Im Irak gibt es widersprüchliche Aussagen über eine möglicherweise kurz bevor stehende Hinrichtung des ehemaligen Machthabers Saddam Hussein. Saddams Anwalt Chalil al-Dulaimi sagte am Freitag, US-Vertreter hätten ihn aufgefordert, den persönlichen Besitz von Saddam in Empfang zu nehmen. Ein anderer Verteidiger Saddams, der namentlich nicht genannt werden wollte, erklärte, der Ex-Präsident sei von den US-Truppen im Irak an die Behörden des Landes überstellt worden. Das irakische Justizministerium wies dies zurück. "Das ist nicht wahr", sagte ein hochrangiger Mitarbeiter. "Er ist weiterhin unter Aufsicht der Amerikaner." Saddam werde nicht vor dem 26. Januar hingerichtet werden.
In US-Regierungskreisen hatte es am Donnerstag geheißen, Saddam könne bereits am Samstag gehenkt werden. "Ich habe gehört, dass es wahrscheinlich nur noch zwei weitere Tage sein werden", sagte ein hochrangiger Mitarbeiter von Präsident George W. Bush. Ein irakisches Regierungsmitglied hatte allerdings erklärt, mehrere Feiertage könnten die Exekution verzögern. Sie fallen mit dem Pilgerzug nach Mekka - der Hadsch - zusammen und dauern von Freitag bis zum 7. Januar. Im Irak sind Hinrichtungen an religiösen Feiertagen verboten.
Warnung vor übereilter Vollstreckung
Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Louise Arbour, hat vor einem schnellen Vollzug des Todesurteils gegen den irakischen Ex-Präsidenten Saddam Hussein gewarnt. Dabei zieht sie in einer am Donnerstagabend in Genf herausgegebeben Erklärung indirekt in Zweifel, dass der Prozess in allen Punkten rechtlich einwandfrei gewesen sei. "Es gab eine ganze Reihe von Bedenken gegen die Fairness der Verhandlung", schrieb Arbour. "Wir brauchen die Gewissheit, dass diesen Bedenken auch ausreichend nachgegangen wird." Deswegen rufe sie die irakischen Behörden auf, das Todesurteil nicht übereilt zu vollstrecken.
Arbour verweist in ihrem Brief darauf, dass das internationale Völkerrecht die Vollstreckung eines Urteils verbietet, wenn der Prozess nicht den rechtlichen Standards entsprochen hat. Die internationalen Vereinbarungen, die auch der Irak unterzeichnet habe, sähen vor, dass Saddam Hussein auch eine Revision des Urteils oder sogar dessen Aufhebung beantragen könne.
Ähnlich äußerte sich auch der UN-Sonderberichterstatter für die Unabhängigkeit von Gerichten und Anwälten, Leandro Despouy. Die Zurückweisung des Einspruchs von Saddam Hussein berücksichtige offenbar nicht die "gravierenden Unzulänglichkeiten bei der Verhandlung", schrieb Despouy ebenfalls am Donnerstagabend. Hinzu komme, dass das Gericht nicht unabhängig gewesen sei, schrieb der UN-Berichterstatter. Er rufe deshalb dazu auf, das Todesurteil nicht zu vollstrecken.
US-Sender berufen sich auf US-Militärs
Die Sender CNN, NBC, CBS und Fox News beriefen sich am Donnerstagabend (Ortszeit) jeweils auf namentlich nicht genannte US- Militärs. Wie NBC berichtete, haben die irakischen Behörden bereits die Überstellung Saddams aus US-Gewahrsam beantragt. Nach CBS- Informationen soll er binnen 36 Stunden an die Iraker übergeben werden; laut CNN soll die Hinrichtung binnen dieser Frist stattfinden. Wie Fox News berichtete, sei die irakische Regierung "bemüht, die Hinrichtung Saddams hinter sich zu bringen".
Die für den Heimatschutz zuständige Beraterin des US-Präsidenten, Frances Fragos Townsend, sagte CNN, dass Saddam den irakischen Behörden auf Antrag überstellt würde. Ob ein solcher Antrag bereits gestellt worden sei, sagte sie jedoch nicht. Saddam wurde nach seiner Ergreifung vor drei Jahren formal der irakischen Justiz übergeben, blieb jedoch weiter unter Bewachung des US-Militärs.
Warten auf die Unterschrift des Präsidenten
Das Oberste irakische Kriminalgericht hatte am Donnerstag mit der Veröffentlichung des Todesurteils gegen den irakischen Ex-Präsidenten das Vollstreckungsverfahren eingeleitet. Die irakische Regierung hatte anschließend die Erwartung geäußert, dass der 2003 gestürzte Machthaber frühestens Anfang Januar gehängt werden kann. Das Urteil muss nach Angaben von Justizminister Haschem al-Schibli zunächst noch vom irakischen Präsidenten Dschalal Talabani oder einem seiner beiden Stellvertreter unterzeichnet werden.
Das Sondertribunal für die Verbrechen des alten Regimes in Bagdad hatte Saddam, seinen Halbbruder Barsan al-Tikriti und den früheren Richter Awad al-Bandar am 5. November wegen der Ermordung von 148 angeblichen Verschwörern in der schiitischen Kleinstadt Dudschail 1982 zum Tode durch den Strang verurteilt. Am vergangenen Dienstag hatte ein Berufungsgericht das Todesurteil bestätigt.
Familientreffen
Angesichts seiner drohenden Hinrichtung hat sich der irakische Ex-Präsident Saddam Hussein nach Angaben eines seiner Anwälte nochmals mit Angehörigen getroffen und seiner Familie Botschaften übermittelt. Saddams Treffen mit seinen Halbbrüdern Sabawi und Watban Ibrahim Hassan al-Tikriti, die sich beide in US-Haft befinden, habe in seiner Zelle in einem Bagdader Gefängnis stattgefunden, teilte ein Anwalt des zum Tode verurteilten Ex-Machthabers mit. Wachmänner des Gefängnisses hätten ihm dies berichtet. Demnach sei Saddam guter Dinge und bereit, als Märtyrer zu sterben.
Obwohl er keine Einzelheiten wisse, spüre Saddam, dass etwas im Zusammenhang mit dem Urteil geschehe, sagte Anwalt Badie Aref. Auch weil die Wachen ihm kürzlich ein Radio wieder entwendet hätten, dass er vor einigen Monaten bekommen habe. Den beiden Halbbrüdern habe er Briefe an seine Familie mitgegeben. "Er sagte ihnen, dass er froh ist, als Märtyrer durch die Hände seiner Feinde zu sterben und nicht im Gefängnis in Vergessenheit dahinzusiechen." Ob Saddam auch seine dritten Halbruder Barsan al-Tikriti getroffen habe, der gemeinsam mit ihm zum Tode verurteilt ist, wisse er nicht, sagte der Anwalt.
Derzeit läuft noch ein Prozess wegen Völkermordes an den Kurden gegen Saddam. Dabei geht es um die so genannte Anfal-Militärkampagne, bei der 1987 und 1988 bis zu 100.000 Kurden ums Leben gekommen waren. Hier ist der nächste Termin für den 8. Januar angesetzt.