Krieg in der Ukraine "Storm Shadow": Mit dieser Rakete kann Kiew Putins Krimbrücke und seine Flughäfen zerstören

Britischer Typhoon mit der Storm Shadow 
Britischer Typhoon mit der Storm Shadow 
© UK MoD
Endlich erhält die Ukraine eine Präzisionswaffe großer Reichweite. Der Sprengkopf der "Storm Shadow" kann selbst Putins Prestige-Brücke zur Krim zerstören. Aber ein Fakt macht die neue Waffe verwundbar.

Lange hat Kiew verlangt, Präzisionswaffen mit größerer Reichweite zu bekommen. Nun hat Großbritannien zugesagt, Marschflugkörper vom Typ "Storm Shadow" zu liefern. Vermutlich sind bereits Missiles im Land. Verteidigungsminister Ben Wallace sagte: "Are now going into, or are in the country itself." Das wäre auch kein Wunder, die eigentliche Entscheidung wurde vor der Verkündung getroffen. Die Strom Shadow wird von einem Flugzeug aus gestartet. Sie ist kein autonom arbeitendes System, sondern darauf angewiesen, dass an einem passenden Flugzeug die richtigen Startvorrichtungen montiert und erprobt werden. Das ist bereits geschehen.

Hohe Reichweite des Bunkerknackers

Die Storm Shadow hat eine Reichweite von über 250 Kilometern. Wie groß die effektive Einsatzzone sein wird, hängt davon ab, an welchem Punkt die Jets sie starten. Wagen sie sich über russisch kontrolliertes Gebiet, wäre die Eindringtiefe sehr viel höher, als wenn sie weit vor der Frontlinie ausgeklinkt werden, damit die Jets nicht in den Bereich der russischen Luftabwehr geraten.

Die Missile fliegt mit Unterschallgeschwindigkeit, trifft das Ziel präzise und kann einen Gefechtskopf von 500 Kilogramm transportieren. Damit könnte ein direkter Treffer etwa die Fahrbahn der Krimbrücke nicht nur beschädigen, sondern zerstören. Der Gefechtskopf der Storm Shadow ist auf das Zerstören von gehärteten, verbunkerten Zielen optimiert. Ein erster Sprengkopf durchbricht den Beton, ein zweiter detoniert im Inneren. Wallace hat nicht genannt, wie viele Missiles Kiew erhält. Doch allein Großbritannien verfügt über etwa 900 dieser Marschflugkörper.

Überdies kann sich die Storm Shadow im Tiefflug bewegen und so das Geländeprofil ausnutzen. Die Waffe wiegt 1300 Kilogramm. Im Westen wird die Storm Shadow unter anderem vom Tornado eingesetzt, in der Ukraine dürften die verbliebenen Frontbomber SU-24 in Frage kommen. Mit diesem Typ wurden 2022 bereits Versuche mit der Storm Shadow in Polen durchgeführt.

Zahlreiche lohnende Ziele 

Die Lieferung kommt daher nicht überraschend, sie wurde mehrfach ins Spiel gebracht, die Erprobung in Polen zeigte, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, wann die Entscheidung publik gemacht wird. Und das ist jetzt in der sogenannten Shaping Phase der Kiewer-Offensive geschehen. Sollte Kiew tatsächlich zugesagt haben, die Waffen nicht gegen Ziele im eigentlichen Russland einzusetzen, schrumpft der Einsatzbereich allerdings deutlich zusammen. In Russland könnte die Rakete viele Militärflughäfen und Nachschubzentren treffen.

Ist Russlands Territorium tabu, bleiben die besetzten Gebieten inklusive der Krim, dort dürfte die Rakete gegen Treibstoff- und Munitionslager, Flughäfen und Marinestützpunkte eingesetzt werden. Wegen ihrer Fähigkeit als Bunkerknacker aber auch gegen Befehlszentralen jeder Art. Die großen Nachschubdepots haben die Russen so weit hinter die Front gelegt, dass sie von den Himars-Raketenwerfern nicht mehr erreicht werden können. Sie können nun wieder ins Visier genommen werden.

