Maskenaffäre in der Union Warum die Union die Landtagswahlen kaum gewinnen kann

Susanne Eisenmann, Spitzenkandidatin der baden-württembergischen CDU für die kommende Landtagswahl
Susanne Eisenmann, Spitzenkandidatin der baden-württembergischen CDU für die kommende Landtagswahl, nimmt an der Präsentation der Landtagwahlkampagne der baden-württembergische CDU teil
© Marijan Murat / DPA
Bei den anstehenden Landtagswahlen dürfte die CDU kräftig verlieren. Korruptionsaffäre und Pandemie-Pannen machen den Wahlkämpfern zu schaffen.

Dass Robert Habeck auch Prophet kann, ist noch viel zu wenig beachtet worden. Der Mann schaut in die Zukunft. Dieser Eindruck entsteht, wenn man sich an den 27. Januar erinnert. Der Grünen-Chef saß bei Sandra Maischberger, neben dem anderen großen Corona-Propheten Karl Lauterbach, philosophierte über die Union und deren Chancen bei der Bundestagswahl. Die hohen Umfragewerte beeindruckten ihn nicht, sie seien nicht stabil und hingen am Wirken der Regierung in der Pandemie. Wenn die Menschen begännen, mit dem Kurs zu hadern, würden auch die Umfragewerte sinken: "Wir wissen nicht, was passiert."

Was wie eine Binse klang, erweist sich sechs Wochen später als prophetisch. Nach monatelangem Höhenflug in den Umfragen haben CDU und CSU den Sinkflug eingeleitet, 32 Prozent der Bürger wollen sie derzeit noch wählen, April 2020 waren es 38 Prozent. Neue Tiefschläge drohen am Sonntag bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. 

Zustimmung für CDU schwindet

Beide Bundesländer sind Stammländer der Union, eigentlich, und doch ist das Amt des Ministerpräsidenten für die CDU so erreichbar wie die Meisterkrone für Schalke 04. Nicht mal die eigenen CDU-Wähler trauen der baden-württembergischen Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann den Job zu, laut des ZDF-Politbarometers vom vergangenen Donnerstag begeistern sich für sie nur 29 Prozent der CDU-Wähler. Den Grünen Winfried Kretschmann wünschen sich immerhin 59 Prozent der CDU-Sympathisanten.

Was nicht wundert. Den "Konservativen-Flüsterer" hat er so eingeübt, dass sich nicht wenige fragen: "Was ist an Kretschmann noch grün?" Eisenmann hat zudem mit diversen Pannen in ihrem Kultusressort, etwa bei der Digitalisierung der Schulen, zu kämpfen, weswegen 68 Prozent der Befragten laut einer Umfrage der südwestdeutschen Tageszeitungen mit ihrer Arbeit hadern. Bei Kretschmann sind es 28 Prozent.

In Rheinland-Pfalz – das ist das Land, wo der spätere Kanzler Helmut Kohl seinen Aufstieg begann – müht sich ein weitgehend unbekannter Kandidat namens Christian Baldauf ab. Gegen die populäre Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat der Mann, den laut Umfragen 40 Prozent der Wähler überhaupt nicht kennen, keine Chance. 

FDP-Chef Christian Lindner äußert sich im ntv-Frühstart zur sogenannten Masken-Affäre (Symbolbild)
FDP-Chef Christian Lindner äußert sich im ntv-Frühstart zur sogenannten Masken-Affäre (Symbolbild)
Lindner übt harsche Kritik an CDU/CSU wegen Masken-Affäre – und fordert einen Sonderermittler

Sehen Sie im Video: Lindner übt harsche Kritik an CDU/CSU wegen Masken-Affäre – und fordert einen Sonderermittler 

Baldauf und Eisenmann bläst nun noch ein Orkan aus Berlin entgegen. Die Korruptionsaffäre um die Parlamentarier Nikolas Löbel (CDU) und Georg Nüsslein (CSU), die offenbar mehrere hunderttausend Euro einstrichen, weil sie Schutz-Masken vermittelten, ist ein Gau für die Union. Eine Partei, die von sich selbst denkt, dass ihr die Macht per Gewohnheitsrecht zusteht, weil nur sie dieses Land angeblich gut regieren kann, bestätigt das alte Vorurteil: "Die in Berlin füllen sich doch nur die Taschen mit Geld."

