Ein Wort beschreibt den auffälligsten Smartphonetrend auf dem Mobile World Congress in Barcelona, dem jährlichen Schaulaufen der Mobilbranche: Leistung. Verblüfften die Hersteller bis vor ein, zwei Jahren noch mit immer neuen Funktionen, die sie in die Mobiltelefone hineinstopften, ist es nun die Leistungsfähigkeit der Smartphones, die förmlich explodiert. Besonders offensichtlich ist das bei den Prozessoren und den Displays.
Die Kraft der vier Herzen
Nach Single- und Zweikernprozessoren werkeln zumindest in den High-End-Modellen Prozessoren mit vier Rechenkernen. Der Aufstieg der Quadcorechips geht auf wachsenden Hardware-Hunger einiger Apps und Spiele zurück. Vor allem aber sind es natürlich die Chipproduzenten selbst, die das Machbare in den Markt drücken. Ganz vorne dabei: Nvidia. Eigentlich ein Spezialist für Grafikprozessoren, treibt das Unternehmen mit seiner Tegra-Plattform die meisten Spitzen-Smartphones zu immer neuen Rechenrekorden. Und zwar auch in Sachen Grafik. Die neue dritte Generation des Tegra-Chips ist laut Hersteller dreimal so mächtig wie sein nur ein Jahr älterer Vorgänger.
Schärfer, schärfer, schärfer
Den für den Nutzer offensichtlichsten Entwicklungssprung machen die Bildschirme der Telefone. Wie beim Fernseher ist HD das Ziel, Auflösungen von 1280 x 720 Pixeln sorgen auf immer mehr Geräten für gestochen scharfe Bilder. Fujitsu zeigt mit dem NXUI sogar ein Smartphone, das auf nur 4,3 Zoll Diagonale eine Full-HD-Auflösung von 1920 x 1080 Pixeln bietet. Gleichzeitig wächst aber auch die Displaygröße. Eine Bildschirmdiagonale von 4,7 Zoll gehört nicht mehr zu den Superlativen. Fünf-Zoll-Smartphones wachsen den Tablets entgegen, die werden wiederum auch in kleinen Dimensionen gebaut. Die Grenzen zwischen Telefon und Tablet verschwinden. Außerdem ist auch bei der Bildqualität - und das ist vielleicht die beste Nachricht für den Nutzer - noch immer nicht das Ende der Fahnenstange erreichte. Auch bei Helligkeit, Kontrast, Farbtreue und Lesbarkeit bei Sonneneinstrahlung gibt es sichtbare Fortschritte.
Weitere Trends: LTE, NFC und "Ice Cream Sandwich"
Der neue schnelle Mobilfunkstandard LTE, der sich auch in Deutschland langsam ausbreitet, bekommt endlich die nötige Auswahl an Smartphones. Jeder große Hersteller hat mindestens ein passendes Gerät im Portfolio. Die riesigen Datenmengen, die mit LTE auch unterwegs bewegt werden können, erfordern auch im Smartphone die nötige Power, um verarbeitet zu werden. Hier läuft die Entwicklung von Hardware und Funktechnik passenderweise parallel.
Bis LTE allerdings zum Massenphänomen wird, dauert es noch einige Zeit. Gleiches gilt für die Near Field Communication (NFC), eine neue Technik für die blitzschnelle Übertragung von Daten auf kurzer Distanz (rund zehn Zentimeter). Das berührungslose Bezahlen per Handy ist eine der Visionen für NFC, und in vielen neuen Smartphones wird der entsprechende Chip eingebaut. Mit dessen wachsender Verbreitung wird wohl auch die Zahl der Möglichkeiten steigen, NFC im Alltag einzusetzen. Daran hapert es noch.
Sofort einsatzfähig ist hingegen die neue Version 4.0 von Googles Android-Betriebssystem, Codename "Ice Cream Sandwich". Die Zeiten des Samsung Galaxy Nexus als einzigem Smartphone mit Android 4.0 sind in Barcelona erwartungsgemäß vorbei. Viele Hersteller verwenden die neue Version, vor allem für ihre teureren Modelle.
Neue Mitspieler sorgen für Preiskampf
Der ungebrochene Boom der Smartphones im Allgemeinen, aber vor allem der Android-Plattform lockt neue Unternehmen an, die ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. Etablierte Elektronikmarken wie Panasonic und Fujitsu wagen mit eigenen Geräten einen ersten Vorstoß außerhalb Asiens. Die wahren Gamechanger kommen aber aus China: Huawei und ZTE greifen die etablierten Handybauer mit günstigen Geräten an. Allein von ZTE werden acht Neuvorstellungen erwartet. Und Huawei zeigt auf dem MWC mit dem Ascend D quad das nach eigenen Angaben schnellste Vierkern-Smartphone der Welt. Auch in der Oberklasse soll Huaweis Motto gelten: immer 15 bis 20 Prozent günstiger als die Konkurrenz.
Und nun ein Überblick über den ersten Schwung an Neuheiten der großen Smartphone-Hersteller. Außer Apple natürlich, die sind ja nie dabei.