Lohnendste Ziele sind die Krimbrücke und – etwas weniger spektakulär – die Eisenbahnlinien, die den Nachschub für die russische Invasionsarmee bereitstellen. In jedem Fall muss die Missile die russische Abwehr überwinden, die bei den besten Zielen am stärksten ist. Die Krim-Brücke bleibt dennoch gefährdet. Selbst wenn es Russland gelingt, viele Missiles abzuschießen, genügen ein oder zwei Treffer, um Putins Lebensader zu kappen.

Die Jets sind gefährdet 

Der russische Nachschub in Cherson brach zusammen, nachdem die Himars-Werfer im Herbst letzten Jahres die Brücken über den Dnjepr getroffen hatten, das könnte sich wiederholen. Insgesamt wurden sehr viele Storm Shadows gebaut. Allein die britischen und französischen Vorräte können die Ukraine lange Zeit versorgen. Werden viele Storm Shadows geliefert, müssen die Missiles nicht für die zentralen strategischen Ziele aufgespart werden, sie könnten dann auch gegen Bunker und befestigte Stellungen beziehungsweise Hochhäuser wie in Bachmut eingesetzt werden. Also als Gegengewicht zu den neuerdings eingesetzten russischen Gleitbomben. Stark befestigte Stellungen und Bunker können von leichten Waffen nicht oder kaum zerstört werden.

Der "Flaschenhals" des Einsatzes sind die für den Start notwendigen Jets. Russland wird alles daran setzen, diese auszuschalten. Da für jede Storm Shadow ein Jet starten muss, ist es schwer, größere Wellen von Missiles auf einmal abzufeuern. Noch ist es Spekulation, doch ist anzunehmen, dass auf die Lieferung der Missiles bald die Lieferung von westlichen Kampfjets folgen wird.

Die Lieferung der "Storm Shadow" wurde als "Game Changer" bezeichnet. Das kann zumindest zeitweise so sein. Auch wenn Russland auf Dauer Möglichkeiten findet, Jets oder Missiles abzuschießen oder die Elektronik der Waffe zu stören, benötigt man dafür eine Lernkurve. In der ersten Phase dürfte die Waffe durchdringen, und das kann genügen, die russischen Nachschublinien zu kappen und hochrangige Ziele wie Befehlsbunker oder auch Schiffe der Schwarzmeerflotte auszuschalten.

Putin ist hilflos

Russland selbst kann das immer stärkere Engagement des Westens nicht verhindern. Die russischen Streitkräfte haben Mühe, eine Niederlage in der Ukraine abzuwenden, eine militärische Eskalation auf Nato-Gebiet ist praktisch ausgeschlossen. Das Einzige, was dem Kreml bleibt, ist die atomare Drohung. Durch ständige Wiederholungen wurde sie aber abgenutzt. Wie schon in der Vergangenheit muss Moskau mehr oder minder ohnmächtig zusehen, wie der Westen sukzessive die Form der Unterstützung der Ukraine hochfährt.

Im Zwei-Monats-Rhythmus kippen die einstigen Tabus. Das führt zu einer langfristigen Kräfteverlagerung. Das Bild "uralte T-55 gegen moderne Leopard 2" ist überzogen, doch es illustriert die Lage. Die russischen Truppen können die Verluste und den Verbrauch an modernem Material nicht komplett kompensieren, diese Lücken werden durch "Oldies" gestopft. Besser als nichts, kann man sagen, doch insgesamt bewegt sich das Niveau der russischen Streitkräfte nach unten. Die Materialverluste der Ukraine werden teilweise auch mit Altmaterial aufgefüllt – etwa durch Leopard 1 oder selbst durch T-55. Doch daneben treffen erhebliche Mengen an modernem Material ein.

Während die Russen tendenziell immer schlechter ausgerüstet sind, erhalten die Ukrainer bessere Ausstattung. Umkehren kann Putin diese Bewegung nicht. Selbst wenn es gelingen sollte, die russische Waffenproduktion massiv zu steigern, können die Verluste nicht komplett adäquat ersetzt werden. Im Westen hingegen ist es primär eine politische Entscheidung. Sollte es politisch gewollt sein, kann die Produktion von Rüstungsgütern und Munition langfristig sehr stark ansteigen.

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