Krieg in der Ukraine Die Krim-Brücke wurde getroffen – Putin wird sie reparieren, nur nützt ihm das nichts

Eine Fahrbahn der Krim-Brücke hängt herab
Der Screenshot aus dem Video eines Bahnreisenden über die Krim-Brücke zeigt das zerstörte Segment der Fahrbahn
© Twitter
Die Krim-Brücke, Putins Prestigeobjekt, wurde schwer beschädigt – zum zweiten Mal. Die Angriffe werden fortgesetzt, auch wenn der Schaden repariert werden kann. Dazu kommen die Auswirkungen auf die ukrainische Bodenoffensive.

Kiew hat die Krimbrücke angegriffen und dabei wurde ein Segment der Auffahrt so schwer beschädigt, dass es nicht benutzt werden kann. Betroffen ist der Kfz-Teil der Brücke, der Eisenbahnteil scheint intakt. Die Videoaufnahmen des Schadens und die Wahl des betroffenen Segments deuten darauf hin, dass die Explosion die Brücke von unten, von der Wasseroberfläche her, getroffen hat. Der Druck hat das Brückensegment angehoben und so entstand die Beschädigung. Darauf deuten auch die Aufnahmen eines zerstörten Pkw hin, der Explosionsdruck scheint die Beifahrerin von innen durch die Frontscheibe gedrückt zu haben. Bei der Explosion kam ein Paar ums Leben, ein Kind überlebte verletzt.

Entscheidend für die Versorgung der Krim

Kiew kündigt Angriffe auf die Brücke regelmäßig an. Das Ziel hat einen hohen militärischen Wert, dazu kommt ein gewaltiger Propagandaeffekt. Diese Brücke ist Putins persönliches Projekt, er selbst ließ es sich nicht nehmen, sie einzuweihen. Die Brücke verkörpert wie nichts anderes die Annexion der Krim an Russland. Gleichzeitig ist sie eine der wichtigsten Lebensadern des russischen Apparats, über sie läuft die Versorgung des Militärs in der Region um Cherson und an der  Saporischschja-Front plus der rückwärtigen militärischen Dienste auf der Krim selbst. Dazu ist wird sie für die Versorgung der zivilen Bevölkerung auf der Krim benötigt. Ein- und Ausfuhren geschehen über diese Brücke. Müsste Russland auf Fähren ausweichen, dürfte es zu Engpässen kommen.

Das Militär in der Region Cherson und der Saporischschja-Front wird über die Krim und die Eisenbahnverbindung in dem schmalen Landkorridor, den Russland auf dem Festland besetzt hält, versorgt. Primäres Ziel Kiews muss es sein, diese logistischen Schlagadern zu durchtrennen. Das geht bei einer Brücke naturgemäß leichter, da sich Schäden auf einer Bahntrasse schnell reparieren lassen.

Schaden an Krim-Brücke vermutlich reparabel

Vermutlich dürfte der Schaden an der Brücke nicht dauerhaft sein. Eine Explosion von "unten" bringt es mit sich, dass die Brücke am Ort der Detonation nur eine geringe Höhe haben darf. Mit einer Wasserdrohne kann man den verwundbarsten Teil der Konstruktion, den kühnen Bogen zwischen den Pylonen, nicht treffen. Er wäre nur mit großen Mühen zu reparieren. Das geht bei dem flachen Teil bedeutend einfacher. Den tatsächlichen Schaden kann man noch nicht abschätzen. Die schwere Beschädigung des Segments der Fahrbahn ist augenfällig, sollte auch die Struktur des Pfeilers beschädigt sein, wird der Aufbau weit aufwändiger. Vorteil für die Russen: Anders als bei der Brücke bei Cherson, läge die Baustelle nicht im Wirkungsbereich der ukrainischen Artillerie. Genau genommen handelt es sich um zwei parallel gebaute Brücken. Sollte die für den Nachschub entscheidende benachbarte Fahrbahn für die Eisenbahn nicht beschädigt sein, ist der tatsächlich logistische Schaden gering.

Es zeigt sich, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Die Ukraine wird weitere Versuche unternehmen, die Brücke oder die Brücken zu zerstören. Ob mit Fahrzeugen, die als Selbstmordbombe auf die Reisen gehen, Wasserdrohnen oder mit Geschossen und Raketen. Waffen wie der Storm Shadow – oder das französische Pendant – können die Brücke erreichen. Und auch wenn Attacken abgewehrt werden, kann es immer passieren, dass eine Missile durchkommt. Dazu verdichten sich Gerüchte, dass Kiew aus eigener Kraft Fernwaffen hoher Reichweite produziert. Dabei soll es sich nicht um hochmoderne Systeme handeln, sondern um modernisierte, reichweitengesteigerte Neubauten alter Sowjetwaffen. Die Brücke wird also weiter im Feuer stehen.

Propaganda-Sieg

Kiew ist sicher ein propagandistischer Sieg gelungen, doch eine Beschädigung ist keine Zerstörung der Brücke. Die praktischen Folgen werden vermutlich überschaubar sein. Der Schlag gegen die Brücke wird der stockenden Offensive der ukrainischen Streitkräfte keinen Auftrieb verleihen können. Kiew konnte nicht einmal den Abzug von Tausenden von kampferprobten Wagner-Söldnern zu einem wirklichen Vormarsch nutzen. Wäre es Kiews Truppen gelungen, eine operative Krise in ganzen Frontabschnitten herbeizuführen, könnte ein Stocken der Versorgung den russischen Widerstand lähmen. Doch bislang konnten Kiews Truppen die Russen nur aus einigen Dörfern vertreiben. Das sind bislang also lokale Erfolge.

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