird die Zugbindung aufgehoben, wenn Fahrgäste den gebuchten Zug nicht nutzen konnten.
Mehdorn setzte Herstellern Ultimatum
Bahnchef Hartmut Mehdorn setzte der Bahnindustrie am Freitag ein Ultimatum, "so schnell wie möglich" verbindliche Aussagen über die Haltbarkeit der Achsen zu treffen. Die Bahn könne mit ständig wechselnden Einschätzungen zur Sicherheit keinen Fahrplan garantieren. Der Hersteller Siemens wies die Vorwürfe zurück.
Hintergrund ist, dass die zahlreichen Achsprüfungen der mehr als 130 ICE-3- und ICE-T-Züge entgegen den Hoffnungen der Bahn AG auch nach dem Wochenende den Betriebsablauf erheblich stören werden. In der zu Ende gehenden Woche war es zu häufigen Zugausfällen gekommen, weil die Züge rund um die Uhr wegen verkürzter Prüfintervalle in die Werkstatt mussten. Teils fiel die Hälfte des Platzangebots weg, auf einzelnen Verbindungen mussten Busse eingesetzt werden.
"Um einen zuverlässigen Fahrplan im Fernverkehr in nächster Zeit noch sicherstellen zu können, brauchen wir von den ICE-Herstellern endlich klare und verbindliche Aussagen über die Haltbarkeit und Prüfintervalle der ICE-Achsen", zitierte eine Bahnsprecherin den Vorstandschef. Er hat nach Informationen der Nachrichtenagentur AP am Freitag mit den Spitzen der Hersteller Siemens und Bombardier gesprochen.
Siemens wies die Vorwürfe zurück. "Wir haben die Züge nach Stand der Technik und nach geltenden Normen gebaut. Von den Aufsichtsbehörden wurden die Züge so genehmigt", sagte eine Sprecherin des ICE-Konsortiums dem Rundfunksender hr-info.
Wenn die Bahn jetzt die fraglichen Typen aus dem Verkehr zieht, könnte sie die Einnahmeausfälle den Herstellern in Rechnung stellen. Diese hatten für die Achsen nach Bahn-Angaben Prüfintervalle von 480.000 Kilometern Laufleistung vorgesehen; nach dem Unfall mit einer gebrochenen Achse im Juli in Köln verfügte das Eisenbahn-Bundesamt jedoch die Intervalle auf 30.000 Kilometern.
Das erreichen die Züge etwa alle drei Wochen. "Es kann nicht so weiter gehen, dass wir hier ständig mit veränderten Fakten und Einschätzungen konfrontiert werden", wurde Mehdorn zitiert. "Die DB bemüht sich daher im Interesse unserer Kunden intensiv darum, so schnell wie möglich belastbare Aussagen der Industrie zu bekommen."