Laut John Mauger, Konteradmiral der US-Küstenwache, ging die "Titan" durch eine "katastrophale Implosion des Schiffes" verloren, darauf deute das Trümmerfeld hin. Doch was ist eine Implosion? Eine Implosion ist das "Gegenteil" einer Explosion. Explosionen sind bekannt. Hier dehnt sich ein Stoff im Zentrum sehr schnell und gewaltsam aus und erzeugt so einen Druck. Häufig geschieht das, wenn ein Feststoff – der Sprengstoff – dazu gebracht wird, sehr schnell in einen gasförmigen Zustand überzugehen. Dann gewinnt er an Volumen, dehnt sich aus und sprengt eine Hülle um sich herum weg. So funktioniert eine Bombe.
Bei einer Implosion findet das Gegenteil statt. Im Zentrum ist nun kein Überdruck, sondern ein Unterdruck beziehungsweise ein Vakuum. So wie an Bord der "Titan". Im Inneren herrscht ein Druck wie auf der Oberfläche. An Bord eines Schiffes, über den Wellen, besteht daher nicht die Gefahr einer Implosion. Innen und außen herrschen die gleichen Druckverhältnisse. Geht das Tauchboot nun in die Tiefe des Meeres, nimmt der Druckunterschied zwischen dem Außen (Wasser) und dem Inneren (Luft) immer mehr zu. Eigentlich würde der Druck den Innenraum zerquetschen. Wäre das U-Boot ein Gummiball würde das genauso passieren, je tiefer der Ball nach unten gezogen wird, desto mehr würde die Luft in ihm verdichtet, bis er zu einer Scheibe zusammengedrückt wäre.
"Titan": Immer eine prekäre Situation
Bei jedem U-Boot verhindert das der Druckkörper. Er ist so stabil gebaut, dass er sich dem Wasserdruck entgegenstellt. Je tiefer man will, umso stabiler muss die Kapsel sein. Bildlich gesprochen drückt in 4000 Meter Tiefe eine Wassersäule von 4 Kilometern Höhe auf die Kapsel. Darum können größere U-Boote mit wesentlich größeren Druckkörpern, wie das Militär sie benutzt, auch nicht in derartigen Tiefen eingesetzt werden. Bei einer Tauchdrohne besteht das Problem übrigens nicht, weil hier keine Luftblase im Inneren existiert.
Zusammenfassung: In einer Tiefe von fast 4000 Metern herrscht immer eine prekäre Situation. Außen der gewaltige Wasserdruck, innen Druck wie an der Oberfläche und dazwischen der Druckkörper. Der besteht nicht aus einem Stück, sondern aus mehreren Segmenten, mit Verschraubungen, Dichtungen und Ähnlichem.
Nur die Zelle stemmt sich dem Druck entgegen
Wie kommt es nun zu einer Implosion? Sicher ist, dass irgendein Bauteil des Druckkörpers der Belastung nicht standhielt. Über die Frage welches, kann man nur spekulieren, herausfinden wird man es wohl nie. Gibt ein Teil nach, eine Dichtung, ein Bolzen, ein Sprung im Bullauge, kollabiert die ganze Struktur der Zelle – weil der Teilverlust auch eines kleinen Systems die Haltbarkeit der ganzen Zelle massiv beeinflusst.
Eine Glasscheibe, auf der man stehen kann, verliert auch ihre Stabilität, wenn sich nur ein kleiner Riss bildet. Hier kommt hinzu, dass die Zelle nicht allein aus Stahl, sondern aus Titan und mit Kohlenstoff verstärktem Kunststoff besteht, ein hartes, sprödes Material, das bricht und nicht biegt.
Eines passiert in dieser Tiefe eher nicht: Dass durch einen Riss Wasser hinein tröpfelt oder sprudelt wie bei einem Wasserhahn, auch wenn das in Katastrophenfilmen gern so gezeigt wird. Durch den Druck kann sich ein kleiner Riss nicht stabilisieren, er wird sich sofort vergrößern und die ganze Zelle bricht zusammen. Das ist dann die Implosion. Das Wasser dringt mit 1000 km/h ein – dieser Gewalt widersteht nichts. Diese Gewalt ist so groß, dass die Zelle nicht zusammengequetscht wird, sie wird zerfetzt. Wie bei einer Explosion von außen, werden die Bauteile aufeinander zu beschleunigt. Dann stoßen sie zusammen und streben wieder nach außen – als wenn eine Explosion stattgefunden hätte. Das Wasser bremst die Trümmer allerdings schnell ab. So erklärt sich das Muster des Trümmerfeldes. Die Teile der "Titan" liegen verstreut auf dem Grund wenige Hundert Meter vor der "Titanic".
Von der Implosion zur Explosion
Diesen Wechsel von Implosion zur Explosion gibt es in umgekehrter Richtung auch bei Bomben. Bei schweren Luftminen oder Atombomben schießt eine Druckwelle heißen Gases zunächst aus dem Zentrum heraus, die Explosion. Dadurch entsteht im Zentrum ein gewaltiger Unterdruck, so dass nach der Bewegung nach außen (Explosion) eine weite Druckwelle wieder zurückrollt (Implosion). Sogenannte Vakuumbomben werden für diesen Zweck hin optimiert.
Im Falle der Titan ist anzunehmen, dass die Insassen nichts bemerkt haben und sie in dem Moment starben, als die Funkverbindung abbrach. Hätten sie Probleme in der Struktur bemerkt, hätten sie den Tauchgang abgebrochen und sich gemeldet. Es wird vermutlich keine Vorwarnung gegeben haben. Wissen kann man das aber noch nicht.
Ein schneller Tod
Sicher ist, dass der eigentliche Einbruch des Wassers und der Zusammenbruch der Struktur in einem Augenblick erfolgten. So, als säße man im Wohnzimmer und unter dem Tisch würde eine 500-Kilogramm-Bombe explodieren. Ein solches "katastrophales Ereignis" geschieht innerhalb von 20 Millisekunden, sagte Professor Eric Fusil von der University of Adelaide dem Sender ABC.
Marineoffizierin Aileen Marty, Professorin für Katastrophenmedizin, sagte dem Sender CNN, dass das menschliche Gehirn die Lage so schnell gar nicht erfassen könne. "Das ganze Ding ist kollabiert, bevor die Menschen darin überhaupt bemerken konnten, dass es ein Problem gab." Die Insassen der "Titan" seien auf eine Art und Weise gestorben, bei der sie nicht einmal gewusst hätten, dass sie sterben würden. "Letztlich ist dies mit Blick auf die vielen Möglichkeiten, wie wir sterben können, schmerzlos."