Demokratieverächter bekommen Zulauf

Jeder aufrichtige Parlamentarier, und davon gibt es viele, muss das Verhalten als K.o.-Schlag empfinden. Er kann noch so viele Anfragen schreiben, noch so viele Ideen haben, noch so viele Projekte vorantreiben, nur gilt er wieder als Raffke. Dieser Imageverfall ereignet sich in einer Zeit, wo Deutschland in einer der größten Krisen der Nachkriegszeit steckt. Viele Menschen haben Angst um ihre Zukunft, Demokratie-Verächter bekommen Zulauf, doch einige Unions-Herren haben nichts Besseres zu tun, als Geld abzugreifen und den Rechten die Argumente zu liefern. Erklären kann das keiner, aber wütend ist jeder.

Zumal Löbel und Nüsslein nicht als einzige Unions-Parlamentarier im Zwielicht stehen. Man erinnert sich an die Fälle von Axel Fischer und Karin Streng, die von der aserbaidschanischen Regierung bezahlt worden sein sollen. Oder an Philipp Amthor, der für Lobbydienste offenbar Aktienoptionen erhielt. Die Konsequenz für Amthor? Am Wochenende wählten ihn die Landes-CDU in Mecklenburg-Vorpommern zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl.

Bleibt die Sache mit dem guten Regieren, wofür sich die Union rühmt. Das erledigt sich gerade selbst. Masken, Testen, Impfen – bei allem, womit der Staat die Pandemie bekämpfen will, liefern Angela Merkel, ihr Kabinett und die Ministerpräsidenten ein Grusel-Bild ab. Über 70.000 Menschen sind Corona zum Opfer gefallen, etwa 60.000 seit Anfang November. Sie starben, weil sich die Politiker auf den Lorbeeren aus dem Frühjahr 2020 ausgeruht haben, als das Land gut durch die Krise kam. 

Der Merkel-Bonus wird zum Merkel-Malus

Doch im Sommer haben sie es versäumt, die Republik auf die zweite Welle vorzubereiten. Die Gesundheitsämter haben sie nicht vernünftig aufgerüstet, die Heime nicht ausreichend geschützt und die Schulen sich weitgehend selbst überlassen. Ob etwa die Klassen geöffnet werden sollen, wird seit Monaten diskutiert. Aber sind die Lehrer dafür ausreichend geimpft? Nö. Gibt es genügend Luftfilter in den Klassenräumen, um das Virus zu stoppen? Bloß nicht. Liegen genügend Schnelltests vor, damit man Kinder und Jugendliche massenhaft testen kann? Ach was. Dafür richten wir jetzt aber eine Taskforce ein.

Der Gipfel des Missmanagements zeigte sich vergangenen Mittwoch. Als die Kanzlerin ihre Worte aus der Vergangenheit verspeiste. Vor gut drei Wochen wollte sie Geschäfte oder Hotels erst öffnen, wenn die Infektionen sinken würden; konkret, wenn die Inzidenz stabil unter 35 Fällen auf 100.000 Einwohner liegt. Davon war nun nicht mehr die Rede. Das Land wird geöffnet, weil man, nun ja, den Menschen die Einschränkungen nicht länger zumuten könne – obwohl Umfragen, etwas anderes sagen. 

Solche Irrfahrten fördern Politikverdrossenheit, selbst bei jenen, die Merkels  Kurs lange unterstützen. Wer soll eine Partei wählen, die den Kompass verloren hat, der die Orientierung beim Kampf gegen Corona fehlt, und deren Vertreter kein Gespür für unappetitliche Geschäfte haben.

Wo die Talfahrt der Union endet, weiß noch keiner. Außer Robert Habeck vielleicht. Ihn beschlich nach den jüngsten Beschlüssen ein "mulmiges Gefühl". Als Folge könnten bald die Infektionen steigen und dann würden "wir Ostern wieder im Lockdown sitzen". Für die Union wäre es das nächste Desaster, der Merkel-Bonus würde zum Merkel-Malus.

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