GESPERRT! Folgen der Abwrackprämie Zuschuss-Geschäft

Von Hans-Robert Richarz
Deutschland im Abwrackrausch. Neuwagen werden mit Staatsgeldern verramscht wie nie, Autobauer machen auch in der Krise Kasse. Doch Kritiker warnen schon vor dem Kater - dem totalen Einbruch der Verkäufe.

Platz genug für ein kleines Fußballmatch wäre locker. Dass dabei wertvolles Blech verbeult würde, ist kaum zu befürchten. Viel zu wenig steht derzeit davon im Ausstellungsraum. Harald Zehentner, Verkaufsleiter für Škoda im Bonner Autohaus Thomas, sagt zu den Auswirkungen der Abwrackprämie: "Die Leute rennen uns die Bude ein."

Während Zehentners Mitarbeiter im Akkord beraten und Kaufverträge ausfüllen, vertreiben sich wartende Kunden die Zeit damit, das spärliche Neuwagenangebot unter die Lupe zu nehmen. Neue Škodas sind - bis auf die großen Superb und einige teuer ausgestattete Octavia-Modelle - ausverkauft. Nicht nur in Bonn. Wer sich jetzt für einen kleinen Fabia entscheidet, bekommt ihn erst in etwa einem halben Jahr geliefert.

Auch bei der Konkurrenz geht es zu wie beim Schlussverkauf. Wilfried Heimann, Verkäufer in der Peugeot-Niederlassung in St. Augustin bei Bonn, sagt: "So etwas habe ich noch nie erlebt." Heimann allein brachte im ersten Quartal 2009 exakt 112 Peugeots unters Volk, im ganzen Jahr 2008 waren es 163 gewesen.

Nachfrage wie vor 50 Jahren

Das gleiche Bild ein paar Blocks weiter bei einem Toyota-Händler. Verkaufsleiter Erik Birkenbach kennt derzeit keine Absatz-, sondern nur Nachschubprobleme. Mehr als 200 Fahrzeuge hat sein Team in den vergangenen Wochen losgeschlagen. Es wären noch mehr drin, doch auf neue Ware muss er bis zu vier Monate warten.

Autos sind in Deutschland derzeit so gefragt wie vor etwa 50 Jahren, als die Massenmotorisierung in Gang kam. Allein im März wurden auch dank Abwrackprämie 40 Prozent mehr Autos abgesetzt als im selben Zeitraum des Vorjahres. Zwei Drittel davon sind nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) Klein- und Kompaktwagen.

Den staatlichen Zuschuss in Höhe von 2500 Euro bekommt derjenige, der sein mindestens neun Jahre altes Auto verschrottet und sich ein neues oder einen jungen Gebrauchten (Jahres- oder Vorführwagen) kauft, der wenigstens die Schadstoffklasse Euro 4 haben muss. Seit Mitte März können sich Antragsteller, die bei der Bestellung ihres neuen Fahrzeugs längere Lieferzeiten (siehe Kasten) in Kauf nehmen müssen, einen Platz in der Bearbeitungsreihe des zuständigen Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) reservieren lassen. Die Prämie wird erst dann ausgezahlt, wenn die Zulassung des Neuwagens sowie die Verschrottung des Alten erfolgt ist und beides nachgewiesen wird. Bis zum 9. April 2009 waren 476.059 Anträge auf Gewährung der Umweltprämie nach dem alten Verfahren (per Brief) und 747.706 Anträge nach dem Reservierungsverfahren per Internet eingegangen. Umweltprämie heißt der Zuschuss offiziell, weil die Bundesregierung damit auch die Absicht verbindet, Fahrer von Altwagen mit schlechten Abgaswerten zum Umsteigen auf neue Autos mit moderner Abgastechnik zu bewegen.

Sorgenkinder Mercedes und BMW

Während Kleinwagenbauer jubilieren, plagen die Hersteller aus dem Mittelklasse- und dem Luxussegment Sorgen: Mercedes registrierte für Januar bis März insgesamt einen Rückgang von 20,7 Prozent, obwohl die relativ kleine A-Klasse und der Smart zur Angebotspalette gehören; das Minus von BMW liegt bei 13,1 Prozent. Dennoch verbuchte das KBA quer über alle Pkw-Modellreihen für das erste Quartal 2009 ein deutliches Plus: Es gab 868.090 Neuzulassungen, 18 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2008.

