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Internetsperren Stoppschild gegen Kinderpornos im Web

Statt kinderpornografischer Seiten wird künftig bei fünf großen Internetanbietern ein Stoppschild im Browser gezeigt. Doch wie sollen diese Sperren verwirklicht werden und kann Kinderpornografie im Internet so überhaupt wirksam verhindert werden?

Fünf der acht Marktführer bei Internetzugängen schlossen am Freitag zusammen mit der Bundesregierung und dem Bundeskriminalamt einen Vertrag zur Sperrung der Kinderpornoseiten. Das Bundeskriminalamt soll den Providern aktuelle Sperrlisten liefern. Die Anbieter haben ein halbes Jahr Zeit für die Umsetzung. Kommende Woche will das Kabinett einen Gesetzentwurf zu dem Thema beraten. "Die Opfer werden immer jünger, die Taten werden immer brutaler. Es ist das schiere Grauen", begründete Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen die Notwendigkeit des Vertrags.

Der Handel mit Kinderpornos trage Züge organisierter Kriminalität und sei ein Millionengeschäft. In den Verträgen seien die Aufgaben klar verteilt, erklärte die CDU-Politikerin. Die Liste der zu sperrenden Adressen ermittele und liefere das BKA. "Die eventuelle Haftung für die danach einzuleitende Sperrung liegt daher auch allein beim BKA", betonte von der Leyen. Die Zugangsanbieter seien ausschließlich für die technischen Sperrmaßnahmen zuständig.

Gesetz als zweiter Schritt

Die Anbieter sperren die Namen der jeweiligen Seiten im Internet. Kritiker monieren allerdings, dass diese Sperren mit wenig Aufwand zu umgehen sind. Zu den Vertragsunterzeichnern gehören die Unternehmen Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Telefonica/O2, Kabel Deutschland und Hansenet/Alice. Die Anbieter United Internet, Freenet und Versatel hatten den Angaben zufolge zuletzt keine Verhandlungen mehr mit der Bundesregierung geführt.

Wer nicht freiwillig mitmacht, soll möglichst zur Sperrung von Kinderpornoseiten gezwungen werden. Das "Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen", dass kommende Woche im Kabinett behandelt werden soll, sei "als zweiter Schritt sinnvoll, weil es konsequent 100 Prozent des Marktes erfasst, keine Ausnahme zulässt und zwingende, nicht vom Wohlwollen der Beteiligten abhängige Regelungen zur effektiven Erschwerung des Zugangs zu den kinderpornografischen Inhalten trifft", erklärte von der Leyen.

Das Gesetz soll noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten, wie Telekom-Chef René Obermann erklärte. Obermann verwies auch darauf, dass die Verträge mit Bundesregierung und BKA bis Ende 2010 befristet sind und die Unternehmen mit Frist von drei Monaten die Möglichkeit zur Kündigung haben. BKA-Präsident Jörg Ziercke dankte den Providern für die Verpflichtung auf freiwilliger Basis. Das Access Blocking sei ein präventives Instrument, ein Baustein in der Bekämpfung der Kinderpornografie im Netz, der nicht isoliert gesehen werden dürfe. "Wer dieses Stoppschild sieht, weiß, dass er sich strafbar macht, wenn er weitermacht", sagte Ziercke.

Rund 200 Angehörige des "Arbeitskreises gegen Internetsperren und Zensur" demonstrierten vor Ort gegen die Vertragsunterzeichnung. Mit Sprüchen wie "Von Laien regiert", "Uschi, mach' keinen Scheiß" oder "Zensur ist Täterschutz" warfen sie der Regierung wirkungslosen Aktionismus vor. Anstatt effektive und zielführende Maßnahmen zu ergreifen und das Übel an der Wurzel zu packen, werde versucht, durch Druck auf die Internetanbieter eine Zensurinfrastruktur zu schaffen, erklärte der Chaos Computer Club, der dem Arbeitskreis angehört.

CCC hält Sperren für nutzlos

Der Chaos Computer Club hält die geplante Sperrung von Kinderpornografie-Seiten im Internet für nutzlos. "Solche Filtermaßnahmen lassen sich leichtens umgehen", sagte der Experte Matthias Mehldau am Freitag dem Audiodienst der dpa. Zudem würden sich diejenigen, die damit am Zugang gehindert werden sollten, neue Konzepte und Mechanismen überlegen. "Hier wird ein großes Katz-und- Maus-Spiel aufgemacht", sagte Mehldau.

Sinnvoller als - wie geplant - Stoppschilder an Kreuzungen im Internet aufzustellen sei es, bei den Internet-Anbietern anzusetzen, wo die Inhalte liegen. Dort müssten die Angebote offline geschaltet werden, forderte Mehldau.

