Kommentar Wolfsburger Schwarzbrot

Markenchef Bernhard geht - mit besten Wünschen für die Zukunft und sechs Millionen Handgeld von Volkswagen. Noch ist der Schreibtisch nicht geräumt, schon wird mit Bernhards "Flausen" aufgeräumt.

Wolfgang Bernhard, der ruppige Sanierer, mit dem Ruf, ein Charme wie ein Maschinengewehr zu entfalten, ist ein Auto-Mann durch und durch. Als solcher ließ er sich selbst in der norddeutschen Niederung das Träumen nicht verbieten. Seine Definition von Volkswagen hieß nicht mehr "grundsolide und bieder", sondern "Traumwagen, die man sich leisten kann".

Glamour statt Biederkeit

Andere Stimmen im Konzern möchten die Dreamcars lieber auf die Edelmarke Audi beschränken, Skoda und Volkswagen sollen dagegen Transportmittel für das Fußvolk bereitstellen. Bernhard wollte in Wolfsburg eine Produktoffensive starten, wie man sie sonst nur aus Ingolstadt kennt. Bevor diese Modelle auf die Straßen rollen, wusste sich Selbstdarsteller Bernhard durchaus zu helfen. In Ermangelung echter Modelle ließ er kurzerhand die Studien der Marke auf Nobel-Events feiern. Natürlich konnte man über diese Sausen prächtig spotten. Da wurden Autos gezeigt, so wie sie nie vom Band laufen werden. Da durfte sich die Berliner-Partygesellschaft auf VW-Kosten mit Hummer und Champagner durchfüttern. Da gaben angejahrte Autojournalisten die Staffage für den Auftritt angesagter Popidole ab, die sich von der Decke auf den VW-Boden abseilten. Und immer mittendrin: Wolfgang Bernhard. Strahlend und souverän wie ein Dressmann. Stets im Dienst der Eigen- und der Markendarstellung. Ob man nun spottet oder nicht, amüsiert haben sich alle. Und Bernhards Rechnung ging auf. Die Wolfsburger Ausflüge ins Partyfach waren in aller Munde und in allen Medien. Manchmal, wie hier, durchaus mit mokantem Unterton. Aber egal, am Ende schmückte sich die Marke mit Emotionen, Stars und Glamour. Damit ist nun Schluss: Kein Bernhard, keine Party. Das geplante Februar-Event zur Berlinale ist bereits gestrichen. Das kann nichts Gutes bedeuten, denn ohne Lifestyle-Image verkauft sich heutzutage nichts.

Ohne Ansehen der Verdienste

Die Gründe für Bernhards Gehen fallen unter die Rubrik "persönliche Animositäten" und haben nichts mit seiner zweijährigen Tätigkeit bei VW zu tun. Denn schlecht ist es um die Marke nicht bestellt. Der Golf dominiert nach wie vor das Kompaktsegment, neue Modelle sind in der Pipeline und manche Verkrustungen der "Wolfsburger Krankheit" wurden aufgebrochen. Bernhards wichtigste Hinterlassenschaft betrifft das Montageband. Er konnte das Hartz-Erbe zu Recht stutzen, und es gelang ihm, die Produktion zu straffen und zu verbilligen. Damit hatte Volkswagen zum ersten Mal seit langem die Perspektive, Fahrzeuge herzustellen, mit denen auch tatsächlich echtes Geld verdient werden kann.

Traumwelten des kleinen Mannes

Bernhard besitzt das richtige Gespür für den Massenmarkt und aus dem Luxussegment bringt er das Wissen von den Dingen mit, von denen die Kunden träumen. Er wusste, auch der VW-Kunde will schwärmen. Seinen Wunsch nach Realitätsflucht kann man am Erfolg der Cross-Modelle ablesen. Nach dem Cross Polo, beglücken nun Cross Touran und Cross Golf die Republik. Genau genommen handelt es sich jeweils nur um eine Art Bodykit mit ein paar Edelzutaten. Chromkringel, das man sonst bei D&W zusammenraffen kann, mit dessen Hilfe selbst ein Biedermann wie der Touran, ein klein wenig nach Abenteuer aussieht. Der Kunde hat darauf gewartet. Für Volkswagen kann man nur hoffen, dass das Bernhardsche Prinzip "Realismus in der Produktion und Fantasie beim Produkt" nicht mit seinem Weggang begraben wird.

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