VW steht mit insgesamt 165.312 neu zugelassenen Fahrzeugen (plus 19 Prozent) einsam an der Spitze. Darunter sind 58.198 Golf- und Jetta-Exemplare - nur gut 11.000 Autos weniger, als der zweitplatzierte Konkurrent Opel an Modellen zusammen verkaufte. Überwiegend kommen die Gewinnermarken allerdings aus dem Ausland. Shootingstar der ersten drei Monate ist - nach Prozenten - Hyundai mit einem Zuwachs von 149 Prozent. Es folgen Suzuki (110 Prozent), Fiat (101 Prozent) und Kia (71 Prozent). Allein für den Kompaktwagen i30 errechnete Hyundai ein Plus von 354 Prozent. Dagegen nehmen sich die Zahlen von Škoda (plus 55 Prozent) oder Toyota (plus 43 Prozent) fast bescheiden aus.

Auch die deutsche Tochter von Ford steht gut da. Ihre Kleinwagen Fiesta, Ka und Fusion verkaufen sich prächtig. Der Zuwachs liegt insgesamt bei 51 Prozent, wobei der Fiesta herausragt mit einem Anstieg der Absatzzahlen um 154 Prozent. Die prall gefüllten Auftragsbücher veranlassten die Kölner, nicht nur auf die angekündigte Kurzarbeit zu verzichten, sondern sogar Sonderschichten einzulegen. So verfährt auch Opel im Werk in Eisenach, obwohl der kleine Corsa mit 35,4 Prozent plus nicht ganz so erfolgreich ist.

"Es wird ein Loch geben"

Unklar ist, wie lange der Boom dank Abwrackprämie anhält. So schön der Beschluss der Bundesregierung für die Branche ist, den Geldtopf mit weiteren 3,5 Milliarden auf nunmehr fünf Milliarden Euro aufzufüllen, so sicher scheint manchem Experten der Abschwung danach. Denn womöglich kommt es zum gegenwärtigen Auftragshoch nur deshalb, weil Autofahrer, die in den nächsten Monaten ohnehin einen Neuwagen erwerben wollten, motiviert vom staatlichen Zuschuss den Kauf vorziehen. So wie es jetzt auf einen Schlag zu einer Massierung von Verkäufen kam, so könnte es im nächsten Jahr auch zu einem Absturz auf einen Schlag kommen. "Es wird ein Loch geben", sagt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Ford-Marketingchef Jürgen Stackmann ist anderer Meinung: "Die Abwrackprämie bringt uns Kunden, die sich normalerweise einen Gebrauchtwagen gekauft hätten. Wer sich regelmäßig alle drei oder vier Jahre einen Neuwagen zulegt, wird das auch in Zukunft machen."

Verlierer sind auf alle Fälle die Gebrauchtwagenhändler. Auch Schrotthändler leiden unter der Abwrackwelle. Gab es im letzten Herbst noch gute Preise für Schrott, sieht es nun anders aus. Autoverwerter Alfred Bauhaus aus Duisburg weiß nicht mehr, wohin mit dem Altmetall. Er schlachtet die Wagen aus, verkauft brauchbare Ersatzteile und verscherbelt die zusammengequetschten Karossen an Einschmelzer. 130 Euro bekam er in guten Zeiten für eine Tonne, jetzt sind es nur noch 25 Euro. Die Preise purzeln, weil der Markt mit derlei Angeboten überflutet wird und die Stahlpreise fallen. Zu allem Überfluss landet bei ihm auch so manches Fahrzeug, das noch gut in Schuss ist. Verkaufen darf er solch ein Exemplar nicht, er muss es zerlegen. "Das ist zum Heulen", sagt Bauhaus.

Ausländer haben die Nase vorn

Welche Modelle von der Abwrackprämie profitieren

print

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos