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Öko-Autos Explosionen und rostende Tanks: Warum manche Erdgaswagen Probleme machen

Erdgas statt Benzin zu tanken schont die Umwelt und das Portemonnaie. Doch die Tanks vieler Fahrzeuge sind rostanfällig, zwei  explodierten gar. Manche Kunden fühlen sich im Stich gelassen.

In ihrer Haltung sind die Deutschen überwältigend modern. Auf die Frage, ob sie sich ein Auto mit alternativem Antrieb kaufen würden, antworten zwei von drei Bürgern: "Ja" . In Umfragen. Tatsächlich kaufen sie nach wie vor Autos, die von klassischen Verbrennungsmotoren angetrieben werden – fast 99 Prozent der 45 Millionen Pkws auf deutschen Straßen fahren mit Benzin oder Diesel. So gern wir uns zur Technik der Zukunft bekennen, zum Schutz von Gesundheit und Natur – wenn wir vor der Kaufentscheidung stehen, bleiben wir lieber beim Althergebrachten.

Daran konnte auch die im Juli 2016 eingeführte Prämie für Elektromobilität nichts ändern. Mit immerhin 4000 Euro subventioniert die Bundesregierung den Kauf von Elektroautos; für Plug-in-Hybride, also Fahrzeuge, die sowohl über einen Benzin- als auch einen Elektromotor verfügen und bei den Käufern deutlich beliebter sind als die reinen Stromer, gibt es immerhin 3000 Euro. Und trotzdem nahmen bis zum Jahresende lediglich rund 9000 Neuwagenkäufer dieses Geschenk an. Erfolgsgeschichten sehen anders aus.

Erdgas ist öko

Damit die Deutschen tatsächlich auf umweltfreundliche Fahrzeuge umsteigen, müsste ihnen die Entscheidung versüßt werden. Nicht nur durch Prämien, sondern auch durch intelligente Übergangstechnologien, die alternative Kraftquellen wie Erdgas oder Wasserstoff konsequent nutzen, bis die Batterien für Elektroautos endlich bessere Reichweiten garantieren. Eine sinnvolle Lösung wären Autos, die mit "Compressed Natural Gas" (CNG) betrieben werden, mit Erdgas. Sie stoßen mindestens 24 Prozent weniger Kohlendioxid aus, produzieren weniger weitere Schadstoffe, und werden sie mit Biogas aus nachwachsenden Rohstoffen betankt, sparen sie 80 Prozent klimaschädlicher Emissionen. Ziel der Bundesregierung ist deshalb, ihre Zahl von derzeit gut 80 000 Pkws deutlich zu erhöhen.

Michael Walmsley wollte so früh wie möglich dabei sein. Der selbstständige Werbetexter aus Wuppertal entschloss sich bereits im November 2012, einen erdgasbetriebenen "VW Touran TSI Ecofuel" zu kaufen. "Wir wollten Qualität, VW hatte einen guten Ruf, und der Umweltgedanke war uns sehr wichtig", sagt er. Dass es bundesweit nur rund 900 Tankstellen gibt, die den Kraftstoff anbieten, konnte ihn nicht abschrecken. Immerhin sparte er beim Tanken 20 bis 30 Prozent, weil der Treibstoff Erdgas weniger hoch besteuert wird als Benzin.

Ärger von Anfang an

Für 15.000 Euro hatten die Walmsleys ihr gebrauchtes Ökoauto bei einem VW-Händler erstanden. Der Ärger begann schon nach einem Monat mit dem Austausch zweier Erdgastanks. Am zweiten Weihnachtsfeiertag 2015 ging der Touran während der Fahrt unvermittelt aus und musste in die Werkstatt.

Dort roch es im Motorraum nach Gas. "Die Mechaniker erklärten mir, dass das Steuerrelais kaputt sei und die Tanks verrostet." In diesen lagert das Erdgas unter 200 Bar Druck. Geschätzte Reparaturkosten: 8500 Euro. Leider gebe es von "VW keine Kulanzregelung, das Problem sei bekannt". Als Walmsley sich heftig wehrte, schickte Volkswagen einen Sachverständigen nach Wuppertal. Und übernahm die Rechnung für den Austausch von zwei der vier Erdgastanks, die unter dem Fahrzeugboden montiert sind. Doch die neu eingesetzten Stahlflaschen gammelten bald schon wieder. Anfang 2016 wurden auf Drängen Walmsleys zwei weitere Tanks getauscht. VW startete im Sommer eine umfassende Rückrufaktion und beorderte mehr als 30 000 Fahrzeuge in die Werkstätten.

Das Vertrauen der inzwischen vierköpfigen Familie Walmsley in ihr Ökoauto ist dennoch geschwunden. Bleibt der Tank wirklich dicht? "Meine Frau hat Panik", sagt Walmsley. "Sie überlegt bei jedem Tankstopp, ob sie unsere Kinder lieber zuvor aus dem Auto holt."

Berechtigte Sorgen

Die Furcht hat gute Gründe. Anfang September 2016 explodierte an einer Erdgas-Zapfsäule im niedersächsischen Duderstadt ein VW Touran, während der Fahrer tankte. Der Mann wurde verletzt, der Verkauf von Erdgas an zahlreichen Tankstellen vorübergehend gestoppt. Die Göttinger Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein, deren Resultat seit Ende November vorliegt: Tatsächlich war Rost der Auslöser des Unfalls, der korrodierte Tank detonierte. Bereits zuvor war in der Nähe der schwedischen Stadt Göteborg ein Touran Ecofuel explodiert. 

Walmsley hofft, dass er nach seinen immerhin drei Tauschaktionen jetzt Ruhe hat. 

