Joint Venture mit Iveco endet Nikola Motor wollte Lkws in Europa klimafreundlich machen – doch zieht sich jetzt vom Markt zurück

Ein Lkw fährt durch eine Stadt
Der Tre BEV, Nikola Motors batterieelektrischer Lkw machte den Anfang im Produktsortiment des US-Herstellers
© Nikola Corporation
Nikola Motor wollte gemeinsam mit Iveco den Lkw-Sektor mit klimafreundlichen Antrieben revolutionieren. Nach rund 3,5 Jahren ist nun Schluss mit dem Joint Venture in Deutschland. Warum sich Nikola Motor aus Europa zurückzieht und beide Hersteller getrennte Wege gehen wollen.

Als Nikola Motor und Iveco im September 2019 ihr Joint Venture bekannt geben, haben sie große Ziele: sie wollen gemeinsam Nutzfahrzeuge mit Wasserstoffbrennstoffzellen und Batterien entwickeln und fertigen. Darin äußert sich das Streben nach etwas, in dem die Autoindustrie deutlich voraus ist: die Etablierung von Fahrzeugen mit klimafreundlichen Antrieben. 

Auf den batterieelektrischen Nikola Tre (BEV), der als erster Lkw aus dem Joint Venture hervorgeht, sollen weitere der Klasse 8 folgen. Doch mit der Kooperation am Standort in Ulm ist nun Schluss, wie Nikola Motor und Iveco vergangene Woche mitteilten – wenn zunächst auch unter Vorbehalt; die Pläne müssen noch durch die Aufsichtsbehörden genehmigt werden. Man habe alle Meilensteine erreicht, "um das jeweilige Know-how für die Einführung lokal emissionsfreier schwerer Lkw der Klasse 8 in Nordamerika und Europa zu nutzen", heißt es als Begründung.

Iveco übernimmt das Joint Venture vollständig. Aus der Vereinbarung geht hervor, dass der Fahrzeughersteller eine Lizenz zur Weiterentwicklung der Fahrzeugsteuerungssoftware für die gemeinsam entwickelten BEV- und FCEV-Sattelzugmaschinen (Wasserstoff-Elektroantrieb) erhält. Nikola Motor bekommt im Gegenzug die Lizenz für die sogenannte Iveco S-WAY-Technologie, auf der der batterieelektrische Nikola Tre basiert, für Nordamerika sowie damit zusammenhängende Komponenten. Darüber hinaus wird Nikola Motor Miteigentümer der ersten Generation des elektrischen Antriebsstrangs "eAchse". Zusätzlich zahlt Iveco Nikola Motor Barmittel in Höhe von 35 Millionen US-Dollar und erwirbt zusätzlich 20 Millionen Aktien des Lkw-Herstellers. 

Fokus auf den jeweiligen Heimatmarkt

Es soll eine "neue Phase der Partnerschaft" beginnen, heißt es in einer Pressemitteilung. Tatsächlich aber bedeutet das Ende des im September 2019 geschlossenen Joint Ventures, dass die beiden Hersteller künftig in erster Linie getrennte Wege gehen werden. Nikola Motor konzentriert sich nun vollumfänglich auf den nordamerikanischen Markt, Iveco wiederum auf den europäischen Markt – zwei der wichtigsten Fahrzeugmärkte überhaupt. Warum geben die Beiden also eine Zusammenarbeit und damit ein zweites Standbein auf einem bedeutenden Markt auf?

"Wir können uns jetzt besser auf unsere jeweiligen Märkte konzentrieren", sagte Iveco-Pressesprecher Patrick Wanner gegenüber dem stern. Iveco hat in den USA keine Lkws auf dem Markt und plant, im Produktionswerk in Ulm künftig die Iveco BEV- und FCEV-Sattelzugmaschinen für den europäischen Markt zu produzieren, erklärt Wanner.

Nikola Motor wiederum bemühte sich um die Etablierung seiner Fahrzeuge in Europa. Über die Pläne, den Diesel-Lkw durch klimafreundliche Fahrzeuge auszutauschen, sprach Nikola Motor CEO Michael Lohscheller vergangenen Herbst mit dem stern. Bisher hat das US-amerikanische Unternehmen den Elektro-Lkw Tre BEV auf seinem Heimatmarkt eingeführt. Mit dem Tre FCEV soll in der zweiten Jahreshälfte der erste Lkw von Nikola Motor mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technik und das zweite Fahrzeug von Nikola Motor überhaupt folgen.

Nikola Motor muss Kosten senken

Wie das "Handelsblatt" im Februar berichtete, blieb der Lkw-Hersteller im vergangenen Jahr deutlich hinter seinen Auslieferungszielen zurück. Mit 133 ausgelieferten Einheiten des Tre BEV kam man nur auf ein Viertel des ursprünglichen Ziels. Außerdem lieferte Nikola Motor lediglich 20 Trucks an Händler aus. Der Grund: ein starker Rückgang in der Nachfrage.

Dieses Jahr soll es Lohscheller zufolge besser laufen. Es gebe einen "Aufschwung" der Einzelhandelsverkäufe gegenüber 2022, sagte der deutsche Manager bei Bekanntgabe der Geschäftszahlen aus Quartal 1 von 2023 Anfang des Monats. Demnach gebe es aktuell 140 Bestellungen des FCEV, die im vierten Quartal des Jahres zu den Kunden rollen sollen.

Trotzdem muss Nikola Motor offenbar Kosten einsparen. "Wir müssen uns weiterhin auf die Bereiche konzentrieren, in denen wir Wettbewerbs- und Erstanbietervorteile haben. Aus diesem Grund verkaufen wir unseren Anteil an dem europäischen Produktions-Joint-Venture an die Iveco-Gruppe", formulierte Lohscheller, einst Opel-Chef. Außerdem führte er etwa das US-Subventionsprogramm Inflation Reduction Act auf, welches milliardenschwere Fördergelder für in den USA tätige Batterieproduzenten bereit stellt. 

Lkw-Hersteller legt Geschäft zunehmend auf Wasserstoffantrieb aus

Nikola Motor legt sein Geschäft deshalb voll auf seinen Heimatmarkt aus. Das in Arizona ansässige Unternehmen stellte dazu im Februar seine neue Marke Hyla vor. Sie ist für das Energiegeschäft des Unternehmens rund um die Wasserstoffinfrastruktur verantwortlich. Damit will sich Nikola Motor zunehmend verstärkt auf den Antrieb mit Wasserstoff konzentrieren. Bis 2026 sollen den Plänen nach 60 Wasserstofftankstellen installiert werden; zuerst in Kalifornien sowie der kanadischen Provinz Ontario.

Vor Kurzem gab Nikola Motor eine neue Partnerschaft mit dem Energieunternehmen Voltera bekannt. Gemeinsam sollen in den nächsten fünf Jahren bis zu 50 Hyla-Wasserstoffstationen in Nordamerika installiert werden. Dadurch soll "das größte offene Netzwerk kommerzieller Wasserstofftankstellen" im Land geschaffen werden. Auch wenn Nikola Motor sein Geschäft nun voll auf den US-amerikanischen Markt auslegt, so bleibt der Elektro-Lkw Tre dennoch in Europa erhalten; er findet in einer europäischen Version über Iveco Einzug in den hiesigen Markt.

Quellen: Iveco, Nikola Motor

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