Samsung – ohne Galaxy S3, aber mit Beamer
Samsung, zurzeit führender Hersteller von Android-Smartphones, hatte im Vorfeld bereits angekündigt, keinen Nachfolger seines Erfolgsmodells Galaxy S2 vorzustellen. Die Koreaner präsentieren stattdessen das Galaxy Beam mit eingebautem Projektor. Es kann ein Bild mit einer Diagonale von 50 Zoll (127 cm) an die Wand werfen. Und es gibt eine weitere Version des Galaxy Note, das zeigt, wie die Grenzen zwischen Tablets und Smartphones verschwimmen. Die Note-Reihe hat begonnen als großes Smartphone (5 Zoll), die nicht nur per Finger, sondern auch mit einem Stift bedient werden. Der jetzt angekündigte Notes-Neuzugang kommt in voller iPad-Größe (10.1 Zoll) daher. Den direkt Konkurrenten für Apples nächstes iPad hat Samsung auch im Gepäck: das Galaxy Tab 2.
LG – alles, was geht
LG vereint in seinem Messe-Lineup so ziemlich jeden Trend der Messe. Flaggschiff ist das Optimus 4X HD mit einem tollen "True HD IPS"-Bildschirm (4,7 Zoll) und einem Quadcore-Prozessor. Weil vier Rechenkerne bei ihrer Arbeit ordentlich Strom ziehen, gibt es noch einen fünften Spezialkern, der dann stromsparend in Kraft tritt, wenn das Telefon eigentlich nichts macht, als den Bildschirm darzustellen und auf die nächste Aufgabe zu warten. Die Power des Optimus 4X macht sich beim Spielen sehr deutlich bemerkbar, die meisten Alltags-Apps laufen auch mit viel weniger Aufwand flüssig.
Dem Trend zum Riesen-Smartphone/Mini-Tablet folgt LG mit dem Optimus Vu, einem direkten Angriff auf Samsungs Galaxy Note. Das Vu lässt sich ebenfalls per Finger und Stift bedienen. Der Bildschirm hat eine Diagonale von fünf Zoll im Format 4:3, bietet also ordentlich Fläche zum Bilder betrachten oder Notizen und Skizzen machen. Nur zum Telefonieren greift man lieber zum Headset.
Ansonsten zeigt LG das Optimus 3D Max, den Nachfolger des ersten 3D-Smartphones, sowie ein LTE-Smartphone und eine recht uninteressante neue Linie von Designtelefonen namens LStyle.
Sony – alles unter einem Dach
Sony nutzte seinen ersten Auftritt nach dem Ende des Joint-Ventures mit Ericsson, um deutlich zu machen, dass die neue Konzernstrategie der internen Vernetzung auch die Sony-Smartphones umfasst. Das neue Sony Entertainment Network umspannt alles, der Zugang zum riesigen Fundus an Filmen und Musik wird den Smartphones gleich im Werk eingebaut, wie es bei Sonys Fernsehern, Tablets und der Playstation 3 schon länger gemacht wird. Und alle Geräte aus der Sony-Familie lassen sich einfach miteinander vernetzen.
Etwas zum Anfassen zeigen die Japaner aber auch: Das bereits im Januar vorgestellte neue High-End-Gerät Xperia S (4,3 Zoll, 12 Megapixel-Kamera) ist jetzt in Europa angekommen – und hat zwei kleinere Geschwister im Schlepptau: die Varianten P (4 Zoll) und U (3,5 Zoll). Optisch unterscheiden sich die neuen Mitglieder der Xperia-Familie nicht, alle verfügen über das zentrale neue Designelement - einen schicken transparenten Balken im unteren Drittel des Telefons, der verschiedenfarbig leuchten kann. Je nach Modell unterscheiden sich die verbauten Displays, Kameras – und die Möglichkeiten, die Hülle des Smartphones dem eigenen Farbgeschmack anzupassen. Xperia P und U sind für das zwei Quartal angekündigt.
Sony hat noch eine originelle Verwendung für die Nahfunktechnik NFC gefunden. Sogenannte Smart Tags, kleine Amulette, die bei Kontakt mit dem Telefon vorher festgelegte Aktionen auslösen. Sony gab das Beispiel vom Jogger, der mithilfe des Smart Tags bei Trainingsbeginn automatisch den Klingelton abschaltet, die richtige Musikliste lädt und eine Jogging-App startet.
HTC – fürs Auge und Ohr
Wie Sony schickt auch HTC eine Geräte-Familie ins Rennen, die mit einem Flaggschiff und zwei kleineren Varianten auf den Markt kommen wird. HTC One ist der Name, Buchstaben bezeichnen die Varianten. Das One X bringt dank Quadprozessor jeder Menge Rechenpower, die kombiniert mit einer neuen, schnellen Kamera das Smartphone zum veritablen Bilderschöpfer machen soll. Besonders kurze Auslöseverzögerung (0,7 Sekunden), schneller Autofokus (0,2 Sekunden) sowie die Möglichkeit, beim Filmen Fotos zu machen, gehören zu den technischen Highlights der Kamera.
Allen One-Smartphones gemeinsam ist die neue Benutzeroberfläche HTC Sense 4.0, die um Bildbearbeitungsfunktionen erweitert wurde sowie die Audio-Technik Beats für besonders knackigen Sound.
Das mittlere Modell One V sorgt durch eine spezielle Keramik-Rückseite für Aufmerksamkeit, der für den Massenmarkt gedachte kleinste Vertreter One S kommt immerhin noch mit einem Gehäuse aus einem Stück Aluminium daher. Alle Smartphones sind für April angekündigt.