Die Politik setzt den Herstellern klare Vorgaben: Bis 2020 müssen sie den Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid auf durchschnittlich 95 Gramm pro Kilometer senken. Die Grünen forderten auf ihrem Bundesparteitag im November, dass ab 2030 nur noch wirklich umweltfreundliche Fahrzeuge zugelassen werden. In absehbarer Zukunft wäre dann Schluss mit Feinstaub, Stickoxiden und schädlichen Klimagasen aus Millionen Auspuffrohren. 

Letzteres ist nicht nur Parteipolitik, sondern offizielle Staatslinie: 2015 trat Deutschland der International Zero-Emission Vehicle Alliance (ZEV Alliance) bei. In ihr bekennen sich Großbritannien, die Niederlande, Norwegen und eine Reihe von US-Bundesstaaten dazu, bis 2050 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge auf ihren Straßen zuzulassen.

Doch warum werden Nutzer alternativer Technologien von der Politik noch immer mit ihren Problemen alleingelassen?

Der Pfusch rächt sich

So werden nicht die Hersteller, sondern neben vielen Rost-Geschädigten der jüngeren Zeit auch die Besitzer älterer Erdgas-Fahrzeuge für Fehler der Vergangenheit teuer bezahlen müssen. Laut einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006 verlieren ihre Autos nach 15 Jahren die Betriebserlaubnis, wenn die Tanks nicht ausgetauscht werden. Dieses Problems ist sich kaum ein Erdgasfahrer bewusst. Thomas Schuster, Prüfingenieur und Kfz-Sachverständiger, sagt: "Der Austausch führt beim Kunden zum wirtschaftlichen Totalschaden." Denn die Kosten dafür können bei gut 5000 Euro liegen. Ein Betrag, der häufig den Restwert der Fahrzeuge übersteigt. Bei Volvo etwa sind die "V70-Bi-fuel-Modelle" bis zum Baujahr 2002 betroffen. Bei Fiat die "Marea Bipower"-Modelle und der "Multipla Bipower".

Einstweilen sollen zumindest Halter der potenziell von Rostfraß betroffenen Gas-Modelle vor weiteren Explosionen durch eine improvisierte Sicherheitsmaßnahme geschützt werden: Nur wer per Werkstattbescheinigung belegen kann, dass er seine alten CNG-Tanks durch neue, angeblich langlebigere austauschen ließ, darf etwa in einen VW Touran der Baujahre 2006 bis 2010 nach Belieben Treibstoff einfüllen. Doch die Korrosionsfestigkeit der verbauten stählernen Tanks steht und fällt mit der Festigkeit einer speziellen Lackschicht. Sie sind, anders als Gasdruckbehälter manch anderer Hersteller, nicht aus rostfreiem Material gefertigt, sondern lediglich mit einer Schutzschicht überzogen.

Fortschritt für sichere Tanks

Dabei gibt es inzwischen hochwertigere Materialien. Modelle der VW-Tochter Audi etwa, aber auch der neue Golf sind mitwesentlich moderneren Tanklösungen ausgestattet. Sie werden aus Kunststoffen gefertigt, die mit Kohlenstoff- und Glasfasern verstärkt sind, rotten nicht, sind leicht und stabil. Auch bei den Atemschutz-Flaschen von Feuerwehrleuten hat sich diese Technik seit Jahren bewährt. Sie kosten deutlich mehr, leben dafür aber auch deutlich länger.

Der Volkswagen-Konzern hat im Zuge des Skandals um manipulierte Abgaswerte seiner Diesel-Fahrzeuge eine Menge Vertrauen verspielt. Gerade erst warb das Unternehmen mit einer ambitionierten Image-Kampagne um das Wohlwollen der Öffentlichkeit. Die großen Anzeigen versprechen: "Jeder einzelne Kunde ist uns wichtig." Doch gilt die Treue-Verheißung wirklich für jeden? 

Im US-Markt steht das viele Milliarden Dollar schwere Entschädigungsprogramm für Diesel-Käufer ins Haus, was deutsche Kunden wiederum verärgert, weil sie sich schlechter behandelt fühlen. Die Rechtslage hierzulande macht vergleichbare Entschädigungszahlungen so gut wie unmöglich. Und Kunden wie Walmsley, die nicht zum Millionenheer der Diesel-Käufer zählen, sondern zur Minderheit der Erdgaskunden, fühlen sich ohnehin nicht geliebt von der VW-Familie.

Offenheit und Kulanz

Dabei wären radikale Offenheit und Kulanz dringend nötig, nicht nur wegen des Wiederverkaufswerts der Erdgasautos. Der Wolfsburger Autokonzern will weiterhin unter der Dachmarke VW und bei seinen Töchtern Audi, Seat, Škoda Erdgasautos bauen und verkaufen. Und auch Mercedes Benz, Fiat und Opel mischen mit – mehr als 20 CNG-Modelle sind auf dem Markt. Die Preise liegen zwischen 12 160 Euro für einen "Seat Mii Ecofuel 1.0 Start & Stop" und 48 000 Euro für einen "E 200 Natural Gas Drive" von Mercedes Benz. 

Doch statt eine Erfolgsgeschichte zu werden, sind Erdgasautos bislang vor allem eines: ein Lehrstück dafür, wie eine ausgereifte, ökologische Alternative nur halbherzig gefördert, ihre kleine Käuferschar von der Industrie kaum wertgeschätzt und ihr Image am Ende noch ruiniert wurde. 

Die Walmsleys denken jetzt über einen Neukauf nach, ein Erdgaswagen ist jedoch aus dem Rennen. "Wir kaufen uns einen Benziner. "Aber wohl nicht von VW", sagt Michael Walmsley. Er hofft, dass diesmal alles klappt.

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