Wie läuft eine Sperrung ab?

Das Bundeskriminalamt (BKA) erstellt eine tagesaktuelle Liste von Kinderporno-Seiten im Netz und übermittelt sie an die Internet- Provider. Diese blockieren auf dieser Grundlage den Zugang zu den Webseiten. Wenn ein Nutzer versucht, eine gesperrte Seite aufzurufen, erscheint eine standardisierte Stopp-Seite.

In welchen Ländern gibt es schon Sperren?

Viele Länder arbeiten seit Jahren mit Kinderporno-Sperren. Dazu gehören Norwegen, Dänemark, Schweden, Finnland, die Niederlande, Italien, Großbritannien, die Schweiz, Neuseeland, Südkorea, Kanada, die USA und Taiwan. Die meisten verwenden die sogenannte DNS-Sperre, Großbritannien blockiert die Seiten auf Basis einer Hybrid-Technik.

Wie viele Zugriffe können verhindert werden?

In Norwegen werden laut Familienministerium jeden Tag etwa 18.000 und in Schweden rund 50.000 Zugriffe auf kinderpornografische Seiten verhindert. Umgerechnet auf Deutschland entspricht dies zwischen 300.000 bis 400.000 Zugriffen täglich.

Welche Technik soll in Deutschland angewendet werden?

Hier ist eine Sperrung über das Domain Name System (DNS) geplant. Ein Nutzer ruft normalerweise eine Seite mit dem Domainnamen oder der URL (Uniform Resource Locator) auf, wie etwa www.beispieladresse.de. Als Wort sind die URLs leicht zu merken. Ein DNS-Server übersetzt den Domainnamen in eine IP-Adresse, die nur aus Zahlen besteht. Wenn eine DNS-Sperre geschaltet ist, meldet der DNS-Server keine IP-Adresse mehr, sondern einen Fehler - es wird keine Verbindung zur Webseite hergestellt. Jeder Provider betreibt eigene DNS-Server. Eine DNS- Sperre zu setzen, ist jedoch gar nicht so einfach, denn meistens gibt es zu einer IP-Adresse gleich mehrere Domainnamen.

Lassen sich die Sperren umgehen?

Durch kleine, regelmäßige Änderungen der Internet-Adresse kann ein Anbieter den Filter austricksen. Wenn der Betreiber einer Website für die Übersetzung des Domainnamens in die IP-Adresse nicht den DNS- Server seines Providers verwendet, sondern einen kostenlosen Dienst wie OpenDNS, kann er die Sperre ebenfalls überwinden. OpenDNS lehnt Blockaden einzelner Sites prinzipiell ab. Die Nutzer können die Sperren ebenfalls umgehen, indem sie direkt die IP-Adresse in ihren Browser eingeben oder im Betriebssystem einen ausländischen DNS- Server eintragen. Anleitungen dazu gibt es bereits im Internet.

Welche Techniken gibt es sonst noch?

Als Alternative zur DNS-Sperre kann der Zugriff auf die IP-Adresse des Kinderporno-Servers blockiert werden. Dafür werden die "Router" dazu gebracht, Daten mit dieser Zieladresse nicht weiterzuleiten. Ein Router verbindet mehrere Rechnernetze, analysiert die ankommenden Daten nach ihrer Zieladresse, blockiert sie oder leitet sie weiter. Die Sperre ist schwieriger zu umgehen als eine DNS-Sperre. Da jedoch unter einer IP-Adresse oft sehr viele Websites erreichbar sind, würden gleichzeitig viele legale Seiten gesperrt.

Die British Telecom setzt seit einigen Jahren ein Hybridsystem namens CleanFeed ein, das verschiedene IP- und URL-Filter kombiniert. Die IP-Adressen werden über spezielle Server umgeleitet, die spezifische URLs mit kinderpornografischem Material herausfiltern. Auch wenn dieses System schwieriger zu umgehen ist und spezifischere Blockaden als die DNS-Sperre erlaubt, lässt es sich durch virtuelle Tunnel oder Anonymisierungsdienste austricksen.

Wird Kinderpornografie mit Sperren verhindert?

Oft werden kinderpornografische Dateien über private Netzwerke und Foren mit wechselnden IP-Adressen ausgetauscht, bei denen ein Filter nichts ausrichten kann. Viele Nutzer solcher Inhalte nehmen über das Internet außerdem nur Kontakt zu den Anbietern auf und lassen sich das Material danach per Briefpost zuschicken.

AP/DPA AP DPA

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