Das Silicon Valley muss sich hintenanstellen: Eigentlich wollte Google bereits Mitte Mai sein neues Betriebssystem Android 11 enthüllen, doch die große Show blieb bekanntlich wegen der Coronakrise verwehrt. Der geplante Livestream wurde auf Anfang Juni verschoben, doch dann kam es in den USA zu landesweiten Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Um die Vorstellung der neuen Software nicht noch weiter hinauszuzögern, hat Google Android 11 nun in einem Blogeintrag genauer vorgestellt und die erste Testversion (Beta) veröffentlicht. Sie steht ab sofort für die Pixel-Phones der Generationen 2 bis 4 zum Download bereit.
Android 11: Quatschen über Bubbles
Der Schwerpunkt von Android 11 liege laut Google auf den Bereichen "Menschen, Kontrolle und Privatsphäre", mit denen zuletzt auch Apple punktete. Außerdem wird eine neue Darstellung der Benachrichtigungen für Messenger-Apps eingeführt. So sollen Nachrichten von einigen Freunden eine höhere Priorität bekommen als Push-Mitteilungen von News-Apps oder sonstigen Diensten. Priorisierte Chats werden sogar auf Always-on-Displays angezeigt, selbst wenn sich das Telefon im "Bitte nicht stören"-Modus befindet - man sollte also genau überlegen, wer ein Prio-Kontakt wird. Im Benachrichtigungsbereich werden außerdem Messenger-Gespräche über allen anderen Mitteilungen angezeigt.
Ein weiterer Baustein der neuen Kommunikations-Features sind die "Bubbles", eine Schnittstelle für alle Messenger-Apps. Sie erinnern auf den ersten Blick an die Chat-Bläschen des Facebook Messengers und können dauerhaft über das gesamte Display gelegt werden. Der Vorteil: So kann man auf Nachrichten reagieren, ohne zwischen einzelnen Apps hin- und herwechseln zu müssen.
Android 11 mit mehr Datenschutz
Der zweite Schwerpunkt liegt auf Privatsphäre-Funktionen. Zugegeben: Für umfassenden Datenschutz war Google in den vergangenen Jahren nicht unbedingt bekannt. Mit Android 11 führt der Konzern nun einige Funktionen ein, die Apple im vergangenen Jahr in seine iPhones implementiert hat. So kann man unter Android 11 die Erlaubnis zum Zugriff auf Kamera, Mikrofon oder Standort von Einzelfall zu Einzelfall festlegen. Dadurch bekommen die Apps nicht dauerhaften Zugriff, sondern müssen jedes Mal neu fragen.
Ebenfalls neu: Wird eine Anwendung über einen längeren Zeitraum nicht gestartet, setzt Google alle mit der jeweiligen App verbundenen Berechtigungen automatisch zurück. Dies passiert nicht verborgen im Hintergrund, der Nutzer wird über diesen Schritt informiert. Startet man die App später erneut, kann man die Berechtigungen wieder erteilen.
Zudem wird der Zugriff auf die Standortabfrage im Hintergrund für App-Entwickler künftig erschwert. Benötigen Anwendungen einen permanenten Zugriff auf die Standortdaten des Telefons, muss der Nutzer die Einstellung händisch aktivieren, die App-Anbieter müssen zudem umfassend erklären, warum sie einen dauerhaften Standort-Zugriff benötigen. Ein längst überfälliger Schritt.

Android 11: Release im Herbst?
Die neue Android-Version bringt aber auch kleine, willkommene Verbesserungen. So gibt es nun eine eingebaute Bildschirmaufnahme und ein mächtigeres Screenshot-Tool, der Dunkelmodus bekommt außerdem eine Automatisierung. Ein weiteres Feature hat sich Google ebenfalls bei Apple abgeguckt: Mit Android 11 kann man die Medien-Wiedergabe in den Schnelleinstellungen leichter zwischen verschiedenen Geräten hin- und herwechseln. Apples Airplay-Menü lässt grüßen.
Die finale Version von Android 11 wird vermutlich im späten Herbst zum Download bereitgestellt. Allerdings dürfte nur ein Bruchteil der Besitzer von Android-Telefonen das Update in diesem Jahr herunterladen können. Denn viele Hersteller von Android-Smartphones (Samsung, LG, Sony, Xiaomi ...) stellen die Updates - wenn überhaupt - nur verzögert bereit, weil diese erst an die jeweiligen Plattformen angepasst werden müssen. Und das dauert.
Wie sehr sich die Verbreitung dadurch verzögert, zeigt ein Blick auf die Zahlen von Statcounter. Demzufolge nutzten im Mai 2020 gerade einmal 18,6 Prozent das derzeit aktuelle Android 10, Android 9 aus dem Jahr 2018 ist mit 34,7 Prozent die populärste Betriebssystem-Nummer. Das 2015 vorgestellte Android 6 läuft dagegen immer noch auf 8,7 Prozent der Geräte, das ebenfalls völlig veraltete Android 7 auf 6,2 Prozent.
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